Jusos können nicht tanzen

Trinken ist ein politischer Akt. Tanzen auch. Kann eine Großstadt wie Dortmund beides nicht bieten, verliert sie nicht nur den Titel „Westfalenmetropole“, das übernimmt dann Bielefeld, sondern bindet nicht länger Menschen, Ideen, Kreativpotenzial – und verliert damit mittelbar und mittelfristig richtig Kohle.

Warum mir das jetzt einfällt? Weil ich gerade in der Hitze mal kurz mit dem Rad raus war und über ein paar bemerkenswerte Plakate gestolpert bin. Dazu später. Erst was anderes.

Man muss Bochum Total nicht total toll finden. Ich hab mich gestern da mal durchschieben lassen und war immerhin von der vergleichsweise unaggressiven Partystimmung beeindruckt. Und von der Konsumfreude, die den Rewe am Engelbertbrunnen wohl zum heimlichen Gewinner dieser Tage gemacht hat. Das nur zum Thema Geld, das dank Gastronomie und Popkultur in der Stadt hängen bleibt. Trotzdem war ich heilfroh, später im klimatisierten Logo zu landen und folgendes zu erleben: klack

Während in Dortmund zur gleichen Zeit das bräsige kulinarische Stadtfest „Dortmund à la carte“ die Luft mit Reibekuchenschwaden schwängerte und den Beweis antrat, dass die vergleichbare Veranstaltung „Essen genießen“ und das Essener Publikum etwa zehn Jahre kulinarische Entwicklung voraus haben (gefühlter Anteil der unter 30-Jährigen: 4), tanzten, tranken und kauften sich also geschätzte 2,6 Teenillionen durch Bochum. Das tut dem Dortmunder Metropolenanspruch richtig weh.

Nun aber die Geschichte mit dem Rad vorhin: Da hängt doch im Kreuzviertel ein Juso-Plakat, auf dem ein Spurenermittler damit beschäftigt ist, zerschmettertes Vinyl von der Straße abzukratzen; im Vordergrund eine blutende Discokugel. Natürlich geht es um das „Discosterben in Dortmund“: Nachdem die rege Feierszene das Thier-Gelände verlassen musste, weil neue Einkaufszentren halt wichtiger sind, gibt es kein entsprechendes Angebot mehr in Nordrhein-Westfalens (noch) zweitgrößter Stadt. Die Jusos fordern also ein neues Discoviertel in Dortmund. Nun wissen wir ja alle, dass Jusos neben vielen anderen Dingen auch nicht tanzen können und ihre Forderung also recht durchsichtig ist. Doch auch trotz des plumpen Versuchs, ein so genanntes „Jugendthema“ zu besetzen, sollte Dortmunds oberster Wirtschaftsförderer Udo Mager gewarnt sein. Die Discoszene ist neben allem Spaß auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Leute in die Stadt zieht. Und Tänzer sind nicht unpolitischer als Netzbewohner.

Von Intelligenz und Kreativität war bis jetzt noch gar nicht die Rede. Nun aber: Wer Stilbewusstsein und britisch anmutende Pop-Attitüde in einem sehr urbanen Gastronomiekonzept paart, hat meine Stimme. Das „Balke“ an der Hohen Straße ist genau dieser Laden, von dessen Art es in Dortmund keine zwei weiteren gibt: klick

Offenbar ist der Standort ca. 280 Meter zu weit entfernt von den ausgetretenen Pfaden im Kreuzviertel, jedenfalls scheint’s denen gerade nicht gut zu gehen. Aber jammern die Betreiber, immerhin die Erfinder von Bosch Bobby und Eskort Klub? Nö. Sondern hängen Plakate, die dermaßen die Zunge in der Backe haben, dass man Preise dafür verleihen müsste. Im Fenster hängt übrigens ein Flyer: „Wir haben weder Millionen verspekuliert noch schlechte Autos gebaut. Trotzdem läuft kein Laden der Stadt schlechter. Deshalb, und vielleicht nur noch diesen Sommer: Das Balke, die Kneipe für Melancholiker und Trendsetter. Kommt vorbei, bevor es voll wird. Wir freuen uns auf Eure Gesellschaft.“

Wir wissen, was zu tun ist.

Peter Erik Hillenbach, Downtown Gomorrha

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Jens
15 Jahre zuvor

Wieso ist das ein „plumper Versuch“? Abgesehen davon, dass Jusos natürlich tanzen können. Man erinnere sich an den legendären Auftritt von Oskar Lafontaine bei einem Juso-Bundeskongress, wo er auf der Bühne mit tanzte…

Alexander Wuttke
15 Jahre zuvor

Moin moin liebe Ruhrbarone,

freut mich erstmal, dass ihr unsere Plakatkampagne ansprecht und erlaube mir mal kurz meinen Senf hinzuzufügen.
Wenn man versucht, die Probleme in der Stadt aufzugreifen, ist das ein durchsichtiges Wahlmanöver. Tut man dies nicht, ist man abgehoben, bürgerfern und blind gegenüber der Probleme der Menschen. Was man tut, man macht´s falsch 😉
Nun denn. Zum einen, erheben wir diese Forderung (in kurz: Hafen als neues Szeneviertel, Nordstadt als Zentrum der Jugend) schon seit einigen Monaten und putzen damit Klinken innerhalb von Stadt&Partei. Und eben nicht nur wählerwirksam in der Öffentlichkeit, sondern auch hinter verschlossenen Türen.
Bezüglich durchsichtiges Wahlmanöver: Als Jusos in einer rot regierten Stadt auf das Absterben des Nachtlebens hinzuweisen, bringt vielleicht nicht so viele Pluspunkte wie man meinen könnte…

An dieser Stelle im Übrigen noch ein kurzer Hinweis auf die kürzlich gestartete Petition Für ein neues Kneipen- und Discoviertel in Dortmund https://www.thepetitionsite.com/1/dortmund-braucht-discos

LG
Alexander
– Jusos Do –

P.S. Dass Jusos nicht tanzen könnten, ist eine bitterböse Verleumdung ^^

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