Beeindruckende Darbietung der FDP: die Rettung naht

Welch beeindruckende Darbietung! Die junge Garde an der FDP-Spitze hat sich ein neues Personaltableau gebastelt; das Publikum konnte die Inszenierung beinah live mitverfolgen. Für Spannung war reichlich gesorgt, dazu: Intrige, Verrat, menschliche Abgründe – im Grunde alles, was das Herz begehrt. Gewiss: Shakespeare war irgendwie besser, und das neue Personaltableau ist ganz so neu nun auch wieder nicht. Aber nach zehn Jahren Guido Westerwelle war das doch endlich mal eine willkommene Abwechslung. Nichts gegen Steuersenkungen – aber immer und ständig und nur?
Was waren wir das leid! Diese hochdeutsche Version von Birgit Homburger, die sich in Rage geredet hatte, weil die spätrömisch Dekadenten mit ihrer Prasserei dafür sorgen, dass es immer noch Steuern gibt. Nervig. Deshalb gehört Westerwelle auch nicht zum neuen Personaltableau, sondern muss sich mit einem Versorgungsposten namens „Außenminister“ begnügen. Und Homburger hat im letzten Moment Glück gehabt, noch so eben zur stellvertretenden Parteichefin abgeschoben werden zu können, weil diese Heidi Klum aus dem Europaparlament sich in ihrer Doktorarbeit der Guttenbergschen Methodik verschrieben hatte. Drama, Baby, Drama! Doch, das muss man anerkennen: die FDP wird wieder interessant.

Das macht Lust auf mehr. Und wie es der Zufall gerade so will, ist jetzt das ganze Wochenende lang FDP-Bundesparteitag. Gut, dass der Rösler all diese Personalfragen im Vorfeld klären konnte. Obwohl … – Überraschungen sind natürlich nie ganz ausgeschlossen. Und sei es nur, dass Homburger arg wenig Stimmen bekommt. Das wäre zwar keine richtige Überraschung, aber ein ziemlicher Schuss vor den Bug für Rösler. Erzählt man sich jedenfalls so. Nicht zu vergessen: Brüderle. Die U-40-Boygroup konnte den Aufschwung-XXL-Politprofi zwar aus dem Wirtschaftsministerium verdrängen, doch dafür wird dieser mit allen Weinen und Wassern gewaschene Pfälzer Fraktionschef der Liberalen im Bundestag. Sozusagen der natürliche Gegenspieler des sanften Onkel Doktors an der Parteispitze. Au weia! Wie gesagt: die FDP wird wieder interessant.

Die Politik, ach ja – so ganz ohne sie geht es freilich auch nicht. Nicht in der Politik, und nicht in der FDP; denn sie ist ja, um daran kurz zu erinnern, eine politische Partei. Das Wesentliche, wie gesagt: raus aus der thematischen Verengung! Also: mehr in die Breite gehen, schon jetzt auf dem Parteitag. Ein Blick ins Antragsbuch: prima! Diese Themenvielfalt. Es geht los mit der Energiepolitik, okay: in diesen Tagen ein Muss. Dann Europa, dann Bildung. So weit die Anträge des Parteivorstandes, es folgen die Landesverbände, die Jungen und die Alten mit allem möglichen Kram. Prima! Was die Leitanträge betrifft, so liegen leider nur zwei der drei vor. Denn der „Europaantrag (ist) zur Zeit in Überarbeitung durch den Bundesvorstand“. Ob die im Thomas-Dehler-Haus wegen der ganzen Personaltableau-Angelegenheiten so viel Stress hatten, dass die einfach nicht rechtzeitig dazu gekommen sind? Oder haben die Europa etwa für nicht ganz so wichtig gehalten?

