Mit der allmählichen Etablierung von sogenannten Content-Management-Systemen ist es vielen Menschen und Unternehmen möglich geworden, das Internet mitzugestalten. In den Neunziger Jahren wurden Websites noch primär mit der Auszeichnungssprache HTML entworfen. Die anlegbaren Seiten waren jedoch nicht einfach zu erstellen, zu erweitern und zu verwalten. Umfangreiche Verzeichnisbäume waren anzulegen, sobald mehr als eine Visitenkarte im Netz erreichbar sein sollte. Noch heute ist an Selfhtml erkennbar, was für ein Aufwand zu betreiben war, um mehr als einige Kurzinformationen für Besucher bereitzuhalten.
Content-Management-Systeme erlauben durch den Einsatz der Programmiersprache PHP mit möglichen Inhalten (mit Texten, Bildern usw.) dynamischer umzugehen. Zudem bieten die Software-Anwendungen im sogenannten Backend Benutzeroberflächen, die sich weitgehend ohne technische Kenntnisse bedienen lassen. Sobald eine Firmenpräsenz einmal angelegt und gestaltet ist, technisch als auch im Hinblick auf das Design, ist es im Grunde jedem möglich, Beiträge einzufügen.
Doch was fängt man mit der gewonnenen Freiheit an? Zeitungen und Magazine haben das Netz erobert, Blogger-Szenen sind entstanden, ebenso Soziale Netzwerke. Und einige Firmen haben begonnen, diesen Trend aufzugreifen, ‚Content‘ zu veröffentlichen, der für ihre Kunden und Konkurrenten interessant sein könnte. Die Besonderheit eines Firmen-Contents ist, dass er stets im Markt-Zusammenhang steht, auf vorhandenes und mögliches Interesse gerichtet ist. Praktiziert wird, dies ist explizit herzuheben, ein Marketing! Beschränkten sich Firmenaktivitäten im Netz zunächst auf das Herzeigen der Visitenkarte, so ist seit einigen Jahren auch Kommunikation möglich geworden.
Was aber könnte dies sein: ein Content Marketing? Inken Kuhlmann hat bemängelt, dass im öffentlichen Gerede über Content Marketing häufig die Relevanz für Unternehmen unberücksichtigt bleibt. Ich gehe einen Schritt weiter: Mich ärgert auch ein Jargon, der in der Szene zum Selbstläufer geworden ist: Durch ein Content Marketing Interesse zu entfachen (Leadgenerierung) oder sich an Interessierte zu wenden (Zielgruppe), wäre durchaus zu unterstützen, doch wie dies im Marketing messbar sein soll, bleibt völlig offen … Fällig wäre, auch ein solches Gelaber zu beenden.
Alternativ könnte der Zugang viel stärker psychologisch ausgerichtet sein. Man käme zu vergleichsweise einfachen Fragen zurück. Wenn für Unternehmen unklar ist und bleibt, ob sich Content Marketing messbar auszahlt, dann muss sich eine Firma derartiges leisten können und wollen. Firmen, die Auftragsvergaben nicht finanzieren können, fallen ohnehin raus. Der Zugang auf Unternehmen müsste einen Anreiz schaffen, der besonders die psychologische Seite stärker betont, das Wollen. Nicht Jargon-Gefloskel, sondern das unternehmerische Selbstbild müsste in das Zentrum rücken. Content Marketing würde auf diesem Weg ein Bestandteil der Marke werden können, wie eine Visitenkarte, ein CI-Paket usw.
Der Unterschied zu den klassischen Ausstattungen liegt in der Dynamik, ähnlich wie im Unterschied von HTML und PHP. Firmen und Konzerne treten mit Content Marketing aktiv auf, öffnen sich weitaus stärker, setzen sich aber gleichfalls einem Risiko aus. Deshalb ist vorab zu klären, was und wie zu kommunizieren sei, um die Marke unterstützen zu können.
Im Dienst der Marke
Im Umfeld von Diskussionen, worum es im sogenannten Content Marketing gehen könnte, hatte ich hervorgehoben, dass im Zentrum eine Unterstützung der Marke stehen kann, weil letztlich nichts anderes angebbar sei. Content Marketing fügt z.B. einer Visitenkarte oder einem CI-Paket ein öffentlich wahrnehmbares Verhalten hinzu. Unter Marke wird in diesem Kontext primär eine Unternehmensmarke gefasst. Als prominentes Beispiel ließe sich Apple anführen. Möglich wäre es auch, sich auf eine Produktlinie (Nivea) oder ein besonderes Produkt (Persil) zu beziehen. Dies hängt von der jeweiligen Reichweite und dem Potential ab. In der Vergangenheit standen eher Produktlinien und Produkte im Vordergrund. Dass auch Unternehmen ins Zentrum gelangen können, der Hanser Verlag wäre als weiteres Beispiel anzuführbar, kann auch für viele Klein- und Mittelbetriebe interessant sein.
