Und waz kommt als Nächstes?

Morgen kommen die WAZ-Betriebsräte in der Essener Lichtburg zusammen. Dabei werden dann auch die Pläne zur Zusammenlegung der Mantelteile diskutiert. Wird es bald einen gedruckten „Westen“ geben?

Über all das hat Jens vom Pottblog einen umfassenden Artikel geschrieben, den man lesen sollte, um auf den aktuellen Informationsstand zu kommen. Ich möchte in diesem Eintrag einfach mal ein wenig spekulieren, ein paar der Dinge in den letzten Wochen herausgekommen sind mit der Vergangenheit der WAZ in Verbindung setzen und dabei auch einen Blick auf das Internetportal Der Westen werfen – und zwar vor allem auf den Namen und die möglichen Konsequenzen dieses Konzepts auf die Printobjekte der WAZ-Mediengruppe im Ruhrgebiet.

Das heutige Nebeneinander von WAZ, NRZ und Westfälischer Rundschau ist vor allem dem Druck des Kartellamtes bei der Übernahme von NRZ und WR (auch WP, aber die ist bei den aktuellen Plänen außen vor) geschuldet: Alle drei Titel sollten redaktionell unabhängig geführt werden und nur wirtschaftlich kooperieren. So gab es (und wurde über 30 Jahre) trotz einer Beinahe-Monopolstellung eines Verlages für die Leser die Auswahl zwischen verschiedenen redaktionellen Konzepten. Hätte die WAZ WR und NRZ nicht übernommen, das darf nicht vergessen werden, würde es diese Titel wohl schon lange nicht mehr geben. Dieses Konzept war erfolgreich, solange die Regionalzeitungen am Markt erfolgreich waren.

Diese Zeit ist aber vorbei: Bundesweit schrumpfen die Auflagen von Regionalzeitungen. Die Gründe dafür sind vielfältig und nur zu einem geringen Teil von den Verlegern zu verantworten:
–    Demographischer Wandel: Treue Leser sterben in größerer Zahl als neue auch nur theoretisch hinzukommen könnten.
–    Geänderte Mediennutzung: Junge Menschen lesen weniger Papiermedien.
–    Pluralisierung der Lebenswelten: Parteien, Verbände und Vereine sind in der Dauerkrise – sie waren aber die wichtigsten Objekte lokaler Berichterstattung. Die Pluralisierung der Lebensverhältnisse führte zur Bildung von zahlreichen Kleinstmilieus, die kaum noch in einer Zeitung abzubilden sind. Es kommt zur Entfremdung zwischen Zeitung und Leser.
–    Geld: Fernsehen und Internet sind (scheinbar) kostenlos. Das man für Informationen Geld zahlen muss, erscheint immer weniger Menschen nachvollziehbar.
Als jemand der mit Printmedien aufgewachsen ist, bei Printmedien arbeitet und sehr gerne liest ist das eine Entwicklung, die ich bedauere – aber das ändert nichts daran, dass es sie gibt.

Fest steht: Mit der strukturellen Krise der Regionalzeitungen steht auch das WAZ-Modell auf dem Prüfstand. Die Auflösung der verschiedenen Mantelredaktionen soll Kosten sparen – gut wäre es, wenn zumindest ein Teil der eingesparten Kosten in die Lokalredaktionen fließen würde, denn sie sind die eigentliche Stärke der WAZ-Titel.

Durch die Zusammenlegung der Mantelredaktionen wird es unweigerlich dazu kommen, dass sich die Titel noch stärker als bislang durch ihre Lokalteile definieren. Der Mantelteil wird generell weniger wichtig – und damit auch der Name dieses Mantelteils. Die WAZ hat das in den 50er und 60er Jahren alles schon einmal erlebt. Damals wurden Lokalzeitungen wie die Herner Zeitung gekauft, die Lokalredaktionen blieben erhalten, oft auch der Name innerhalb des Lokalteils, nur der Mantel wurde ausgetauscht. Die Leser hat das kaum gestört. Warum soll die WAZ das in den kommenden Jahren nicht noch einmal tun und damit die Integration von WR, WAZ und NRZ abschließen? Einen Namen für eine solche „Super-WAZ“ hat der Verlag schon und er hat es teilweise auch schon auf die Titel der Zeitungen geschafft: Der Westen. Ich habe mich immer gefragt, warum die WAZ-Mediengruppe bei dem Aufbau ihres neuen Internetangebots einen neuen Namen gewählt hat. Technisch wäre es kein Problem gewesen, die Leser mit Portalseiten „ihrer“ Zeitung zu empfangen und dann auf das gemeinsame Angebot weiter zu leiten.