Weit gefehlt; denn der Antrag ist zur Zeit in Überarbeitung, nicht in Erarbeitung, d.h. das, was bislang vorgelegen hat, muss jetzt ein wenig verändert werden. Es sind nämlich noch drei weitere Anträge zu Europa gestellt, genauer: zum Euro. Alle gehen ganz klar in eine Richtung, und da wäre es doch sehr schön, wenn der Parteivorstand deren wesentliche Elemente in seinem Leitantrag berücksichtigen könnte, so dass sich sämtliche Antragsteller auf den Text des Vorstands einigen. Dies sollte gelingen; denn in der FDP gibt es im Grunde keinen Dissens in dieser Frage. Brüderle soll, wie dpa gestern meldet, das „Fraktionsprofil schärfen“, indem er – „FDP pur“ – beim Euro „ein striktes Vetorecht des Bundestages für neue Milliardenhilfen an Schuldenländer“ einfordert. Aber auch Daniel Bahr, der FDP-Landeschef in NRW und designierter Bundesgesundheitsminister, „fordert Korrekturen am Euro-Stabilitätsmechanismus“. „Wir stehen zwar für europäische Solidarität“, sagte Bahr der Rheinischen Post, „aber“ – selbstverständlich, kein „zwar“ ohne „aber“ – „wenden uns gegen eine Haftungsunion“.

Die Linie der FDP ist klar, sehr deutlich wird sie im Antrag Nr. 18 „Euro sichern – Verantwortung stärken“. Antragsteller ist der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, der mit seinem „Liberalen Aufbruch“ eigenen Angaben zufolge die FDP „unterwandert“. „Verantwortung stärken“ – wer sich in der FDP-Terminologie ein wenig auskennt, weiß was der Antrag Nr. 18 will. Oder man liest einfach den Antragstext; er beginnt so: „Die FDP setzt sich dafür ein, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene wirksam für die Stabilität unserer Währung stark macht. Das setzt auf der Grundlage der bisher gemachten europäischen Erfahrungen voraus, dass kein ständiger `Euro-Rettungsschirm` das unverzichtbare Eigeninteresse der Mitgliedstaaten und ihrer Gläubiger an einer konsequenten Finanzpolitik und ihre Eigenverantwortung lähmt, …“ Frank Schäffler ist der erste Unterzeichner dieses Antrags, gefolgt von Burkhard Hirsch, dem ehemaligen NRW-Innenminister, der bekanntlich zum Freiburger Kreis, dem linksliberalen Flügel der FDP, gehört.

Keine Frage, dass der Leitantrag des FDP-Vorstands so oder so ähnlich aussehen und mit großer Mehrheit auf dem Parteitag beschlossen werden wird. Weniger als die Ablehnung des Euro-Rettungsschirms steht nicht zur Debatte. Westerwelle, falls er sich traut, mag mahnen, oder der ein oder andere nicht ganz so prominente FDP-Europaabgeordnete. Sie könnten anführen, dass sämtliche Länder der Eurozone die Stützungsmaßnahmen mittragen. Auch Finnland, wo Rechtspopulisten mit einer Anti-Euro-Kampagne Koalitionspartner geworden sind. Sie könnten darauf hinweisen, dass Merkel gar nicht anders können wird, als solch einen Beschluss des FDP-Parteitags zu ignorieren. Es wird nichts nützen. Die FDP ist nicht mehr auf dem Weg zur Anti-Euro-Partei, sie ist längst eine Anti-Euro-Partei, die Anti-Euro-Partei. Ist sie deshalb „rechtspopulistisch“? Philipp Rösler, Burkhard Hirsch – Rechtspopulisten? Absurd. Und doch steht zu erwarten – je nach Standpunkt: zu hoffen oder zu befürchten, dass die FDP selbst für den Preis des Verlustes der Regierungsbeteiligung von diesem Trip nicht mehr runterkommen wird. Sie wird um ihres Überlebens willen nicht nachgeben können. Es gibt für sie nun einmal nur noch diesen einen Platz, und der liegt – Datenschutz hin, Netzsperren her -ganz weit rechts.

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infinity
infinity
13 Jahre zuvor

Der Link „Daniel Bahr“ zeigt ins Nirvana. wp-admin hat da bestimmt kaum was drin zu suchen. 🙂

Ansonsten aber ein schöner Artikel mit Schmunzel-Potential.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

Beim Lesen habe ich auch mehrfach grinsen müssen. Allerdings muss mir bei Gelegenheit noch mal jemand erklären, warum es Anti-Euro ist, wenn man darauf besteht, dass die bei der Einführung des Euro beschlossenen Grundsätze eingehalten werden: https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtbeistandsklausel

Andi
Andi
13 Jahre zuvor

Der wesentliche Unterschied zwischen FDP und Grünen: Die FDP wäre um einen Schlag viel sympathischer, wenn sie jeden unter 40 aus der Partei schmeißen würde. Und die Grünen, wenn sie jeden über 40 rausschmissen.

