Rainer Brüderle: Endlich sagt mal einer die Wahrheit

Rainer Brüderle (FDP) - Bild: Mathias Schindler at de.wikipedia

Au Backe! Das gibt wieder Ärger. Richtig Ärger. Allein schon, was das für eine Presse geben wird! Ach, was heißt „wird“? Im Internet und im Radio geht es doch jetzt schon los. Aber klar: am wichtigsten sind die Abendnachrichten im Fernsehen und die großen Zeitungen morgen früh. Hoffentlich reißt sich die Bildzeitung ein wenig zusammen.

Das ist aber auch gemein. Zehn Tage ist das jetzt nämlich schon her. Montag vor acht Tagen, also am 14. März, traf sich der Wirtschaftsminister – Marke Aufschwung XXL – Brüderle mit den Spitzen der deutschen Wirtschaft, und jetzt – also drei Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, kommt die Süddeutsche Zeitung mit dem Protokoll heraus. Die Einleitung sagt schon alles:

Deutsche Kernkraftwerke gehen aus taktischen Gründen vom Netz: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat nach SZ-Informationen vor der Spitze der deutschen Industrie gesagt, dass die anstehenden Landtagswahlen der Grund für den plötzlichen Sinneswandel der Regierung in der Atompolitik sind. Entscheidungen seien da „nicht immer ganz rational“.

Also: letzten Montag vor acht Tagen, als Angela Merkel ihr Atom-Moratorium verkündet hatte, konferierte Rainer Brüderle mit dem Präsidium und dem Vorstand des BDI. Als dann die Meldung vom Moratorium plötzlich und unerwartet in die gesellige Runde platzte, wollte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel – wen wundert´s? – natürlich wissen, erstens, ob da etwas dran ist, und zweitens, wenn ja, was das denn jetzt wieder solle.

Wie gut, dass man ein Protokoll angefertigt hatte. Darin steht – zu erstens: „Der Minister bestätigte dies und wies“ – zu zweitens – „erläuternd darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien.“ Außerdem sei er, der Herr Minister, ohnehin für die Kernenergie. „Es könne daher keinen Weg geben, der sie in ihrer Existenz gefährde„. So das Protokoll über Rainer Brüderles Darlegungen.

Und was macht die Süddeutsche Zeitung daraus?! Allein schon die Überschrift: „Atompolitik und Landtagswahlen – Brüderle: AKW-Moratorium ist nur Wahlkampf-Taktik“. Das ist doch … – okay, in der Sache richtig. Trotzdem: es ist schon zehn Tage her. Aha! Und das Gemeine daran: offenbar soll schon jetzt ein Schuldiger für den Fall gefunden werden, dass es in Brüderles Rheinland-Pfalz oder, wichtiger noch: in der Jahrhundertwahl von Baden-Württemberg für Schwarz-Gelb daneben gehen sollte.

Dabei könnte es kaum etwas Absurderes geben als die Behauptung, Brüderle, der pfälzische Weinkönig von Gottes Gnaden, schwäche die FDP. Im Gegenteil: Brüderle ist der Supertyp, der der angeschlagenen liberalen Partei in diesen schweren Zeiten überhaupt noch zu Profil verhilft. Es kann nicht darum gehen, Herrn Brüderle Hinterlist zu unterstellen. Denn jede Hinterlist ist eben auch eine List, die wiederum gedankliche Gebäude voraussetzt, die … – lassen wir das!

Entscheidend ist, dass Brüderle klar Position bezogen hat. Für Atomkraft. Und nicht so halbgar daher gekommen ist wie FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger gestern Abend bei „hart aber fair“. Klare Kante statt endloses Herumgeeier, so kennen wir ihn, unseren Rainer Brüderle. Sehen Sie sich doch die Meinungsumfragen an: 75 oder 85 Prozent der Deutschen sind gegen Atomkraft (im Moment). Das bedeutet, 15 bis 25 Prozent sind selbst jetzt dafür. Ja, wen sollen die denn noch wählen?! Und dass die wählen gehen, da können Sie mal von ausgehen …

Zugegeben: das, was die FDP durch Brüderles Coup wider Willen hinzugewinnen wird, dürfte – wegen der Glaubwürdigkeit und so – der CDU verloren gehen. Fernseh-Parteienforscher bemühen an dieser Stelle stets und völlig unbeirrt das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Das ist zwar völlig daneben, weil in kommunizierenden Röhren das Wasser gleich hoch steht, und nicht etwa in der einen Röhre steigt, wenn es in einer anderen fällt.

