„Gaza sieht immer mehr wie ein KZ aus“ – Obskurer Islamforscher zu Gast bei der Uni Osnabrück

"John esposito 03102013198" by Palapa - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:John_esposito_03102013198.jpg#/media/File:John_esposito_03102013198.jpg
„John Esposito “ by Palapa – Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons


Im Jahr 2015 gab es alleine in Frankreich zwei islamistisch motivierte Massaker mit fast 150 Toten, am 7. bzw. 9. Januar in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris bzw. einem jüdischen Supermarkt und am 13. November im Club Bataclan, mehreren Cafés sowie am Stade de France, wo gerade ein Fußballfreundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland stattfand. Daraufhin wurde wenige Tage später erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus Terrorangst ein Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft in Hannover abgesagt. Von unseren Gastautoren Clemens Heni und Michael Kreutz.

Doch all diese spezifisch mit dem Islamismus und Jihadismus zusammenhängenden Ereignisse führen eben in der Wissenschaft, der Islamforschung wie der Islamischen Theologie, offenbar weiterhin kaum dazu, Kritik am Islamismus und Antisemitismus zu üben. So wird der Präsident der Uni Osnabrück, Prof. Wolfgang Lücke, am 14. Januar 2016 die Konferenz „Antimuslimischer Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa“ begrüßen. Es ist eine dreitägige, große Konferenz mit über vierzig Referentinnen und Referenten, organisiert vom Institut für Islamische Theologie der Uni Osnabrück und finanziert vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, dem Graduiertenkolleg Islamische Theologie sowie der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Clemens Heni Foto: Privat
Clemens Heni Foto: Privat

Hier kommt eine Opferhaltung zum Ausdruck, die den Islamisten letztlich nur in die Hände spielt. Kein einziger Vortrag ist der jihadistischen und islamistischen Gewalt und Ideologie gewidmet. Sicher, angesichts eines unübersehbaren rassistischen Klimas in Deutschland, von Pegida über die AfD bis hin zu Neonazis, die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verüben, ist eine Kritik am Rassismus notwendig. Doch was soll „antimuslimischer Rassismus“ sein? Rechtspopulisten mögen ein besonderes Problem mit dem Islam haben, allgemein hetzen sie aber gegen die Zuwanderung insgesamt. Sie wollen ein völkisch homogenes Deutschland.

Der eigentliche Skandal der Konferenz ist der Hauptredner, der amerikanische Islam- und Nahostforscher John L. Esposito, Jg. 1940. Er hat einen von Saudi-Arabien (mit)finanzierten Lehrstuhl und ist einer der umstrittensten Nahostforscher in Amerika. Acht Jahre ist es her, seitdem der amerikanische Nahostkenner Martin Kramer darauf hingewiesen hat, dass mit den Berechnungen bezüglich der Zahl von radikalisierten Muslimen von John Esposito etwas faul ist.

Demnach hatte Esposito eigene Umfragen unter Muslimen dahingehend interpretiert, dass nur 7% der Befragten als radikalisiert bezeichnet werden können. So gering nämlich sei der Anteil derer, die der Aussage zustimmen, dass die Anschläge vom 11. September 2001 „völlig gerechtfertigt“ seien. Dabei fiel aber unter den Tisch, dass anderthalb Jahre zuvor Esposito und seine Co-Autorin auch solche Befragten zu den Radikalisierten zählten, die der Aussage zustimmten, dass die Anschläge „weitgehend gerechtfertigt“ seien. Viele von denen, die vorher noch als radikal gegolten hatten, wurden plötzlich zu Moderaten verklärt.

Michael Kreutz Foto: Privat
Michael Kreutz Foto: Privat

Selbst Islamisten, die in der Forschung für ihre gefährliche Ideologie seit Jahren analysiert und kritisiert werden, wie die Gülen-Bewegung, Tariq Ramadan aus der Schweiz, Yusuf al-Qaradawi aus Katar oder Mustafa Ceric aus Bosnien werden von Esposito als wunderbare Beispiele für einen „moderaten“ Islamismus betrachtet. Doch es gibt keinen „moderaten“ Islamismus, wie schon der Politik- und Islamwissenschaftler Bassam Tibi in einer Kritik an Esposito vor Jahren betonte. Ein Yusuf al-Qaradawi, der Selbstmordattentate gegen Israelis für religiös rechtmäßig erklärt, wird nicht dadurch moderat, dass er ihre Durchführung auch Frauen ohne Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner zubilligt!

In seinen Büchern und Texten zeigt sich die ganze Ideologie von John Esposito. Für ihn ist der islamische „Fundamentalismus“ im Iran, dem zigtausende Menschen zum Opfer gefallen sind, das gleiche wie ein christlicher in den USA, der reaktionär sein mag, aber nicht mörderisch ist. Ebenso verglich er George W. Bush mit dem Dschihadisten, Massenmörder und Mastermind des 11. September 2001, Osama bin Laden. Solche Vergleiche mögen im Westen in manchen Kreisen populär sein, sie sind aber grundfalsch, weil beide Personen für entgegengesetzte Werte stehen.