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga (#5)

Okay. Die Erklärung, dass die Mütter und Väter des Euro „Anti-Euro“ waren, wird bestimmt spannend. Da freue ich mich schon drauf…

trackback

[…] Beeindruckende Darbietung der FDP: die Rettung naht … ruhrbarone […]

Michael Böwingloh
Michael Böwingloh
13 Jahre zuvor

Sehr verehrter Herr Jurga,

als Mitantragsteller bin ich schon sehr verwundert über Ihre Ausführungen. Ich verbitte mir den Zusammenhang zwischen der Ablehnung des Rettungssirmes und einer FDP „ganz weit rechts“. Sie machen es sich einfach, aus Ermangelung an guten Argumenten für den Rettungssirm, diejenigen, die eine Tansferunion nicht wollen in die rechte Schmuddelecke zu stellen. Mit rechten Kindern spielt man ja bekanntlich nicht.
Auch hat der vergangene Landesparteitag in Duisburg gezeigt, dass die Entscheidung, welche Richtung die FDP in der Frage des Rettungssirm nimmt, völlig offen ist. So ist auf dem Landesparteitag unser Antrag knapp unterlegen gewesen und der Leitantrag in unveränderter Form beschlossen worden. Ich hoffe auf dem Bundesparteitag über ein anderes Votum.
Kurz zusammengefasst, Ihr Beitrag ist sachlich falsch, ich stehe gerne zur Verfügung um sowohl über die Motive, die Transferunion nicht zu wollen, oder auch gerne über die innerparteiliche „Gefechtslage“ zur Tranferunion mit ihnen zu diskutieren. Aber nicht unter der Überschrift: Rettungsschirmgegner = Rechtspopulisten

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga (#9)
Meine Eltern haben mir einmal beigebracht, dass Verträge einzuhalten und nicht zu brechen sind. Vertragsbruch als politisch legitim und die Kritik daran in den Schmuddelbereich einzuordnen, bleibt für mich moralisch einfach fragwürdig.

Ich bin dann wohl lieber Schmuddelkind und spiele mit den anderen Schmuddelkindern, die eine Zukunft für den Euro und die EU wollen. Wenn Vertragsbruch und die mutwillige Zerstörung der Grundlagen der europäischen Idee sowie der sozialen Marktwirtschaft die Alternative bleibt, ist das wohl eine ehrenwerte Sache. Ich werde also Franz Josef Degenhardts Ratschlag nicht folgen können…

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[…] Werner Jurga hält das Chaos in der FDP für eine „willkommene Abwechslung“: „Nichts gegen Steuersenkungen – aber immer und ständig und nur?“ Nach zehn Jahren Westerwelle ist es gut, dass dieser sich nun mit dem „Versorgungsposten“ Außenminister zufriedengeben muss. Auch Homburger hatte Glück, noch in letzter Sekunde auf den Posten der stellvertretenden Parteivorsitzenden „abgeschoben“ zu werden. Zu befürchten ist, dass sich die FPD auf ihrem kommenden Parteitag wegen ihrer Skepsis bezüglich des Euro-Rettungsschirms als „Anti-Euro-Partei“ profilieren wird, dessen Beschlüsse von der Union nur ignoriert werden können. Merkel: Kollegin auf Zeit. […]

Oliver Fink
13 Jahre zuvor

@ Werner Jurga: (#12)

Sie verwechseln ein wenig Ursache und Wirkung. Die Schärfe haben Sie in die Debatte gebracht, als sie berechtigte Kritik am ESM einfach einmal schlank in die rechte Ecke („ganz weit rechts„) gestellt haben.

Ihnen ist klar, dass Sie mit dem Versuch, Kritiker der ESM als politische Rechtsaußen zu diffamieren, eigentlich gar keine Diskussion wollen, sondern diese abzuwürgen versuchen? Ist das Vertrauen in die eigenen Argumente schon so gering?

trackback

[…] zu profilieren. Entscheidend ist, dass Rösler erkannt hat und schon jetzt darauf setzt, dass die einzige Chance für das Überleben der FDP (und damit auch für sein eigenes politisches Überleben) darin […]

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