Finanzskandal und Heusnerviertel-Abriss

Der Bochumer Finanzskandal hat eine Vorgeschichte, die weit in die 80er Jahre und ihre Konflikte hineinreicht. Von unserem Gastautor Martin Budich.

Thealozzi Foto: Wikipedia Lizenz: PD

Jüngere LeserInnen werden wahrscheinlich etwas verwundert sein, mit wieviel Spott und Schadenfreude einige Altlinke z.Z. auf den jüngsten Finanzskandal in Bochum reagieren. Der Landesrechnungshof fordert schließlich von der Stadt, dass sie Bundes- und Landeszuschüsse in Höhe von ca. 30 Mio Euro für den Bau der Westtangente zurückzahlt. Dem Ausbau der Westtangente war vor 25 Jahren eine der heftigsten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Nachkriegs-Bochum vorausgegangen. Für den Bau der Stadtautobahn waren Häuser auf der geplanten Trasse "leergezogen" worden. Als der Bau der Straße sich verzögerte und die Wohnungsnot der Studierenden dramatische Züge annahm, wurden die Häuser befristet an Studierende vermietet.

Als der Bau der Stadtautobahn beginnen und die Häuser abgerissen werden sollten, kam es in Bochum zu einer der größten Häuserbesetzungen in der BRD: 150 Wohnungen in 40 Häusern wurden besetzt. Mit übelsten Kriminalisierungen, Schikanen und schließlich mit brutaler Polizei-Gewalt wurden die Häuser geräumt und abgerissen. Nur das Thealozzi blieb stehen.
Die SPD glaubte, dass sie sich einen solchen Kurs leisten kann. Sie regierte seit Jahrzehnten mit absoluter Mehrheit in Bochum. Einen ersten Dämpfer gab es, als  WAZ Redakteur Rolf Hartmann in mehreren Artikeln aufdecke, wie SPD-Ratsmitgliedern Aufträge zugeschanzt wurden. Ein Bauunternehmer musste sein Ratsmandat niederlegen. Hartmann erhielt 1991 den angesehensten deutschen Journalistenpreis: den Wächterpreis. Wenn Belege jetzt genau aus dieser Zeit vom Landesrechnungshof als verschwunden moniert werden, dann werden viele Erinnerungen wach. Die SPD ging mit ihrer absoluten Mehrheit auch deshalb so selbstherrlich um und meinte, dass sie Aufträge und Abrechnungen nach Gutdünken gestalten konnte, weil sie die CDU mit kleinen Zugeständnissen korrumpiert hatte.

Die CDU stellte damals den Kämmerer: Joachim Barbonus. Er wusste  als Finanzchef der Stadt über alle Auftragsvergaben  und Abrechnungen bescheid. Er selber endete schließlich in der Untersuchungshaft, weil er ein städtisches Grundstück an sich selbst als Vorsitzender des DRK verkauft hatte und dann der DRK-Geschäftsführerin für den Bau eines Hauses zur Verfügung stellte. Er wurde dafür zwar nicht verurteilt, musste als Kämmerer aber seinen Hut nehmen. Die CDU muss also vorsichtig sein, wenn sie heute die Vorgänge in der damaligen Zeit kritisiert. Auch heute ist sie mit der Stelle der Rechts- und Ordnungsdezernentin in die rot-grüne Rathauspolitik eingebunden. Sie weiß damit, was an der Spitze der Verwaltung diskutiert wird und kann nicht lammentieren, dass sie nichts vom dem neuen Skandal gewusst habe. Seit Januar ist die Geschichte bekannt und wurde nun geschickt von der CDU als Auftakt für die Kommunalwahl am 30. August inszeniert. Zurück zum Ausgangspunkt Ende der achtziger Jahre: Die SPD verfügte nicht nur in Bochum über eine absolute Mehrheit. Auch das Land NRW wurde seit zwei Legislaturperioden von Johannes Rau mit absoluter SPD-Mehrheit regiert.

