Reker-Attentäter: Ein Nazi-Schläfer?

Die "Antifaschistische NRW Zeitung" berichtete 1994 über die Teilnahme von Frank S. an einem Nazi-Aufmarsch.
Die „Antifaschistische NRW Zeitung“ berichtete 1994 über die Teilnahme von Frank S. an einem Nazi-Aufmarsch.

Am Samstagmorgen wurde die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker bei einem Attentat schwer verletzt. Der 44-jährige Frank S. griff die Politikerin mit Messern an und verletzte sie im Halsbereich. Schnell wurde bekannt, dass der Täter aus „fremdenfeindlichen Motiven“ handelte. Er machte Reker für die Flüchtlingspolitik der Stadt Köln verantwortlich. Frank S. ist kein „verwirrter Einzeltäter“, er bewegte sich in den 1990er Jahren in der neonazistischen Szene.

Bevor Frank S. nach Köln zog lebte er in St. Augustin bei Bonn. Mitte der 1990er Jahre gab es in Bonn eine sehr aktive Neonaziszene rund um die Protagonisten Norbert Weidner und Ralf Tegethoff. Beide führten die 1995 verbotene „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) im Rheinland an. Nazi-Gegner und Migranten wurden von Mitgliedern der FAP in Bonn und dem Umland immer wieder attackiert. Auch Frank S. soll an Körperverletzungen beteiligt gewesen sein. Darüber hinaus beteiligte er sich an neonazistischen Demonstrationen, zum Beispiel 1994 als 180 Neonazis versuchten, in Erinnerung an Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess in Luxemburg aufzumarschieren. Nach dem gescheiterten Aufmarsch wurden die Rechten in Gewahrsam genommen und aus Luxemburg abgeschoben.

Im Verlauf der 1990er Jahre soll Frank S. mehrere Bewährungsstrafen unter anderem wegen Raub und Körperverletzung gesammelt haben. Im Winter 1997 soll er sogar inhaftiert worden sein.

Frank S. war Anhänger einer verbotenen Nazi-Partei, er nahm an konspirativ organisierten Veranstaltungen teil und soll extrem gewalttätig gewesen sein. Dass er das Attentat auf Henriette Reker aus rassistischen Motiven begangen hat, steht außer Frage. Fraglich ist nun, ob Frank S. noch immer über Verbindungen in die Nazi-Szene verfügte.

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Nina
Nina
9 Jahre zuvor

Eine interessante Einschätzung der Kriminalpsychologin Lydia Benecke dazu:
https://www.facebook.com/LydiaBenecke.official/posts/1099958316683436

Rainer Möller
Rainer Möller
9 Jahre zuvor

Frau Beneckes Grundidee: Wenn der Täter schizophren war (dafür spricht einiges), kann man die Tat nicht seinen politischen Gleichgesinnten zurechnen.
Die Idee ist mir natürlich sympathisch. Allerdings fürchte ich, dass diese simple Trennung von "psychischer Krankheit" einerseits und Politik andererseits nicht funktioniert.

Die Psychiater scheinen Krankheit als dasjenige zu definieren, was sie therapieren können (sie sind überzeugt, dass Schizophrenie krankhaft ist, weil sich schizophrenes Verhalten medikamentös gut beseitigen lässt). Aber der Bereich des klinisch-therapeutisch Steuerbaren ist nicht festgelegt, sondern dehnt sich immer weiter aus.
Eine neue in den USA diskutierte Studie zeigt, dass man Ängste, Befürchtungen, Besorgnisse wegtherapieren kann, indem man bestimmte Gehirnzonen magnetisch stillstellt. Es wäre aber gefährlich, daraus zu folgern, dass alle menschlichen Ängste, Befürchtungen und Besorgnisse krankhaft sind.

Nina
Nina
9 Jahre zuvor

Lydia Benecke hat ihre EInschätzung inzwischen aktualisiert (gefunden auf ihrer FB-Seite):

"***Nachtrag zum Attentat in Köln***

Monika Kreusel updatete mich bezüglich der Aussage der Polizei, Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Täters hätten sich nicht erhärtet. An dieser Stelle danke ich sehr für das Update. Habe den vorhin geposteten Text zum Thema im Auto auf dem Rückweg vom "Astan Asia Day" getippt und hatte nicht die neuesten Meldungen.