Im Gabler Wirtschaftslexikon gibt Franz-Rudolf Esch folgende Erläuterung über Marken: „Eine Marke kann als die Summe aller Vorstellungen verstanden werden, die ein Markenname (Brand Name) oder ein Markenzeichen (Brand Mark) bei Kunden hervorruft bzw. beim Kunden hervorrufen soll, um die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“ Marken sind im Marketing primär etwas Öffentliches, auch wenn die Rechte bei einem Unternehmen liegen. Eine Marke bildet sich, ähnlich wie bei einem Image, erst unter den Leuten aus. Von einer Summe zu sprechen, würde voraussetzen, dass sich eine solche bilden ließe. Ich glaube nicht, dass dies möglich wäre. Angeben ließen sich allenfalls statistische Verteilungen unterscheidbarer Ansichten. Davon zu differenzieren wäre der unternehmerische Blick auf die Marke, den Esch normativ hervorhebt („soll“). Ich würde lediglich von einem unternehmerischen Anspruch an die Marke reden. Was aus diesem wird, ergibt sich erst …
Berücksichtigt man, dass bei einer Markeneinführung zunächst nur Ansprüche erkennbar sind, dass Marken – ähnlich wie grüne Bananen -, bei potentiellen Kunden heranreifen müssen, diese aber stark durch Emotionen geprägt sind, ließe sich nicht nur von Vorstellungen sprechen, sondern geradezu von Fantasieprodukten, auch wenn konkrete Erfahrungen vorliegen. Diese Emotionalität wurde auch im Marketing entdeckt. Sie wird seit einiger Zeit in der Werbung als besonderer Topos entfaltet, um eine Marke zu unterstützen, diese psychologisch möglichst nachhaltig (‚tief‘) zu verankern.
Relevant sind der mit einer Marke gesetzte unternehmerische Anspruch, die zu vermittelnde stützende Emotionalität, gleichgültig um welche konkreten Bedürfnisse es geht; es könnte sich auch um den Anreiz für ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit handeln. Besonders wichtig ist jedoch die Fantasie potentieller Kunden, ohne die keine Marke entstehen würde. Voraussetzung ist, dass die jeweiligen Unternehmen über die Markenrechte verfügen.
Für ein Content Marketing wären besonders die unterstützenden emotionalen Anreize spannend, ebenso Reaktionen aus der Öffentlichkeit. Informationen zu selektieren und weiterzureichen oder gar zu diskutieren, ist zwar, je nach Fall, nicht unwichtig, aber sie wären in eine Strategie einzubinden, die letztlich dazu dient, emotional zu wirken. Die Schwierkeit ist, dafür ein jeweils angemessenes Vorgehen zu finden, ob sprachlich, bildlich oder durch Musik. Dazu gehört, Emotionen variabel und unaufdringlich einsetzen zu können. Dass Buchverlage anders vorgehen als z.B. ein Brausehersteller wie Coca Cola, muss nicht eigens betont werden.
… und Content?
Würde man den Erläuterungen glauben, die von Strategen aus dem Content Marketing gegeben werden, müsste es heißen ‚Content first‘ (vgl. Klaus Eck / Doris Eichmeier, 2014, Die Content-Revolution in Unternehmen, S.105). Diese praktische Anweisung geht jedoch an der Wirklichkeit vorbei, weil relevanter Content vom jeweiligen Unternehmen, der zu bedienenden Marke und dem Potential der Mitarbeiter abhängt. Aus sachlicher Perspektive ist nicht Content, sondern die Marke zentral, soll das Marketing überhaupt zu etwas führen. Nur im Rahmen der Marke lässt sich einbeziehen, was Externe interessieren könnte, oder was unternehmensintern an Content (re-)produzierbar ist. Eine öffentliche und durchaus messbare Resonanz auf Content, der mit der Marke nichts zu tun hat, ginge schlicht am Unternehmen vorbei, diente eventuell einem Unterhaltungs- oder Äußerungsbedürfnis, zumal eine messbare Resonanz nicht einmal im Rahmen der Marke ein Indiz für einen Vertriebserfolg wäre.
