1.Bundesliga am Montag? – Die nächste Runde ‚Fußball-Romantiker gegen Geschäftemacher‘

Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler. Quelle: Wikipedia, Foto: Fuguito, Lizenz: CC-BY-SA 4.0
Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler. Quelle: Wikipedia, Foto: Fuguito, Lizenz: CC-BY-SA 4.0

Wenden wir uns an diesem Bundesligasonntag mal weg vom aktuellen Tagesgeschehen, obwohl es auch an diesem Wochenende dort wieder genug anzumerken und zu diskutieren gäbe.
Doch das Thema der letzten Tage rund um den Profifußball in diesem Lande war eine offensichtlich ins Haus stehende weitere Zerstückelung der Anstoßzeiten. Käme dies in naher Zukunft so, soll hierdurch in erster Linie der Umsatz der Liga und ihrer Vereine gesteigert werden.
Jüngste Erfolgszahlen der englischen Premier League hatten auch bei der Bundesliga offenbar erneut entsprechende Begehrlichkeiten geweckt, eine seit Jahren schon laufende Grundsatzdebatte neu belebt. Der Kampf zwischen den Fußballtraditionalisten und Romantikern gegen die ‚kalten‘ Geschäftsinteressen und den Kommerz geht damit in die nächste Runde. Doch der Sieger dürfte hierbei schon längst feststehen. Und ein Zurück zu einheitlichen Anstoßzeiten der neun Erstligaspiele wird es nicht geben. Im Gegenteil! Vermutlich wird Erstligafußball schon bald auch am Montagabend gespielt und eben auch im TV zu sehen sein.

 
Es ist erst gut eine Woche her, dass die Bundesliga zuletzt ungewöhnlich viele freie Plätze in den Stadien bemerkt und auch bedauert hat. Als in den neun Begegnungen der Ersten Liga in der Wochenmitte an Spieltag 19, in einer sogenannten ‚Englischen Woche‘, auffällig viele Plätze in vielen Stadien ungenutzt blieben, da führten das die Kommentatoren sofort und einhellig überwiegend auf die ungünstige Ansetzung der Spiele zurück. An einem Werktag am Abend ins Stadion gehen? Das ist eben längst nicht jedem ‚Normalbürger‘ so einfach möglich, der ansonsten kein Spiel seines Lieblingsvereins im Stadion versäumen mag. Doch an einem kalten Werktag im Februar will und kann eben nicht jeder Fan sofort nach Arbeit, Schule o.ä. ins Stadion. Erst recht nicht, wenn sein Team auswärts anzutreten hat und er um live dabei zu sein noch eine u.U. stundenlange Anreise in Kauf zu nehmen hätte.

 
Die ehemalige Aktion ‚Pro 15:30‘, seit Jahren nun unter dem Namen ‚Pro Fans‘ aktiv, kämpft schon seit gefühlten Ewigkeiten u.a. gegen die in der Zweiten Liga inzwischen üblichen Montagsspiele, möchte am liebsten wieder zurück zu den Zeiten wo der Samstagnachmittag um 15.30 Uhr die (beinahe) einzige Anstoßzeit im Fußballzirkus darstellte.
Doch aus der Premier League vorgelegte Erfolgszahlen in Sachen Umsatz haben auch hierzulande eine Diskussion wieder angefacht, welche verdeutlicht: Es wird eher eine weitere fernsehgerechte ‚Zerstückelung‘ der Spielzeiten geben, schlicht weil die Bundesliga den Wettbewerbsnachteil gegenüber den Mitbewerbern schließen möchte. Ein paar tausend Fans in den Stadion mehr oder weniger zählen da letztendlich nicht, der Anteil der Fans im Stadion an den Gesamtumsätzen der Teams sinkt seit Jahren. Das Geld wird zunehmend woanders erwirtschaftet, trotz neuer Logen und allgemein steigender Eintrittspreise.

 
DFL-Boss Christian Seifert hatte in dieser Woche angedeutet den Weg der englischen Premier League folgen zu wollen, welche mit mehreren verschiedenen Anfangszeiten zukünftig rund 6,9 Milliarden Euro an TV-Einnahmen für drei Jahre kassieren wird.
In Deutschland läuft der aktuell ‚nur‘ mit 2,51 Milliarden Euro dotierte Vertrag 2017 aus. Die neun Spiele einer Erstliga-Runde werden hierzulande im Regelfall bislang schon zu fünf verschiedenen Zeiten angepfiffen.
Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler stieß gegenüber der Bild-Zeitung in das gleiche Horn: „Christian Seifert hat zu Recht gesagt, dass wir schauen müssen, wie wir unsere wirtschaftliche Kraft erhöhen können. Ich könnte mir vorstellen, dass der Montagabend in dieser Hinsicht eine Möglichkeit für die Bundesliga wäre. Der Termin ist attraktiv und wäre auch ein Zückerchen fürs Pay-TV. Das hat sich seit Jahren in der 2. Liga bewährt. Grundsätzlich sollte der Samstag aber unser Hauptspieltag bleiben.“