Auch die Bezirksregierung Arnsberg war fest in sozialdemokratischer Hand. Finanztransaktionen zwischen Land und Stadt wurden damals selbstverständlich auf dem kleinen partei-internen Dienstweg besprochen. Fragwürdigkeiten bei der Abrechnung von Geldern wurden solidarisch unter GenossInnen geklärt. Letzteres muss bei der Abrechnung der Kosten für den Bau der Westtangente nicht ganz so leicht gewesen sein. Weit mehr als zehn Jahre dauerte es, bis am 8.12. 2005 der  Abrechnungsbescheid erstellt wurde.Dass jetzt die Unregelmäßigkeiten in Bochum ans Licht kamen, liegt übrigens nicht daran, dass der Landesrechnungshof die Auftragsvergabe und die Abrechnungen der Stadt Bochum gegenüber dem Land NRW untersucht
hat. Gegenstand der Überprüfung ist eigentlich die Bezirksregierung unter der Fragestellung, ob sie ordentlich ihre Kommunalaufsicht bei Abrechnungen durchführt.  Dies wurde  u. a. am Projekt Westtangente untersucht. Spannend wäre, was alles ans Licht käme, wenn z. B. auch andere Großprojekte wie der U-Bahn-Bau durchleuchtet würden.

Die Arroganz der SPD – nicht nur in Bochum – gegenüber Projekten wie dem Heusner-Viertel, der Friedens- und der Anti-AKW-Bewegung hat schließlich in den achtziger Jahren zur Gründung der Grünen geführt und den Niedergang der SPD eingeleitet, der schließlich von Leuten wie Schröder, Müntefehring und Clement zu Ende gebracht wurde, bzw wird. In der Gründungsphase der Grünen in Bochum mischten viele Aktive aus dem Heusner-Viertel mit. Jetzt bilden die Grünen seit zwei Legislaturperioden mit der SPD in Bochum die Ratsmehrheit. Seit 2005 stellen sie mit Manfred Busch den Kämmerer. Er ist seit den ersten Jahren bei den Bochumer Grünen dabei. Er muss nun nach den Belegen suchen, mit denen der Abriss des Heusner-Viertels und der Bau der
Westtangente finanziert wurde.

Der Artikel wurde  auf Bo Alternativ und der BSZ veröffentlicht

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Dirk Schmidt
Dirk Schmidt
15 Jahre zuvor

Es ist sehr bedauerlicher, dass die Ruhrbarone ungeprüft die Hetz-Propaganda eines Martin Budich übernehmen. Zunächst wird ein Zusammenhang zwischen DRK und Heusner-Viertel gezogen, um dann zu behaupten, er musste „seinen Hut nehmen“.

Joachim Barbonus hat „seinen Hut“ genommen, als er regulär pensioniert wurde.

Horst Hohmeier
15 Jahre zuvor

Der tiefe Hass von Dirk Schmidt auf Martin Budich, ist verständlich.
Dirk Schmidt steht auf der Gehaltsliste der CDU und dient seiner Partei als Geschäftsführer im Regionalverband Ruhr. Martin Budich wird in der WAZ gelegentlich als links-alternatives Bochumer Urgestein bezeichnet.
Er ist z. B. im Bochumer Friedensplenum, im Sozialforum, im Anti-Atom-Plenum und im Sozialen Zentrum in Bochum aktiv. Was Schmidt wahrscheinlich am meisten ärgert, dürfte die Tatsache sein, dass er für die äußerst erfolgreiche Webseite bo-alternativ.de verantwortlich ist.
Mit Veröffentlichungen auf bo-alternativ.de wurde Schmidt 2007 dabei ertappt, dass er Besitzer der domain ?Bochum-gegen-links.de? war. Die Seite war so Nazi-nahe, dass sich CDU und Junge Union von ihr distanzieren mussten. Denn: Die im Impressum angegebene Adresse für die Seite war die Geschäftsstelle von CDU und Junger Union.
Die WAZ titelte damals: >>Dirk Schmidt: „Eine unangenehme Affäre“ <>Junge Union weiter in der Kritik<< https://www.ruhrnachrichten.de/lokales/bolo/Bochum;art932,86690
Schmidt distanzierte sich schließlich selbst von seiner Seite und behauptete, dass er nicht gewusst habe, was darauf stand.
In einer weiteren Veröffentlichung auf bo-alternativ.de, die einige Antifas recherchiert hatten, wurde dann dokumentiert, wie eng Schmidt politisch verbandelt mit dem Hauptverantwortlichen der (Vom Admin gelöscht) Seite, dem damaligen JU-Schatzmeister Hendrik Schäfer, war.
https://media.de.indymedia.org/media/2007/09//194792.pdf
Schmidt prozessierte dann gegen bo-alternativ.de, weil ein Bild in dieser Dokumentation veröffentlicht war, das ihn auf einem Fest zusammen mit Schäfer zeigt.
https://www.bo-alternativ.de/2007/11/21/cdu-ratsmitglied-droht-kritikern-mit-klage/
Der Prozess endete mit einem Vergleich. Das Bild wurde von der Seite bo-alternativ.de genommen. Statt dessen wird auf Seiten verwiesen, auf denen es zu sehen ist.
comment image
Schmidt musste seine Prozesskosten und seinen Anwalt selber zahlen.