Die Namen der WAZ-Gruppe stellen ungeheure Werte das: Mit WAZ, NRZ und WR sind Millionen Menschen im Ruhrgebiet groß geworden. Für viele war es ihre erste Tageszeitung. Mit diesen Zeitungen verbinden viele zum Teil ihre eigene Geschichte: Als Kind die Peanuts gelesen, beim Abi stand der eigene Name drin, im lokalen Sportteil konnte man über ehemalige Schulfreunde lesen und irgendwann tauchten bekannte Namen in den Todesanzeigen auf. Man vertraut diesen Zeitungen – diese großen Namen ohne technische Not durch „Der Westen“ zu ersetzen macht meiner Meinung – und mehr als meine Meinung ist es nicht, ich habe keinen Beleg dafür –  nur Sinn, wenn man mit diesem Namen auch ein Printobjekt starten will. Sei es als Obermantel aller Titel – vielleicht am Anfang nur etwas größer als heute, aber mit wachsender Tendenz. Ich glaube, es wird ein evolutionärer Prozess. Der Schritt, die Namen Printobjekte hinter den des Onlineprojektes zu setzen wäre ein Bruch mit allen Traditionen und revolutionär. In Deutschland hat das bislang kein größerer Verlag gemacht. Es wäre eine neu Kursbestimmung für die nächsten Jahrzehnte. Ob es der richtige Kurs ist? Das kann heute niemand sagen. Aber es wäre ein mutiger Schritt.

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Dennis
16 Jahre zuvor

Eine solch starke Marke macht man nicht kaputt. Das wäre ja wie wenn Porsche seinen Namen in VW abändert. Undenkbar.

David Schraven
Admin
16 Jahre zuvor

„Der Westen“ als Print-Konkurrenz zu der „Süddeutschen“. Die WAZ der Zukunft als Qualitätsblatt mit neuem Namen. Stefan, das macht Sinn.

50hz
16 Jahre zuvor

Das hört sich spannend an. Vier starke Marken über Bord zu werfen ist aber hochriskant. Die Frage ist, ob die Zeit reicht. Zumindest WP, wahrscheinlich auch die NRZ stehen innerhalb kürzester Zeit zur Dispostion. Bis dahin wird für die Marke DerWesten nur schwer ausreichend Bekanntheit aufzubauen sein. Vor allem in diesem Marktumfeld. Möglicherweise wäre also WAZ doch die bessere Wahl.

Erich Brost
Erich Brost
16 Jahre zuvor

Den Namen dieses Pleiten, Pech und Pannen-Portals auch noch für die Zeitung zu nutzen, ist nicht mutig, sondern schlicht und einfach Wahnsinn. Der Westen – das ist Spiegel online für Hartz IV-Empfänger. Voller dpa-Schrott. Originäre regionale Inhalte spielen keine Rolle. Schon beim Launch hielt sich die Begeisterung bei den Zeitungen für die Dachmarke in engen Grenzen und wurde quasi wie bittere Medizin von der Geschäftsführung verordnet. Bodo Hombach sprach damals von Türen, die er notfalls einrennen wollte. Was er dann auch gemacht hat. Wesentliche Gegner der Dachmarke wurden entweder in die Verbannung geschickt oder haben freiwillig das Weite (in dem Fall das Medienhaus Lensing) gesucht.

Im Zuge der aktuellen Diskussion sollte man nie vergessen, dass WAZ, NRZ, WR und Westfalenpost nie eine stromlinienförmige Masse waren, sondern sich in ihren Positionen mitunter stark unterschieden haben. Von den traditionell im sozialdemmokratischen Milieu verorteten NRZ und WR über die – stets nach allen Seiten offene – WAZ bis hin zu den konservativ-christlichen Westfalenpost und IKZ. Die Lichtburg, wo die ersten gemeinsame Betriebsversammlung stattfindet, gibt ein gutes Beispiel. Die NRZ hat damals angagiert für die Restaurierung des Kinos gestritten, die WAZ setzte sich für ein Einkaufszentrum an dieser Stelle ein.

