Hunderte Neonazis waren am 1. Mai deutschlandweit auf der Straße. Dabei kam es auch zu Eskalationen und einem gewalttätigen Angriff auf eine DGB-Kundgebung in Weimar. Tausende waren aber auch gegen die braunen Aufmärsche auf der Straße und konnten diese teils blockieren.
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Mönchengladbach und Essen: Neonazi-Demos schrumpfen zusammen
Gut 100 Teilnehmer bei der NPD in Mönchengladbach und 300 bei einer späteren Aktion von Die Rechte in Essen – auch in diesem Jahr folgten in Nordrhein-Westfahlen nicht viele extrem rechte Aktivisten den Aufrufen der Neonazis zum braunen 1. Mai. Bei Die Rechte haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr die Teilnehmerzahlen glatt halbiert und das auch nur, weil an der Demonstration in Essen viele teilnahmen, die sich Stunden zuvor durch Mönchengladbach schleppten.
Die Parolen waren auf beiden Demonstrationen weitgehend dieselben: Der nationale Sozialismus wurde gefordert und auch gesichtstätowierte 40jährige reklamierten für sich, dass die Straße der deutschen Jugend frei gemacht werden müsse.
Die Rechte hat am 1. Mai gezeigt, dass sie die beherrschende Kraft in der Nazi-Szene in NRW ist, die NPD erscheint als kaum mehr als eine billige Kopie, die mit Sprüchen wie „Wir wollen keine Zionistenschweine” und Solidaritätsplakaten für Holocaustleugner wie Horst Mahler oder Ernst Zündel vor allem damit beschäftigt ist, am eigenen Verbotsverfahren mitzuwirken.
In beiden Städten stellten sich Tausende den Nazis entgegen und sorgten mit Blockaden dafür, dass die geplanten Demorouten nicht abgelaufen werden konnten und die überschaubare Nazischar umdrehen musste. Die Polizei ließ in beiden Städten Protest in Hör- und Sichtweite zu und hatte in Mönchengladbach zu jedem Zeitpunkt die Lage im Griff. In Essen war sie zu Beginn der Neonazi-Demonstration sichtlich überfordert, es kam zu Beleidigungen von Anwohnern und Polizeibeamten. Später dann sorgten jedoch eilig herangeführte Einsatzkräfte auch hier dafür, dass die Spielräume der Rechtsradikalen sehr begrenzt waren. Eine nächtliche Spontandemonstration durch die menschenleere Essener Innenstadt endete schließlich in einem Polizeikessel und der Aufnahme der Personalien aller Neonazis.
Auch in Dortmund wurden Journalisten beschimpft, bedrängt, genötigt und so an ihrer Arbeit gehindert. Die Tatbestände wurden bei der Polizei Dortmund angezeigt. Besonders unangenehm war die Situation, als ein ca. 1,90 m großer Rechtsextremist versuchte sich auf eine der Journalistinnen zu stürzen. Er wurde gerade noch von drei Bundespolizisten davon abgehalten. Nach der Tränengasattacke auf einen Journalisten bei einer Nazidemo schon die zweite Attacke. Die Bundespolizei weigerte sich zunächst eine Anzeige vor Ort aufzunehmen – die Personalien des Nazis wurden trotz Bitte nicht aufgenommen. Ob dies später geschah, ist nicht bekannt. Ob der Täter dennoch ermittlet werden kann, ist ebenfalls unklar. Die Bundespolizei hat sich in aller Form für diesen Fall entschuldigt.
Worms: Nach 300 Metern gings zurück
150 Neonazis – überwiegend aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland – reisten zu der Versammlung des rheinland-pfälzischen Landesverbandes der NPD an. Unter ihnen war auch der NPD-Parteivorsitzende Frank Franz. Neben ihm sprachen die Versammlungsleiterin Ricarda Riefling, Markus Walter und Safet Babic (NPD Landesvorstandsmitglieder in Rheinland-Pfalz), Jan Jaeschke (NPD Rhein-Neckar), Detlef Walter (NPD Trier), Markus Mang (NPD Saar-West), Michael Weick und Christian Hehl (beide NPD Rheinhessen-Pfalz), der Wormser Manuel Zink und André Presser (Heimatschutz Donnersberg). Unter den TeilnehmerInnen befanden sich auch einige Hooligans, die vor allem gegenüber JournstalistInnen aggressiv auftraten, vereinzelt Böller zündeten und Hitlergrüße zeigten.
Da 200 AntifaschistInnen die Aufmarschstrecke blockiert hatten, konnten Neonazis ihren Aufmarsch nicht wie geplant durchführen. Bereits nach wenigen hundert Metern war Schluss. Die Polizei war nicht in der Lage, die Blockade aufzulösen. Nach erfolglosen Verhandlungen mit der Polizei mussten die Neonazis zu ihrem Auftaktort am Hauptbahnhof umkehren.
