Foto: Marcus Meier
Silvana Koch-Mehrin, die Spitzenkandidatin der FDP im Europawahlkampf, schaffte es knapp auf den Posten einer Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, als heute die 14 Stellvertreter des frisch gekürten Parlamentspräsidenten Jerzy Buzek gewählt wurden. Es gab 15 Bewerber. Silvana Koch-Mehrin bekam erst im dritten Durchgang ein paar Stimmen mehr als ein Rechtsausleger aus Polen und konnte so ihrem Debakel entgehen.
Im zweiten Durchgang hatte die FDP-Politikerin noch das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller Bewerber erzielt. Auf die 38-Jährige entfielen 141 der 649 gültigen Stimmen. Im ersten Durchgang hatte sie 149 Stimmen auf sich vereinigt. Im dritten und letzten Wahlgang erhielt Koch-Mehrin 186 Stimmen und konnte so den letzten Vizepräsidenten-Posten ergattern. Der rechtslastige polnische Kandidat Michal Tomasz Kaminski schied mit 174 Stimmen aus.
Die Grünen hatten sich am Ende für Koch-Mehrin entschieden und sagten, sie sei im Vergleich zum polnischen Kandidaten „das geringere Übel“. Kaminski war in der vergangenen Legislaturperiode durch rassistische und schwulenfeindliche Äußerungen aufgefallen. Die frühere SPD-Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, musste ihre politische Karriere nach drei verlorenen Wahlgängen beenden. Diese Gefahr droht nun der "Milli Vanilli der Europapolitik" (Koch-Mehrin) nicht.
Silvana Koch-Mehrin hat es sich im Wahlkampf in den Augen der meisten anderen Parlamentarier unmöglich gemacht. Sie habe sich nicht an der Kernarbeit in den Ausschüsses beteiligt, sei stattdessen in den Landen rumgejuckelt und habe Unsinn erzählt – so die Kritik der konservativen Abgeordneten, auch hier im Blog. Koch-Mehrin vertrete keine eigene Politik, sondern stelle nur die Politik anderer dar. Sie sei damit nicht besser als die Popgruppe Milli Vanilli, die zu den Songs von Frank Farian die Sänger gemimt hätten.
Zur Erinnerung: Koch-Mehrin hatte in einer eidesstattlichen Versicherung behauptet, sie habe 75-Prozent der Plenarsitzungen des Parlamentes besucht. Das hohe Haus selbst gab offiziell 62 Prozent Anwesenheit an. Auf diese Diskrepanz angesprochen, schickte Koch-Mehrin Anwälte los, um eine Diskussion um die Sache zu unterdrücken. Das lief nicht. Die Fehlzeiten wurden kurz vor der Wahl zum Thema, wenn auch ohne erkennbares Ergebnis auf das Wahlergebnis. Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg läuft noch kein Ermittlungsverfahren wegen der möglicherweise falschen Eidesstattlichen Versicherung.
Mein Güte…merken denn manche Politiker/innen tatsächlich nicht, wie peinlich sie auftreten, wenn sie nicht merken (möchten), dass sie für manche Ämter nicht gewollt sind???
Ich frage mich immer, ob es Dummheit, Machtgier oder einfache Ignoranz und Überheblichkeit der Person ist? Um jeden Preis stellvertretende Präsidentin des Europa-Parlaments zu werden, das ist nun der Eindruck, den mir Koch-Mehrin vermittelt! Hoffentlich scheitert sie, wie alle anderen Politiker auch, die mit dem Ego-Kopf durch die Wand wollen und kein Gespür für Stimmungen haben! Auf solche Politiker kann ich in diesem Land und in Europa gut verzichten! 😛
Der Vergleich zwischen Koch-Mehrin und Milli Vanilli ist nur in bezug auf die Pseudo-Auftritte angebracht.
Milli von Milli Vanilli sieht schließlich viel besser aus als Koch-Mehrin.
Im dritten Wahlgang hat’s dann geklappt, weil sie für die Grünen das kleinere Übel war.
(BTW: Bei Simonis waren es vier Wahlgänge, nicht drei; Carstensen ist dann im fünften gewählt worden.)
Hoffentlich ist es ihr (SKM) wenigstens unangenehm ?das geringere Übel? zu sein …
15 (!) Stellvertreter. Wozu das denn??
Infam fand ich Milli Vanillis Rechtfertigungsversuch im heute journal: Ihre Wahl sei „Ausdruck des Respekts vor dem Votum der Wähler der FDP“.
So oder so: Der Lack ist ab, Frau Koch-Mehrin. Für mich übrigens seit März, als sie Jörg Tadeusz sie in einem Interview als völlig unpolitisch geoutet hat.
Das Phänomenale an Koch-Mehrin ist, wie weit man ohne politsches Verständnis und ohne politische Haltung als Berufspolitikerin heute kommen kann. Sie ist nicht die Einzige, und sie gibt es nicht nur in der FDP. Aber kaum jemand hat sich so getraut wie sie, eigene Defizite zum Programm zu erheben.
