Die Computermesse CeBit in Hannover ist Geschichte. Einer der Gründe für das Scheitern der Messe liegt über 20 Jahre zurück.
In den 80er und 90er Jahren war die CeBit ein Mekka für alle, die sich für Computer interessierten. Und das waren nicht nur Manager und Informatiker. Wer für diese Technologie brannte und bereit war, den Weg nach Hannover anzutreten, war oft ein Computerfreak, jemand, für den Rechner mehr waren als schnöde Gebrauchsgegenstände. Die amerikanische Soziologin Sherry Turkle fand das passende Wort für das, was Computer eigentlich sind: Wunschmaschinen.
Und so sah man zwischen all den eleganten Anzugträgern und den wunderschönen Messehostessen viele Jungs mit Pickeln im Gesicht, von denen damals nicht wenige stolz die Pullunder und Trainingsjacken trugen, die Tocotronic kurz darauf zum Modeaccessoir werden ließen.
Der Messe AG war dieses Publikum unangenehm, obwohl es zahlreich und treu war: Diese Kids stellten ein Drittel der Besucher. Die Messeleitung wollte sie nicht mehr haben und erhöhte 1996 massiv die Eintrittspreise. Man war ja eine seriöse Fachmesse, da störten die Pullunderträger nur, die an den Ständen die Verkäufer mich sachkundigen Fragen nervten.
Die CeBit wuchs trotzdem noch ein paar Jahre. Das Fachmesse-Konzept schien aufzugehen. Die IT-Branche boomte, es gab den neuen Markt.
Doch mit ihrer Entscheidung hatte Messeleitung eine Tradition zerstört. Die CeBit wurde zu einem öden Ort. Nach Hannover zu fahren machte keinen Spaß mehr. Es war nur noch ein Geschäftstermin. Und je schneller das Internet wurde, je globaler sich die Computerindustrie entwickelte, umso unnötiger wurde die CeBit für die Manager. Die IT-Unternehmen stellten nun ihre Produkte selbst vor und die Präsentationen online.
Apple Keynotes zum Beispiel sind heute große Ereignisse – und werden von Apple selbst organisiert und gestreamt.
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Am Ende wollte die CeBit wieder die Computerfreaks erreichen, die Irren, die digital leben und die die Zukunft gestalten werden. Sie kamen nicht, der Neustart scheiterte. Die CeBit war für alle nur eine öde Fachmesse. Hätte man 1996 die Pullunder- und Trainigsjackenträger nicht vertrieben, die Cebit hätte ihren Charakter als Mekka der Computerfreaks vielleicht behalten und so einen Weg in die Zukunft finden können. Doch diese Traditionslinie wurde 1996 arrogant zerstört.
Klingt plausibel. Ich war 1992 (verdammt lang her) mal auf der CeBit. Schade drum.
Aus Sicht der Standbetreiber wurde die CeBIT immer uninteressanter, weil sie zu unspezifisch war. Das Geschäft verlagerte sich zunehmend auf Fachmessen.
Die Messe war somit zu indifferent fürs fachspezifische Publikum und zu eng aufgestellt für die "Zukunftswerkstätten".
Zuerst wurden neue Produkte nur noch in den Resseller-Centern vorgestellt. Da kamen Otto-Normalverbraucher nicht mehr rein.
Dann folgte die grösste Unverschämtheit, normale Besucher durften überhaupt nicht zur CeBit rein. Nur noch Fachbesucher.
Und jetzt wundert man sich das alles den Bach runter ist.
Ich bin früher öfter und gerne dort hingegangen.
Aber das „gemeine Volk“ war ja nicht mehr erwünscht.
Wie war das nochmal mit „Digitalisierung 2.0“ ? Tja Zug abgefahren, da helfen auch keine Milliarden mehr. Und Frau Merkel träumt heute noch vom „Neuland“ Internet.
@#2: Und die IT-Industrie hatte nach dem Blasen-Crash der NE andere Sorgen, als ihre Sales- und Marketing-Abteilungen wieder und wieder fast geschlossen zum Standparty-Feiern und die restliche Messezeit mit nervigen "Hamse noch CDeeees?"-Kids verplempern in die Pampas nach "Hangover" zu schicken. Da musste dringend gedownsized werden, was eben nur noch Fachmesse und Online-Showrooms bedeutete.
Die Kids sind dann begeistert wg. ihrer ersten Smartphones zur MWC nach Barcelona oder gleich zur CES gepilgert, aber das sind allein schon wg. der Lokalitäten und des Flairs völlig andere Zeitgeister. Das Verpennen des Mobilfunk-Themas ist etwas, was man neben dem kompletten Missmanagement der HannoverMesse ankreiden kann, aber nicht das Bespaßen der Kiddies.