Seit einigen Jahren versucht die rheinland-pfälzische NPD, am 1. Mai zentrale Aktionen im Süden Deutschlands zu etablieren. Worms möchte die NPD im anstehenden Landtagswahlkampf zu ihrem Aktionsschwerpunkt machen. Mit Michael Weick sitzt dort seit 2014 ein NPD-Mitglied im Stadtrat. Einen großen Teil seiner Stimmen erhielt er im Wormser „Väddel“. Weil dort Flüchtlinge untergebracht werden sollen, hätte die Route eigentlich durch diesen Stadtteil führen sollen. Im Anschluss an die Versammlung begaben sich vereinzelt Neonazis ins „Väddel“, um doch noch mit den AnwohnerInnen ins Gespräch zu kommen.
Neubrandenburg: Kurze Route aufgrund starken Gegenprotestes
Mit wenig Erfolg verlief der 1. Mai-Aufmarsch der NPD in Neubrandenburg-Oststadt. Mit rund 350 Neonazis konnte der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern zwar sein eigenes Klientel nahezu konstant halten, die komplette Route konnten die Neonazis allerdings nicht laufen. Angereist waren vor allem extrem Rechte aus der Region. Nach Angaben des Bündnisses Neubrandenburg Nazifrei sollen die Neonazis gerade mal 500 Meter weit gekommen sein.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung versperrte eine größere Blockade den Neonazis den Weg. Ursprünglich sollte eine Demonstration vom Bündnis Neubrandenburg Nazifrei auf die Route der Neonazis führen. Knapp 700 Menschen nahmen an der Demonstration des Bündnisses teil. Die Veranstalter_innen lösten ihre Demonstration jedoch vorzeitig auf. Weitere kleinere Blockaden umringten die Auftaktkundgebung der Neonazis und setzten diese zunächst für Stunden fest. Nachdem eine der Blockaden durch die Polizei geräumt wurde, wurde der Neonazi-Aufzug einer größeren Blockade vorbeigeführt. Bei der Abführung der Neonazis flogen Wurfgeschosse auf beiden Seiten. Nach weiteren Stop-and-Go’s beendeten die Neonazis ihre Demonstration einer Kundgebung. Dort sprachen der JN Bundesvorsitzende Sebastian Richter und der NPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs.
Nach eigenen Angaben setzte die Polizei, die mit 830 Beamt_innen vor Ort war, auf die Strategie des „Miteinanders und der Kommunikation“. Vereinzelt kam es zum Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Dabei kamen fünf Personen in Gewahrsam. Eine Gruppe von etwa 150 Demonstrant_innen, die mit dem Zug nach Neubrandenburg angereist waren, hielt die Polizei zur Personalienfeststellung und Beweissicherung über eine Stunde am Bahnhof fest. Grund dafür waren Zusammenstöße zwischen Demonstrant_innen und NPD-Anhänger_innen am Bahnhof Stralsund.
Saalfeld: Eskalation der Gewalt
Thüringen stand am 1. Mai mit gleich zwei Neonazi-Aufmärschen und einem extrem rechten Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Weimar im Fokus der rechten Szene. Damit erlebte der Freistaat einen braunen 1. Mai mit Neonazi-Gewalt wie schon lange nicht mehr.
In Saalfeld hatte ein extrem rechtes „Aktionsbündnis“, hinter welchem vor allem die neonazistische Kleinstpartei Der III. Weg steckt, zum 1. Mai-Aufmarsch mobilisiert. Federführend waren vor Ort die ehemaligen Kader des „Freien Netzes Süd“ wie beispielsweise Matthias Fischer, Norman Kempken oder Tony Gentsch. Auch unter den Ordnern waren zahlreiche Neonazis aus Franken.
Bereits auf dem Anreiseweg der Neonazis vom Bahnhof zum Demonstrationsbeginn kam es zu schweren Übergriffen. Eine Gruppe von rund 80 Neonazis griff auf dem Weg einige alternative Jugendliche an. Resultat des Übergriffes sind zwei Schwerverletzte und eine leichtverletzte Person. Eines der Opfer befindet sich aufgrund der schweren Verletzungen weiterhin im Krankenhaus. Die Angegriffenen erlitten teils schwere Kopfverletzungen. Zahlreiche weitere Menschen wurden durch den Angriff traumatisiert.