Deshalb verbietet es sich auch nur darüber nachzudenken, den Namen zu wechseln, sei es in WAZ oder Westen, weil man damit das Gros der Leser außerhalb des Ruhrgebiets in Scharen in die Arme von Ippen (Westfalen) und RP (Niederrhein) treiben würde. Interessant ist aber, dass der neue WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus demnächst seine Bibeln und Dessous als „Produkte des Westens“ vermarkten will. Da kann man nur hoffen, dass er damit mehr Erfolg haben wird, denn offensichtlich geht es diesem Online-Dachschaden noch schlechter als den Zeitungen.

https://www.medienmoral-nrw.de/?p=204#comment-212

Dennoch kann man durchaus über intelligente Formen der Zusammenarbeit reden, ohne die totale Gleischaltung unter dem neokonservativen Diktat von Ulrich Reitz zu betreiben. Es wird spannend zu verfolgen sein, iniweweit sich der Verlag auf intelligente Synergien einläßt, die die Kür möglich machen, aber die Pflicht übernehmen. Ob aber ein solcher Diskussionsprozess mit einem grandiosen Egomanen wie Reitz möglich sein wird, wage ich zu bezweifeln.

trackback
16 Jahre zuvor

WAZ/NRZ/WR/WP: Betriebsversammlung und DerWesten am Sonntag…

Damit ich dieses Blog nicht in WAZ-Watchblog oder so umbenennen muss, habe ich zwei inhaltlich nicht direkt zusammengehörige Artikel mal in einem Blogbeitrag zusammengefasst:
Betriebsversammlung der Betriebsräte von WAZ, NRZ, WR und WP in d…

oko
oko
16 Jahre zuvor

Mutig wäre „DerWesten“ statt WAZ/WR/NRZ. In ein paar Jahren mag es soweit sein, im Moment wäre das glaube ich Selbstmord. Die Leser der Printtitel sind – im Durchschnitt – älter, „ihrer“ Zeitung treu, nicht besonders offen für Neues. Diese in Zeiten der Krise durch einen Namenswechsel zu verschrecken, halte ich für unwahrscheinlich.

Wobei ich ebenfalls sehr verwundert über die neue Dachmarke war. Wenn Zeitungen online einen Vorteil gegenüber lokalen Newsportalen haben, dann ist es der Vertrauensvorschuss, den die Marke „xxxxxxxxxx Zeiung“, „xxxxxxxxxx Nachrichten“ gegenüber „xxxxxxx-Online/News.de“ hat.

Jens Kobler
Jens Kobler
16 Jahre zuvor

Ich verstehe manches nicht: An dem einen Tag heißt es, alle Menschen seien von nun an bis zum Tod irgendwie jugendlich (Thema war da: Popkultur). Dann reden immer alle über die Vergreisung der Gesellschaft – und auch da ist was dran. Was wäre denn das bitte für eine ewigjugendliche ältere-Menschen-Gesellschaft, in der nicht alle scharf auf neue Produkte und Neues generell sind? Das braucht man als „Frische Waren“-Abhängiger doch! Gerade wenn immer der Sensenmann („shrinking cities“!, Rezession!, Strukturwandel!, …) so hinter einem steht wie den Menschen in der Region hier anscheinend.
Also: Modernisieren! Vorwärts und nicht vergessen! Neu aufstellen! Jetzt! (auch die wazzies) Mal tüchtig die alte Staublunge auspumpen! (Und wenn ich noch einmal „Krise“ in dem Zusammenhang lese,…) Weitermachen, bitte!
(Das Portal kann tatsächlich wenig, aber das hat nichts mit der Einführung von Produktnamen zu tun. S. Laurin hofft da ganz klug, finde ich.)

Arnold
Arnold
16 Jahre zuvor

Ich glaube, in Schwerte wollten die WR-Macher besonders zwonullig sein, haben aber das mit dem User Generated Content falsch verstanden. Da darf ein Lokalpolitiker über Lokalpolitik schreiben. Nicht als Kommentar oder Stellungnahme oder so – als Aufmacher!!!
Der Artikel: https://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/schwerte/2008/11/11/news-90108968/detail.html#comments
Der Autor: https://www.cdu-schwerte.de/oppel.html
Da wundert mich der Niedergang der etablierten Medien echt nicht mehr.

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