Und so wie bei diesen Parteienforschern ist es auch beim Brüderle: in bester Absicht, das zu erzählen, was sich ohnehin alle denken, wird ein Humbug gelabert, dass sich die Balken biegen. Das macht aber nicht allzu viel. Wenn es ganz dicke kommt, gibt es beim nächsten Mal für einmal eine Zwangspause. Dann redet ein anderer den gleichen Blödsinn, und beim übernächsten Mal ist man wieder dabei. Was glauben Sie denn, wie oft dies der Brüderle schon durchgemacht hat?! Na und. Endlich einmal Zeit für ein Gläschen Wein …

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lebowski
13 Jahre zuvor

Wenn ein Politiker oder sonst ein Wirtschaftsfredel mal die Wahrheit sagt, ist das natürlich ein großer Schock.
Natürlich weiß man innerlich, dass man von Politikern angelogen und verarscht wird, aber wenn es dann auch mal jemand offen zugibt, ist man schockiert.
So genau wollte man es dann doch nicht wissen. Man will ein wenig mosern, aber die kleine heile Welt soll schon erhalten bleiben.

Genauso war es mit Koppers „Peanuts“.

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

„Wer so tut, als bringe er die Menschen zum nachdenken, den lieben sie. Wer sie wirklich zum nachdenken bringt, den hassen sie.“

Aldous Huxley

Bert
Bert
13 Jahre zuvor

Projekt 5-x % ? 🙂 Weiter so !!!

WILFRIED SALUS BIENEK
13 Jahre zuvor

Herrn Brüderle gebührt der Chefsessel im Wahrheitsministerium. Dort schreibt man unter der Leitung von Big Brother im Nachhinein einfach um, was die aktuelle Lage als richtig erfordert. Alternativlos, versteht sich. Das ist ja nicht erst ab 1984 so. Es war schon immer alles so richtig wie es verkehrt ist.

Helmut Junge
Helmut Junge
13 Jahre zuvor

Lustig, selbst beim BDI gibts wohl Leute, die den nicht mögen, obwohl er sich für deren echte oder vermuteten Interessen abmüht. Der ihm zugeschriebene Satz hat ja auch so was von erklärend anbiederndes an sich, daß selbst denen das zu viel war.
Man sieht dabei übrigens auch, daß jeder, überall Feinde haben kann.
Deshalb, vor dem Sprechen immer erst nachdenken.
Langsamer Brüterle, nicht so schnell.
Aus einem Pups entsteht nämlich manchmal ein Gau.

sepp eaglebauer
sepp eaglebauer
13 Jahre zuvor

aus rainer brüderle jetzt einen wahrheitsliebenden rock´n´roller zu machen ist schon ein starkes stück. die frage ist doch wo und wem er diese wahrheit erzählt hat? Und zwar: denjenigen, für die solche wahrheiten scheinbar bestimmt sind. dem volk sind solche wahrheiten dann aber nicht zuzumuten, da streitet man besser ab. er meint´s halt gut mit uns, oder wie muß ich das verstehen? ersteres ist schon hinterfotzig, zweiteres, sollte das protokoll wirklich stimmen, aber das hinterletzte.
nebenbei bemerkt: ich amüsiere mich prächtig bei dem ganzen theater. auch wenn einem das lachen manchmal im halse stecken bleiben mag.

@lebowski

nein, ich bin nicht geschockt. ja, so genau wollte ich es wissen!

trackback

[…] Rainer Brüderle: Endlich sagt mal einer die Wahrheit … ruhrbarone […]

Arnold Voß
Arnold Voß
13 Jahre zuvor

Brüderle denkt wirklich so wie er spricht. Das ist ihm jetzt zum Verhängnis geworden. Da helfen auch alle seine Dementis nicht. Lange ist er allerdings sowieso nicht mehr auf seinem Posten.

Bundesvogel
13 Jahre zuvor

Ich bin sehr dafür, uns Rainer permanent auf 2 Promille zu halten. Das bringt wieder etwas Entertainment zurück in die Politik. Prost!

Ex-Linker
Ex-Linker
13 Jahre zuvor

In vino veritas: Das kommt dabei heraus, wenn der wandelnde rheinland-pfälzische Weinstock nach dem Rebensaft-Genuß daher nuschelt. Der Weingeist lockert beim Brüderle nicht nur die Zunge; nein er stimmt ihn auch ehrlich.

trackback

[…] wie man so sagt. Brüderle, der kurz vor den wichtigen Wahlen im Südwesten für eine Blamage ohnegleichen gesorgt hatte, dem Freund und Feind unisono bescheinigen, von Wirtschaftspolitik etwa so viel […]

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