Die aggressive Stimmung bekamen dann vor allem auch Journalisten zu spüren. Durch Pöbeleien und Bedrohungen war die Stimmung bereits am Sammlungsort der Neonazis so gereizt, dass rund 15 Pressevertreter ihre Berichterstattung abbrechen mussten und sich in Richtung der Polizeikräfte an der Demo-Spitze zurückzogen. Grund hierfür war auch das völlig unzureichende Polizeiaufgebot am Sammlungsort und das unkontrollierte Ein- und Ausgehen zahlreicher Neonazi-Kleingruppen. Auch während der Demonstration war aufgrund der geringen Polizeipräsenz an den Rändern der Demonstration ein freies Arbeiten für Journalisten kaum möglich. Ein Fotograf wurde von einer Flasche aus der Neonazi-Demonstration getroffen. Vor allem ein Block im Stil der autonomen Nationalisten zeigte ein hoch aggressives Verhalten. Daran waren vor allem Neonazis aus Thüringen, Brandenburg, Hessen und Bayern beteiligt, darunter auch zahlreiche bekannte extrem rechte Gewalttäter. Als die Demonstration dann aufgrund einer Blockade gestoppt werden musste, eskalierte die Lage völlig. Immer wieder versuchte der aggressive Neonazi-Block die dünn besetzten Polizeiabsperrungen zu durchbrechen. Als es dann wohl zum Einsatz von Tränengas kam, brachen rund 200 Neonazis aus der Demonstration aus und konnten sich in der Stadt verteilen. Auch für Journalisten bestand zu diesem Zeitpunkt kein Schutz mehr. Die Durchsagen des Polizei-Lautsprecherwagens wirkten zu diesem Zeitpunkt nur noch absurd. Der beschwichtigende Polizeibeamte versuchte die ausbrechenden Neonazis zum Zurückkehren zu bewegen und bot weitere Verhandlungen an, während auch seine zivilen Kollegen fliehen mussten, um sich in Sicherheit zu bringen.
Als Folge des gewalttätigen Ausbruchs wurde die Neonazi-Demonstration dann zum Bahnhof geleitet. So konnte der aggressive extrem rechte Mob seine Veranstaltung mit einer Demonstration durch sie Saalfelder Innenstadt erfolgreich beenden.
Auf der Rückfahrt stiegen bayerische Neonazis am Bahnhof Hallstadt aus und marschierten spontan und ohne Polizeibegleitung durch die Stadt. Herbeieilende Spezialkräfte der Polizei konnten die rechte Demonstration nach einer Weile stoppen. Die Kriminalpolizei prüft nun, ob es zu Straftaten kam. Die Personalien der Neonazis wurden festgestellt.
Erfurt: NPD floppt mit Aufmarsch in der Landeshauptstadt
Die Thüringer NPD ist am 1. Mai mit ihrem ersten großen Aufmarsch nach dem Wechsel an der Landesspitze gefloppt. Anders als in den vergangenen Jahren ermöglichte ihr das polizeiliche Vorgehen zwar einen von Blockaden weitgehend ungestörten Aufmarsch in Erfurt, mit rund 150 Neonazis blieb die Teilnehmerzahl jedoch weit hinter den angemeldeten 500 Personen zurück. Noch am Vorabend des ersten Mai war lange Zeit nicht klar, wie und wo der Neonaziaufmarsch in der Landeshauptstadt verlaufen würde. Nachdem die Stadt der NPD nur eine Standkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz genehmigt hatte, begann das juristische Tauziehen vor den jeweiligen Instanzen. Erst am Abend des 30. April stellte das Oberverwaltungsgericht klar: die Neonazis würden zwar marschieren können, durften dabei aber nur eine verkürzte Route und nicht in der Umgebung des Landtages laufen. Schnell wurde am Freitagvormittag deutlich, dass die Thüringer NPD nur mit Unterstützung aus anderen Bundesländern ihre rund 150 Teilnehmer erreichen konnte. So rundeten die Mitglieder der „Kameradschaft Northeim“ aus Niedersachsen sowie Neonazis unter anderem aus Bayern und Sachsen das Aufmarschbild ab. Die angekündigten „Parteifreien Patrioten“ der extrem rechten Szene hatte es wohl eher nach Saalfeld gezogen. Auch der ehemalige Bundesvorsitzende und amtierende NPD-Abgeordnete im europäischen Parlament, Udo Voigt, konnte als Redner in Erfurt nicht überzeugen. Neben ihm traten der neue Landesvorsitzende Tobias Kammler, der NPD-Landesorganisationsleiter David Köckert und Thorsten Heise als stellvertretender Landesvorsitzende ans Mikrofon. Für die Musik vor und nach dem Aufmarsch sorgte das extrem rechte Duo „/A3stus/“ um Patrick Killat. Mehrere Hundert Nazigegner begleiteten den Aufmarsch mit lautstarken Protesten. Überschattet wurde der Protest von einem Angriff von etwa 40 Neonazis auf die DGB-Kundgebung zum ersten Mai im nahe gelegenen Weimar. Sie stürmten die Bühne, attackierten u.a. den Bürgermeister und einen Bundestagsabgeordneten und verletzten drei Personen. Die Polizei ermittelte bislang 27 Neonazis aus Sachsen, Brandenburg, Hessen und Thüringen als Tatverdächtige. Nach ihrer vorläufigen Festnahme befinden sich die 22 Männer und fünf Frauen zwischen 18 bis 35 Jahren wieder auf freiem Fuß.