In seinem Buch „The Future of Islam“ (Die Zukunft des Islam) von 2010 vergleicht Esposito die Situation im Gazastreifen mit KZs und somit Israel mit Nazis – eine klare antisemitische Diffamierung, nach Definition des amerikanischen Außenministeriums und der internationalen Antisemitismusforschung.

Mehr noch: im August 2014 beschuldigte Esposito auf Twitter den Holocaustüberlebenden Elie Wiesel, dieser spiele angesichts der Ereignisse in Gaza eine „Holocausts-Trumpfkarte“ aus. Wiesel hatte zu Recht betont, dass die islamistische Terrororganisation Hamas endlich aufhören solle, Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen. Er wies darauf hin, dass Juden schon vor über 3500 Jahren dem Menschenopfer eine Absage erteilt hatten und solche Praktiken für einen zivilisatorischen Rückfall hielten. Für Esposito aber war das kein Grund nachzuhaken, sondern Anlass zur Diffamierung. So reden in Deutschland üblicherweise nur Neonazis und extreme Rechte.

Schließlich hat Esposito in seinem Buch „Die Zukunft des Islam“ auch dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Frisch, ohne jeden Beleg (!) die Aussage unterstellt, „Muslime wollen die Welt beherrschen“. Solche Aussagen wie auch andere Verdrehungen in seiner Darstellung disqualifizieren Esposito als Redner. Frisch hat das Behauptete aber nicht nur nicht gesagt, sondern sich dezidiert dagegen gewandt, Muslime zu diffamieren. Davor warnt er nachdrücklich. Esposito dagegen versucht eine deutsche Bundesbehörde, die den Islamismus beobachtet und vor ihm warnt, zu diskreditieren.

Wollen der Präsident der Uni Osnabrück, die über vierzig Referentinnen und Referenten wie auch die involvierten Landes- wie Bundesministerien einer solchen Rabulistik, diesem Antisemitismus und dieser Verharmlosung des Islamismus wirklich Vorschub leisten?

Dr. phil. Clemens Heni ist Politikwissenschaftler und Direktor des Berlin International Center for the Study of Antisemitism (BICSA)

Dr. phil. Michael Kreutz ist Arabist und Islamwissenschaftler in Münster.

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Kai Schmidt
Kai Schmidt
8 Jahre zuvor

Mit Bassam Tibi zu argumentieren ist schräg, sind dessen Positionen zum Islam doch ihrerseits ebenfalls sehr umstritten. Nicht zuletzt wird dieser inzwischen als glaubwürdiger Gewehrsmann bei PI-News zitiert, wenn er von der Notwendigkeit und gleichzeitig dem angenommenen Scheitern einer in ihrer Form nicht genau bestimmten Pflicht zur Anpassung und Integration des Islam in "Europa" fabuliert.

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Habt ihr die Uni und das Ministerium angemailt mit Bitte um Stellungnahme?

Wenn die Macher dieser Konferenz jemanden wie Esposito als Hauptredner einladen, sollte man die Veranstaltung ausfallen lassen und sich mal Gedanken machen, ob man die Veranstalter weiter mit Steuergeld unterstützt.

Zynisch wie ich bin, vermute ich dass Esposito nicht trotz, sondern wegen seines unbändigen Judehass eingeladen wurde.

Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Ich kenne von keinem Rechtsradikalen die Aussage, "dass die islamistische Terrororganisation Hamas endlich aufhören solle, Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen." Von keinem. Bedauerlicherweise aber auch nur von wenigen Linken. Wenn John L. Esposito so etwas sagt, dann sagt er die Unwahrheit. Auch er kennt niemanden aus dem rechtradikalen Lager der so wtwas sagen würde. Aber auch andere seiner Behauptungen sind simpel falsch.
Und gemessen an den vielen falschen Behauptungen, ist der Mann entweder ein intellektueller Blindgänger, oder seine Zuhörer sind es. Oder beides, oder er ist ein schlecht verkappter Antisemit. Was auch immer. Wer den einlädt, und nicht gerade aus eigenem Antrieb Antisemit ist, oder antisemitisch erzogen wurde, macht auf mich mindestens einen reichlich weltfremden Eindruck. Und zwar wirklich mindestens.

nussknacker56
nussknacker56
8 Jahre zuvor

#1
Mit Bassam Tibi wurde hier nicht argumentiert sondern lediglich am Rande auf ihn verwiesen. Apropos Argumente, diese suche ich in Ihrem Beitrag leider vergebens. Nur weil Sie jemand nicht mögen, der bei „PI-News“ zitiert(!) wird, ist kein Argument, ein bisschen mehr Mühe sollte schon drin sein.