Content, dies macht den Umgang nicht gerade leicht, ist ein Sammelbegriff, der sich im vorliegenden Zusammenhang auf Texte, Bilder usw. bezieht. Ein Buchverlag, der programmatisch auf analytisch pragmatische Haltungen setzt (Autorenverlag Matern), wird anderen Content präferieren, als z.B. ein Verlag, der zumindest in der Vergangenheit einen Vergleich mit einer gutbürgerlichen Küche nicht scheute (Hanser Verlag). Und ein Brausehersteller müsste wiederum anderes bevorzugen, um seine Marke unterstützen zu können. Doch es sind nicht Informationen, die letztlich darüber entscheiden, was einer Markenbildung dient, sondern die Art und Weise, wie sie aufbereitet werden. Dies ist anhand der unterscheidbaren Profile erläuterbar: Im Rahmen einer analytisch pragmatische Haltung muss man sich um etwaige Fragen nach Gemütlichkeit kaum Sorgen machen, im Gegensatz zur Orientierung an einer gutbürgerlichen Haltung. Diskussionsfreude, sogar Aggressivität sind mit der Marke durchaus vereinbar. Und die Brause soll vor allem Spaß machen, auch entgehen möglicher Nebenwirkungen.
Schwierig könnte es werden, wenn die Beauftragten für ein Content Marketing (a) über Marketing kaum etwas wissen, (b) der jeweiligen Sache fremd gegenüberstehen. Wie sollten Beauftragte im Dienst der Marke mit Externen kommunizieren können? Die unternehmensinternen Ansprüche an ein Content Marketing müssten derart hoch ausgeprägt sein, dass sich dafür kaum geeignete Leute finden und bezahlen lassen. Das beklagenswerte Resultat ist bereits vielerorts zu beobachten.
Knackpunkt meiner Beobachtung nach sehr gut erkannt. Die Frage beim Content-Marketing ist: Kann ich ausreichend Inhalt anbieten, der eine Gruppe Interessierter immer wieder zu meiner Marke und der Webseite zurück führt – und sie so zum Dreh- und Angelpunkt innerhalb einer Intressengemeinschaft macht – oder habe ich weder Zeit noch Nachrichten in dieser Menge. Gerade kleine und mittelständische Betriebe sind gut beraten sich zu überlegen, ob Zeit und Geld nicht besser in PR angelegt sind, als in einem Web-Forum, das nur zwei mal im Jahr einen Artikel bringt, der über die bloße Erwähnung der Marke hinaus auch einen erweiterten Informations- oder Unterhaltungswert für die Leser hat.
@ #1 Auch PR ist sehr schwierig geworden, weil die Medien immer stärker auf Reichweite und Popularität achten. Ich habe mich deshalb dazu entschieden, bei Blogprojekten mitzuwirken (xtranews, freitag, ruhrbarone). Dies ist, wenn man wie ich im sogenannten Bereich ‚Kultur‘ tätig ist, eigentlich kein Problem.
Der „Content“, um den es in diesem Artikel anscheinend geht, besteht ebenso fast ausschließlich aus Marketing-Geschwurbel, wenn Texte/Bilder aus bestehenden Broschüren und Flyern einfach online gestellt werden – was in geschätzten 80% der Unternehmens-Präsenzen der Fall sein dürfte. Der Begriff, der hier hinterfragt werden soll, lautet demnach besser „webkopiertes Marketing-Marketing“.
@#3 Nein, Content-Marketing wären z.B. die Schulungs-Videos von Adobe – wobei ich grad nicht weiß, ob man da schon Mitglied sein muß, um dran zu kommen. Das „webkopierte Marketing-Marketing“ ist das, was draus wird, wenn man’s nicht kann oder wenn man gar nicht am Content-Marketing teil nimmt…
@ #3 Produktpräsentationen sind etwas anders … zum Content Markting könnte zum Beispiel der Essay gehören, wenn er zur Marke passt.
Soll das Bild jetzt heimliche Islamkritik sein?
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Saporoger_Kosaken_schreiben_dem_t%C3%BCrkischen_Sultan_einen_Brief
@ # 6 *lach* nein, keine „heimliche Islamkritik“. Ich habe das Bild aber im Kontext vom Buzzword ‚Content Marketing‘ genossen 😉