Ehrlich gesagt finde ich einen nicht psychisch kranken, sondern tatsächlich ausschlaggebend politisch motivierten Täter, noch wesentlich besorgniserregender. Dabei fallen mir Täter wie Jigal Amir und Nathuram Godse ein. Beide radikale Nationalisten, die gewaltsam ihre politischen Überzeugungen durchsetzen wollten. Leider gibt es das immer wieder und dabei ist es auch egal, ob der verblendete Täter politisch oder religiös oder motiviert durch beide Bereiche seine Tat begeht.

Wenn es auch in diesem Fall so sein sollte, ist dies ein umso erschütternderes Zeichen der emotionalen und dadurch auch politischen Zuspitzung der Lage im Land…"

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[…] Reker-Attentäter: Ein Nazi-Schläfer?: Am Samstagmorgen wurde die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker bei einem Attentat schwer verletzt. Der 44-jährige Frank S. griff die Politikerin mit Messern an und verletzte sie im Halsbereich. Schnell wurde bekannt, dass der Täter aus „fremdenfeindlichen Motiven“ handelte. – https://www.ruhrbarone.de/reker-attentaeter-ein-nazi-schlaefer/115602 […]

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[…] Ruhrbarone: Reker-Attentäter: Ein Nazi-Schläfer? (via […]

rudi
rudi
9 Jahre zuvor

Sind die Täter nicht immer krank? Oder kommen aus schlechten verhältnissen? Oder oder oder? Ist das nicht die leichteste Form jmd. die Verantwortung zu nehmen und es auf etwas anderes zu schieben?
Der typ war ein deutscher der das umgesetzt hat was die leute in dresden mit nem galgen gefordert haben, auf andere art und weise, aber schlussendlich hat er die konsequentz daraus gezogen. neu ist das es nun auch ne deutsche erwischt hat und kein flüchtlingsheim (sorry für den zynismus). damit kann diese gesellschaft natürlich nur schwer umgehen, die das selbst zu verantworten hat, logisch das man dann schnell dazu neigt täter ihr handeln und ihre politische motivation dahinter abzusprechen und sie als "krank" darzustellen…

Sebastian Klein
9 Jahre zuvor

"Der typ war ein deutscher der das umgesetzt hat was die leute in dresden mit nem galgen gefordert haben, auf andere art und weise, aber schlussendlich hat er die konsequentz daraus gezogen."

Absolute Zustimmung. Das ist genau das, was passiert, wenn man Radikalen ein Jahr lang einbläut, das "Volk" stünde hinter einem. Und ich prognostiziere, dass es weiter gehen wird. Bei gewissen Teilen des selbsternannten Volkes wird man sich grad ins Fäustchen lachen, während man nach außen hin natürlich Betroffenheit heuchelt. Andere werden sich davon angespornt fühlen.

Und deshalb habe ich dieses ewige Differenzieren bei Pegida & Co auch satt. Damit relativiert man diese Leute nur. Wer mit Nazis marschiert, sich Nazi-Rethorik zu Eigen macht und Nazi-Forderungen stellt ist Nazi. Und nichts anderes.

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[…] schnell die Nachricht, Täter Frank S. sei 1994 als Mitglied der später verbotenen rechtsextremen Partei FAP aufgefallen. Und mit Verlaub: Wenig könnte mir mehr am Arsch vorbeigehen, als was irgendein Nazi vor 21 Jahren […]

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[…] OB-Wahl in Köln: Henriette Reker siegt (SPIEGEL ONLINE) – Die parteilose Henriette Reker gewinnt die Oberbürgermeisterwahl in Köln. Derweil fragen sich die Ruhrbarone, ob der Attentäter vom Vortag, der Reker mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hatte, …… […]

Andreas Kemper
9 Jahre zuvor

Thorsten Heise war ja damals ebenfalls FAP-Kader. Der AfD-Funktionär Björn Höcke hat Kontakte mit Heise zugegeben und ich gehe davon aus, dass Höcke unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" 2011 und 2012, also unmittelbar vor seiner AfD-Karriere, NS-verherrlichende Artikel für zwei Magazine von Thorsen Heise geschrieben hat.
Ich habe keine Ahnung, wie weit Höckes rechte Undercover-Vergangenheit zurückreicht. Nach seiner Bundeswehrzeit studierte er Anfang der 1990er Jahre (1992/1993) in Bonn Jura. Sollte er zu diesem Zeitpunkt bereits völkisch orientiert gewesen sein, ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass er Kontakte zu Frank S. hatte.

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5 Jahre zuvor

[…] keine Talkshow mehr, es war ein Fanal: Am Vortag hatte einer der vielen von der Polizei gesuchten rechten Schläfer ein Attentat auf die Demokratie verübt, und dennoch bekommt einer von der AfD, der in seinen Reden […]

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