 
Die bundesweite Vereinigung „Pro Fans“ befürchtet durch eine zunehmende Zerstückelung der Spieltage in der 1. und 2. Bundesliga hingegen jedoch einen Schaden für den Deutschen Fußball. In einem offenen Brief an DFL-Boss Seifert schreiben die organisierten Fans nun ganz aktuell:
„…die Bundesliga ist seit Jahrzehnten eine der attraktivsten Fußballligen der Welt. Hochklassiger Fußball begeistert die Zuschauer, eindrucksvolle Choreographien und bedingungslose Leidenschaft locken jedes Wochenende Hunderttausende in die Stadien und vor den Fernseher.
Dieses Alleinstellungsmerkmal gilt es zu stärken. Die Fans im Stadion sind ein bedeutender Bestandteil der Attraktivität des deutschen Fußballs. Die Bundesliga bietet hier im weltweiten Vergleich etwas ganz Besonderes: ausverkaufte, stimmungsvolle und euphorische Stadien. Ohne Emotionen wäre der Profifußball in Deutschland deutlich weniger reizvoll, nicht nur für die Stadionbesucher, sondern auch für die Zuschauer am Fernseher. Die Unterstützung der Fans in den Stadien lässt den Zuschauer aktiv am Geschehen teilnehmen und stärkt die emotionale Bindung zum Fußball. Gleichzeitig berichten Spieler immer wieder, welche Bedeutung es für sie hat, vor vollen und emotionalen Rängen spielen zu können.
Die zunehmende Zerstückelung der Spieltage in der ersten und zweiten Bundesliga beschädigt dieses deutsche Alleinstellungsmerkmal. Zu einem Spiel am Montag um 20:15 Uhr oder am Mittwoch um 17:30 Uhr kommen grundsätzlich weniger Fans ins Stadion, als an einem Samstagnachmittag. Weniger Fans sind in der Regel gleichbedeutend mit weniger Stimmung und weniger Emotionalität. Dies trifft vor allem die Gästefans enorm, jene Fans, die für das Erlebnis Fußball besonders wichtig sind, da sie als Multiplikator der gesamten Stimmung im Stadion und v.a. der Emotionen dienen.
Seit der Initiative Pro15:30 haben die Fanverbände immer wieder das Gespräch mit der DFL gesucht, dennoch wurde der Spieltag sukzessive ausgeweitet und fanunfreundlicher gestaltet. Wir erkennen an, dass seit einem Jahr die Terminierung seitens der DFL besser und zügiger läuft, doch das darf nicht der Weisheit letzter Schluss sein! …“

 
In Anbetracht der immer geringer werdenden Bedeutung der Einnahmen aus den Ticketverkäufen, vor dem Hintergrund das Proficlubs sich längst immer breiter aufstellen und Einnahmen in völlig neuen Bereichen generieren, das Produkt Bundesliga auch im Ausland immer besser vermarktet werden soll, auch die Interessen u.a. vieler Fernsehzuschauer, die eben möglichst viele Spiele live und in voller Länge genießen möchten diesen romantisch anmutenden Wünschen der paar tausend zu Auswärtsspielen ihrer Clubs reisenden Fans entgegenstehen, dürften diese hier allerdings wohl auf ziemlich verlorenem Posten stehen.

 
Man wird sich auch ihrerseits also an den Gedanken eines zukünftigen Erstligaspiel an Montagen wohl schon einmal gewöhnen müssen oder dürfen. Je nach persönlichen Vorlieben und Gewohnheiten …

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TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
9 Jahre zuvor

man sieht, dass die BL Nachholbedarf bei den TV-Rechten hat
https://imgur.com/DdVAomI

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

„Alleinstellungsmerkmal“ Zuschauer, aha. Nennt mir Jemand eine Liga, die über sich selbst z.B. sagt „Wir sind die langweiligste, abstoßendste und amateurhafteste Liga der Welt!“? Derartige Selbstbeweihräucherungen werden Niemanden überzeugen, den vorgezeichneten Weg mit Verteilung der Anstoßtermine nicht zu gehen, zumal „die beste Liga der Welt“ ja schon seit 2011/12 wieder schwächelt, was die Stadionbesuchszahlen angeht, aber dabei auch international nicht an Qualität verliert, im Gegenteil.