Manfred
15 Jahre zuvor

Manchmal… ja manchmal lese ich Artikel und kann mit dem Kopfschütteln gar nicht mehr aufhören.
Ich würde es aber begrüßen, wenn der Autor bzw. die Ruhrbarone-Redaktion zu den oben aufgeführten Kommentaren Stellung bezieht.
Das würde es mir, als „Unbeteiligten“ erleichtern Rückschlüsse und weitere Recherchen diesbezüglich anzustellen.

;o)

Ulrich Beul
Ulrich Beul
15 Jahre zuvor

Herr Hohmeier, wieso versuchen Sie abzulenken indem sie versuchen Dirk Schmidt abzuqualifizieren – und antworten nicht auf seinen Beitrag?
Und was hat das überhaupt mit dem Thema zu tun??

Ich bin jedenfalls der Meinung, dass gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorgegangen werden muss – und zwar völlig unabhängig vom Parteibuch der Täter!

Dass Personen, die der Vetternwirtschaft oder deren Duldung überführt wurden, kein kommunales Amt mehr innehaben dürfen, sollte auch in einer seit Jahrzehnten von derselben Partei regierten Stadt gelten.

Bernd Bauer
Bernd Bauer
15 Jahre zuvor

Der Weblog „ruhrbarone“ bietet gelegentlich ungewöhnliche Sichtweisen auf ein Thema. Der Beitrag von Martin Budich zeigte auf, welche historischen Hintergründe der aktuelle Finanzskandal in Bochum hat und dass CDU-Politiker ähnlich korrupt wie die SPD handeln, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Dirk Schmidt diffamiert den Beitrag als „Hetz-Propaganda“. Horst Hohmeier klärt dann auf, dass Dirk Schmidt ein bezahlter CDU-Funktionär ist, der von Martin Budich geoutet wurde, als er den Rechtsaußen seiner Partei eine Webseite zur Verfügung stellte. Meine Recherche ergibt, dass die Darstellung von Martin Budich wahrscheinlich alles andere als Hetzpropaganda ist. Das sicherlich nicht linksextreme Magazin „Focus“ bestätigt, was Martin Budich über den Korruptionsfall des CDU-Mannes Barbonus geschrieben hat: https://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-evas-erbbausuende_aid_176624.html
Da fragt sich der geneigte Leser, warum in der „Blogroll“ der Ruhrbarone der Weblog des im Wahlkampf befindlichen CDU-Politikers Schmidt aufgeführt wird, während der sicherlich viel interessantere Weblog bo-alternativ.de dort fehlt. Und schon kommt die Aufklärung: Ober-Ruhrbaron Stefan Laurin bricht eine Lanze für CDU-Mann Dirk Schmidt, den er schon ein paar Jahre kenne und der angeblich keine Sympathien für Rechtsextreme habe. Danke für die Aufklärung.

Dirk Schmidt
Dirk Schmidt
15 Jahre zuvor

Bauer
Der angeführte Focus-Artikel bestätigt überhaupt nichts: Ihm kann weder entnommen werden, dass die DRK-Sache mit dem Heusner-Viertel oder der Westtangente irgendwas zu tun haz, noch belegt sie irgendeinen Rücktritt. Hier werden wild Fakten unterschiedichster Art zu einem gwünschten Zerrbild zusammengezogen.

Gut, dass sie sich selber mit dem Wort „wahrscheinlich“ an geeigneter Stelle absichern.

Jens
15 Jahre zuvor

Bauer (6):
Den Ruhrbaronen und Stefan Laurin eine Abneigung gegenüber bo-alternativ.de nahezulegen halte ich für abstrus. Würde sonst Martin Budich hier einen Beitrag schreiben können? Hätte Stefan Laurin sonst im „Tortenprozess“ immer wieder darüber informiert?

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