Die FDP, deren Programm unter Guido Westerwelle ebenfalls im wesentlichen auf Reduktion reduziert wurde, eignet sich für solche Karrieren besonders.
Die FTD schreib noch dazu:“….Möglicherweise wurde die FDP-Politikerin von deutschen Sozialisten und Konservativen abgestraft: Ihnen hatte Koch-Mehrin vorgeworfen, sie verhielten sich bei den Straßburger Parlamentswochen „wie im Landschulheim – nach dem Motto: Hier kennt mich keiner, hier kann ich machen, was ich will“. Damit verband die FDP-Frau den Vorwurf, einige Kollegen nutzten die Elsass-Ausflüge zu Eskapaden mit Prostituierten….. “
Alles im Allen, typische Politiker, die einen Vergnügen sich im Landschulheim, die anderen sind noch nicht aus dem Kindergarten entlassen worden 🙁
Wenn Jürgen Mümmelmann das Rumgezicke von Milli Vanilli erlebt hätte – würde er glatt seinen finalen Sprung wiederholen. (Wobei mir das eine gar nicht mal so schlechte Vorstellung wäre…)
😉
Mal abgesehen davon, daß ich gemäß: „de mortuis nil nisi bene“ die Formulierung „Mümmelmann“ ziemlich daneben finde, hätte er den Fallschirm allerhöchstens (politisch) weitergereicht und gesagt: Hier Simone, spring Du mal…
Ach, wissen Sie, guter Herr Kolb,
ich kenne niemanden in der von Ihnen hier unterstützten ehemaligen Drei-Pünktchen-Partei, der heutzutage über besagten Herrn Mümmelmann (diesen Name prägte übrigens dereinst FJS, der dieser Partei näher stand als ich) noch wohlwollend spricht.
Nolens volens ist der ehemals große Außenpolitiker für die hoffentlich bevorstehende Insolvenz dieser Splitterpartei für Wohlhabende verantwortlich. Denn die Strafzahlung in Höhe von 4,3 Millionen Euro ist sicherlich nicht aus der Portokasse bezahlbar. Schon jetzt werden die Parteibuch-Liberalen zum Kauf von Notopfermarken genötigt.
Schade, dass Sie hier das Thema verfehlten ? es geht hier in den Kommentaren eigentlich um Silvana, der zufälligen neuen 14ten Vize-Präsidenten im Europaparlament. Wir sollten sie deshalb nur noch als das ?Kleinere Übel? betitulieren.
Zu Mummelmann: Das ist doch ein Klassiker von Strauß. „Riesenstaatsmann Mümmelmann“ gehort zum deutschen Zitatschatz. 🙂
Zitat: „Die Grünen hatten sich am Ende für Koch-Mehrin entschieden und sagten, …“
Die grüne und die gelbe FDP finden und helfen einander. Ist das nicht großartig? Eine liberale und ökologische Zukunft kündigt sich an …
Aber Frau Silvana als das „Kleinere Übel“, das gefällt mir und das meine ich jetzt ernst.
„…es geht hier in den Kommentaren eigentlich um Silvana, der zufälligen neuen 14ten Vize-Präsidenten im Europaparlament. Wir sollten sie deshalb nur noch als das ?Kleinere Übel? betitulieren.“ Gute Idee, blindschleiche.
Sorry, aber ich empfinde das vertraute Geduze hier als extrem deplatziert bis peinlich. So kommt man Publicity jedenfalls nicht mit Publicity bei, aber man rückt mit sich zu nah an das Sujet bzw. zeigt sich selbst vielleicht als von irgendeinem Pop-Appeal gebannt. Unangenehm. Bitte in sich gehen.
Inmichgehend stimme ich IHNEN, Sehr geehrter Herr Jens Kobler, dabei mal so richtig zu und biete IHNEN hiermit formell das SIE an…
🙂
Herr Kobler, wollen wir uns nicht siezen?
Schade, dass sowohl Frau Silvana, als auch Frau Kraft, dass Image von Frauen in der Politik nicht gerade verbessern. Vielleicht sollten die weiblichen Akteurinnen ein wenig mehr an ihre Mitmenschinnen denken.
Sehr geehrte Blindschleiche,
Ihr Hinweis ist angekommen und von mir angenommen, ich war gestern in Phrasenstimmung, keine Ahnung warum. Ebensowenig habe ich die geringste Ahnung, wie Sie auf die Idee kommen, ich hätte mit meinem Kommentar die ehemalige Partei der drei Punkte unterstützt…
@all:
Das ich vergessen habe mich zu erinnern, daß es sich beim „Mümmelmann“ um einen originalen Strauss handelt, ist natürlich unverzeihlich. Damals war wirklich alles besser, sogar die Verballhornungen…
Sehr geehrter, lieber Michael Kolb!
Vielleicht wäre dieser kurze Gedankenaustausch ein Grund, gelegentlich ein gemeinsames ruhriges Bier zu trinken (natürlich jeder für sich 🙂 ) und dabei über Altes und Neues in der Politik zu philosophieren.
Leider ist es selten geworden, dass sich Menschen so ehrlich erklären. Sie gehören dazu.