Haha! Na, denn mal los: Also, vorhin in der Straßenbahn weg von einem kurzzeitigen Gelegenheitsjob dachte der Autor dieser Zeilen kurz daran, wie um Himmels Willen er bloß die angekündigte Rezension über "Gebrauchsanweisung für das Ruhrgebiet" von P.E. Hillenbach für einseitig.info schreiben soll. (Und jetzt gerade – also beim Schreiben – fällt ihm auch dieses Magazin namens Business Punk ein.)
Jedenfalls fiel auf, dass a) natürlich alle stumm und einzeln sitzen, b) die mittlerweile ja anscheinend gewerkschaftlich legitimierte Pause an Endhaltestellen immer noch zu schimpfenden und frierenden Gästen führt und c) hier im Ruhrgebiet mehr denn je die Grenzen verschwimmen zwischen ä) emporgekommenen Asis, die sich für Punks im Geiste halten, ö) irgendwie postfaschistisch-neonationalsozial aufgewachsenem Kampfproletariat mit irgendwelchen (ggf. uralten) Popkulturmacken und ü) ganz normalen Ureinwohnern und denen nacheifernde, die im Zweifel immer die Tradition von Stumpfsinn, Gewalt und/oder einfach "jeder ist sich selbst der Nächste, aber feste" hochhalten. Dieser Drift muss mit irgendwelchen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun haben, man könnte aber auch einfach behaupten das war hier schon immer so, aber genau jetzt erst ist man Zeitgeist, Metropole, befreit von altem Solidaritätsschmock, usw. Und jetzt noch mehr (Business) Punk mit: Jim Avignon, Georg Kreisler, Morrissey.
Letztens sprach ich in Leipzig mit einem rührigen Plattenhändler darüber, ob man die CD-Umsonstbeilage des Albums einer Band in einem Magazin noch als Affront gegen große Plattenkonzerne verstehen könnte. Wir einigten uns auf ein "vielleicht, aber im Grunde gerne". Das geht natürlich auf diesen berühmten "Independent"-Geist zurück, der einer der Impulse war, die Punk (via DIY) in den Mainstream setzte. Mittlerweile hat jede Ich-AG ihre eigene Werbeabteilung (im Kopf), muss sich als Popstar verkaufen und demnächst vielleicht auch noch auf Facebook das Hartz-IV-Widget einbauen. Das hat man dann von "I will not be treated as property"? In der Kunstwelt ist es etwas leichter mit dem äh Warencharakter der Menschen, man muss zwar auch ab und an mal seine Privatheit an der Garderobe der Medienwelt abgeben, hat aber ggf. schöne Unikate zum Verkauf, wie es auch Jim Avignon gerne pflegt, und kann diese dann z.B. in Düsseldorf ausstellen und ein Konzert (als Neoangin – s. Foto) geben, bei dem man wieder wie eine niedliche Ausgabe von Mark E. Smith klingt. (Punky Zugabe: Das Konzert war schon. Harhar.)
Wer zu spät kommt, den belohnt der Mainstream. Morrissey war schon ganz früh dabei (oh, schon wieder Manchester Thema in diesem Text! ts), nicht nur als Chef des New York Dolls Fanclubs oder so, kam dann zur Unzeit mit The Smiths und einer erstaunlichen Punk-Variante haha heraus hihi, und kann sich sicher rühmen, damals schon viel Stahl weichgeklopft zu haben. Manche haben sich identifiziert, andere mitgelitten, der Sänger wurde zur Diva, machte Solokarriere, wiederholte sich und hatte dann ein Comeback, das der Autor dieser Zeilen immer etwas unplausibel fand, aber "That’s How People Grow Up" passt gerade ganz schön zum Intro dieses Textes, so what?! Wie verstehen Sie dieses Lied eigentlich? So wie et jerade passt? Naja, und wie in Deutschland halt oft, weiß man gar nicht ob man die 90% Fans besser finden soll, die den Typen gar nicht verstehen oder tatsächlich die 10%, die ihn immer noch verstehen und hinrennen, z.B. ins Stahlwerk hoffentlich, denn Philipshalle is nich.
Und damit zur alten Frage, ob Misanthropen gerne Künstler werden oder Künstler irgendwann Misanthropen. Oder ist Georg Kreisler gar keiner? Nun, wohl nicht. Aber wir erinnern uns: Es gibt kein richtiges Leben im Falschen, die Sozialdemokraten werden uns immer verraten, die "Linke" auch, aber man merkts hier und jetzt nicht so dolle, und der Rest eh. Desweiteren hat es ein Mensch auf der Suche nach dem Wahren, Schönen und Guten nahezu unmöglich, dabei nicht enttäuscht zu werden (s.o.), und muss sich immer neue Grausamkeiten von Politikern, Wirtschaftsbossen, Erfindern und Co reindrücken lassen, die ihn immer wieder mit der Nase draufstoßen, dass er oder sie eben kein total wichtiger Erfinder, Politiker, Wirtschaftsboss oder Co ist, sondern … naja, Fußvolk, Konsument, vielleicht "Kreativer", "Künstler" oder "Journalist". Und so greift mensch dann zur Feder, zum Keyboard, zum Klavier und schlägt zurück, am besten natürlich nach oben, aber auch dahin wo jemand noch etwas merken könnte. Georg Kreisler liest aus seiner Autobiografie "Letzte Lieder".
Die Ausstellung "Homeless Bone von Jim Avignon" noch bis zum 12. Dezember.
Morrissey am Donnerstag.
Georg Kreisler auch.