Was den Einfluss eines ausverkauften Stadions auf die Heimspieler angeht, würde ich mal vorsichtig bei den Schwatzgelben nachfragen, denn die sind dem Druck von 80.000 Zuschauern nachweislich und selbsteingestanden öfters nicht gewachsen. Aber ok, das ist eine fette Ausnahme:-)

Wer sich über die Entwicklung sicher freuen wird, sind der VRR und viele Bahnfahrer, bei denen die Meute am Wo. und damit auch der Schaden am rollenden Material nun etwas kleiner ausfällt.

Bochumer
Bochumer
9 Jahre zuvor

„… eindrucksvolle Choreographien und bedingungslose Leidenschaft locken jedes Wochenende Hunderttausende in die Stadien und vor den Fernseher.
Dieses Alleinstellungsmerkmal gilt es zu stärken. “
Das klingt doch nach dem BWL-Lehrbuch… und wurde von den „Köln-Fans“ am Wochenende auch deutlich widerlegt.
Eigentlich spannend, dass die zunehmende Kommerzialisierung und die Ausbreitung der Gewalt in den Stadien gleichzeitig stattfinden. Aber in der Bundesliga wird sich das Geld durchsetzen. Die jahrelange Umverteilung zum FC Bayern hat ja auch schon ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Der Kampf ist verloren.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Robin, zumindest für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob solche Idioten wie die Kölner in einem Stadion mit 3000 oder mit 30000 Besuchern randalieren. Dass solche Gewalt immer noch trotz aller Beteuerungen der Fan-Verbände und Vereine aus dem „Innersten“ von Fanansammlungen ausgehen kann, ist doch der eigentliche Skandal, weil es zeigt, dass anscheinend Niemand in der Lage oder Willens ist, so etwas zu verhindern und alle nur auf die Polizei als Retter aus der eigenen Unfähigkeit warten.

Das kann aber nicht die Lösung sein, wenn für reines Freizeitvergnügen, geistige Unterbelichtung und hormonelle Überschüsse tausende Polizeibeamte reserviert werden müssen, welche dann an anderen, gesellschaftlich viel wichtigeren und sensibleren Einsatzorten fehlen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Richtig, Robin. Die stillschweigende Akzeptanz von gewaltbereiten und gewaltausübenden Idioten in einer relativ homogenen Masse Gleichgesinnter ist ein seit Jahrzehnten bekanntes gesellschaftliches Phänomen. Nur sehe ich ausgerechnet den Fußball, *die* Massenkonsumbewegung der Freizeit schlechthin, nicht als „Ausnahmegenehmigung“, solche Phänomene *nicht* auch innerhalb solcher Gruppen zu lösen. Das würde den medialen Hype, die Überzeichnung solcher Ereignisse besser und auch langfristiger auf ein erträgliches Maß reduzieren.

Bis es z.B. dem kompletten (damaligen) Westfalenstadion mit stimmgewaltigen Unmutsäußerungen gelang, die Borussenfront mit SS-Siggi als Anführer aus dem Stadion zumindest für Jahre zu vertreiben, weil man so deren Akzeptanz in der Masse der Fans verneinte, waren diese Nazis der breiten Öffentlichkeit nur als „Fußballschläger“ bekannt. Erst mit dieser konzertierten Fan-Aktion wurde das Nazi-Problem als *gesamt*-gesellschaftliches Problem in der Fokus der Öffentlichkeit gerückt und nicht mehr allein auf den „prekären“ Fußball bezogen.

Und weil es die Nazis auch und hauptsächlich wegen der nachlassenden Aufmerksamkeit in den letzten Jahren wieder auf die Blocks zog, um dort frischen Nachwuchs zu rekrutieren, muss man auch heute als *gesamte* Gesellschaft erneut entgegensteuern, was aber nicht bedeuten darf, solche Probleme allein der Polizei zur Lösung zu überlassen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

Naja, dem BvB sind aber auch in den letzten Jahren viele Vorkommnisse – eben halt wieder mit Borussenfront/NWDO, Derby-Randale, Desperados, Prügel-Attacken gegen Fanprojekt, Unterwanderung der Ordner durch Nazis etc. pp. – um die Ohren geflogen. Und als Meister, Pokalsieger, CL-Finalteilnehmer und selbsternannter Bayernjäger muss man da im Gegensatz zu z.B. Dynamo Dresden auch medial eine ordentliche Schüppe drauflegen, um die Shitstorms zumindest einzudämmen.

Allerdings kann ich beim „Scannen“ der div. BvB-Foren auch konstatieren, dass sich dort der Wind, der früher eher in Richtung „Omerta“, also Verschweigen bzw. macho-mäßiges Gutheißen von Gewalt, wehte, inzwischen etwas gedreht hat und diejenigen, die sich gegen solche Idioten stellen, auch mutiger geworden sind. Hoffentlich hält diese Tendenz an bzw. steigert sich noch.

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