#4
Warum soll für eine Veranstaltung Werbung gemacht werden, dessen Hauptredner eine Nähe zu islamistischen Organisationen und Personen hat und sich von einem nicht unwichtigen Finanzier des islamistischen Terrors, Saudi-Arabien, seinen Lehrstuhl mitsponsern lässt? Wenn ich mir die weiteren Referenten und vor allem die Themen anschaue, wird deutlich, dass es hier um alles Mögliche geht, nur nicht um eine auch nur in Teilbereichen kritisch-reflektierende Sicht auf den Islamismus.

Arnold Voss
Arnold Voss
8 Jahre zuvor

@ clemens-ratte-polle

Niedlich, wie sie hier versuchen, doch noch etwas Reklame für Rassisten und Antisemiten zu machen.

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Der macht keine Reklame, sondern das Gegenteil. Die Backup Links verhindern, dass die Universität die Sache ganz oder teilweise vertuscht. Ich habe das orginale pdf mit dem Programm deswegen auch auf einen Server veröffentlicht, auf den die Uni keinen Zugriff hat.

ron jeremy
ron jeremy
8 Jahre zuvor

Interessante Sache. Auf der FB-Seite von quantara werden Hinweise auf die dubiose Agenda der Osnabrücker Fakultät schnell gelöscht und man selbst mit Blockade bedroht.

Speziell die Osnabrücker Fakultät habe ich mir unlängst mal angeschaut. Der rudimentäre Eindruck: Die übliche Beschwichtigungs- und Ausweichrhetorik, DITIB-Nähe und ausnahmslos Kopftücher. Hier stellt sich jemand nicht mitten in die Gesellschaft, sondern ausserhalb.

Zur Tagung:
Aiman Mazyek bsp. fordert dort eine neue Sondergesetzgebung zur Einschränkung der Meinungsfreiheit, zur Strafbarkeit eines kritischen Diskurs über den Islam. Hier aus einem Bericht über die Veranstaltung: "Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime in Deutschland, stellt die Forderung gleich zu Beginn in den Raum. Notwendig sei die öffentliche Ächtung des «antimuslimischen Rassismus» in der Gesellschaft. Dafür brauche es zwar auch Gesetze. Sie aber seien nicht das Einzige." http://www.islamische-zeitung.de/?id=19867

Update:
Offenbar ist der Vortrag von Esposito ausgefallen, krankheitsbedingt…

Arnold Voss
Arnold Voss
8 Jahre zuvor

Vielleicht sollte man dem Vorsitzenden des Zentralrates der deutschen Muslime erst mal klar machen, das Muslime keine Rasse sind, sondern Angehörige einer Religionsgemeinschaft. Dass Jemand sie in einer universitären Veranstaltung widerspruchslos als Rasse bezeichnen kann, sagt eigentlich alles über diese Tagung.

Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Wenn die Funktion, die Herr Aiman Mazyek bekleidet, beinhalten sollte, seinen Verband nach außen hin, also auch gegenüber der nichtmuslimischen Mehrheit in Deutschland zu vertreten, macht er einiges falsch. Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie das, was ich von einzelnen mir bekannten Muslimen höre, zu dem passen sollte, was Herr Aiman Mazyek so sagt.

Arnold Voss
Arnold Voss
8 Jahre zuvor

Die meisten Muslime wissen gar nicht, bzw. können sich schlicht nicht vorstellen, dass über ein Drittel der deutschen Bevölkerung keiner Konfession angehört. Viele Christen allerdings auch nicht.

Karsten Paul
Karsten Paul
8 Jahre zuvor

Es ist gar nicht die Aufgabe der Forschung Kritik am Islamismus zu üben, sondern ihn in seinen Bedingungen zu verstehen. Es ist auch nicht Aufgabe einer Tagung die Gesinnungskonformität aller Beteiligten zu sichern.

Es gehört sich in Deutschland mit dem Vorwurf des Antisemitismus sehr vorsichtig zu sein, weil wir ihn nicht dulden können. Jeder fahrlässige und unsaubere Vorwurf wäre daher zu vermeiden. Ich finde die exklusorische Tendenz dieses Artikels wirklich nicht gut. Die Inflatoren des Antisemitismusvorwurfs der 90er und Debattenvergifter segeln inzwischen im rechten Lager weiter.

Arnold Voss
8 Jahre zuvor

Habe ich das richtig verstanden, Herr Paul? Forschung darf nicht kritisieren? Forschung darf nur verstehen helfen? Kritische Fragestellungen ausgeschlossen? Soll das eine Witz sein?

Helmut Junge
8 Jahre zuvor

Goodwill-Forschung, wie @Karsten Paul sie sich wünscht, gibt es zwar in den Gesellschaftswissenschaften zuhauf, haben aber glücklicherweise kurze Verfallsdaten. Sogar im behäbigen Deutschland.
Was @Karsten Paul fordert, geht aber noch über alles hinaus, was ich kenne. er will Forschern vorschreiben, wie und worüber sie forschen, und zusätzlich möchte er noch diktieren, wie sie ihre Ergebnisse interpretieren. Kim Jong Un läßt grüßen.

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