Was macht diese Sängerin, Denkerin, Poetin nur mit uns? Da ist diese so bedrängend intensive, etwas spröde eingefärbte Stimme, die so authentisch Emotionen nahe bringt. Ihre Songs, die sie angeblich ganz ohne Notenkenntnis kreiert, passieren Licht- und Schattenwelten. Und die junge Schweizerin, die im letzten Sommer schon beim Haldern-Pop so unwiderstehlich agierte, bleibt doch so konsequent sie selbst dabei!
„Wenn ich nach Deutschland komme, verändert dies jedes Mal mein Leben“ – ist das nun schüchterne Dankbarkeit oder überlegene Koketterie aus dem Munde dieser mädchenhaften Sängerin in ihrem knallroten Kleid? Und Sophie Hunger hinterfragt gerne alles, auch auf der Bühne im Konzerthaus Dortmund: „Warum soll dieses Konzert ein akustisches sein? Was heißt das? Ich singe doch in ein Mikrofon hier.“ Wie auch immer. Am Ende hinterlassen sie und ihre Band stehende Ovationen. Schließlich ist das Zugaben-Set fast so lang wie das ganze Konzert vorher. Um ihr Publikum auf sich einzuschwören, hat sie diesem zu Anfang des Abends ihre Stimme „pur“ gegeben – allein und schutzlos, fragil und zugleich unerschütterlich stark! Ab dann greifen ihr fabelhafte Mitmusiker unter die Arme. Mal kammermusikalisch, dann wieder rockig und zuweilen auch völlig a capella. Pures Dahinschmelzen evozieren einige Duette zwischen ihrer Stimme und der Posaune allein. So variiert der Gestus von sehr zart und ganz weich bis zu quirlig-lebendig und fröhlich-impulsiv. Sie drischt auf den Flügel ein oder forscht behutsam Klänge an den Tasten aus, reißt dann wieder elektrische und akustische Gitarren an sich, um zu treibenden Riffs ihrer Band frech abzurocken. Ihr oft nach oben gerichteter, verklärter Blick unterstreicht ihre so überzeugend verkörperte Aura von erhabener Enthobenheit. Wie bekommt diese Frau das hin, Charisma und Natürlichkeit derart intensiv eins werden zu lassen? „This is my Freedom. This is my voice!“ proklamiert sie in einem ihrer Songs die doch so einfache, so plausible Antwort. Überhaupt lohnt es sich, ihre Alben gründlich anzuhören, um noch mehr von den englischen, deutschen und französischen Texten mitzubekommen. Sophie Hungers Sätze, Worte und Melodien wollen nichts erklären, sondern dafür die eigene Fantasie reich machen. Etwa im „Walzer für Niemand“, der bei den Zugaben nicht fehlen darf: „ Niemand, ich habe Geschenke für dich. Was wäre ich geworden, gäbe es dich nicht. Meine gesammelten Werke, bitte sehr. Alles gehört dir!“
Aktuelles Album
Sophie Hunger „1983“
Two Gentleman Records 2010