Das pfingstliche Moers Festival wird eines der leisen Töne sein, zum zweiten Mal findet es in einer aufwendig umgebauten Tennishalle statt.
Vorbei sind die Zeiten der improvisierten Sessions mit Katzenmusik bis zum Morgengrauen im Freizeitpark der kleinsten Großstadt Deutschlands. Vorbei sind die Zeiten der Jugend der Welt und des Niederrheines, die jahrzehntelang nur um ihrer Ausschweifungen willen vor Ort gingen – ohne für den Eintritt in das seinerzeit grösste Festivalzelt Europas zu zahlen.
Forever Punk? Nein Danke! Der aktuelle Jazzfan leistet sich höchstens einen ergrauten Pferdeschwanz, er kann prototypisch als Öko aus Freiburg-Vauban beschrieben werden.
Der prototypische Jazzaficinado improvisiert nicht gern. Er rechnet scharf, und er rechnet mit Berechenbarkeit, Sicherheit und Sitzplatzkonzerten. In Sachen Infrastruktur kriegt er genau das in Moers geboten:
Den bewachten Campingplatz umhegen Zäune. Und die neue Halle hat eine unverschämt gute Akustik. Für jeden ist ein Sitzplatz garantiert. Im letzten Jahr, im ersten Jahr der neuen Halle, liess so mancher als Platzhalter für sich auf seinem Hallenstuhl ein Handtuch zurück. Wie ein anständiger Deutscher auf der Sonnenliege am Hotelpool auf Malle.
Ist diese Konsolidierung der Beginn der Rollatorphase des Moers Festivals? Fährt das Festival in ruhigen Bahnen gesichert in die Zukunft? Das wird sich zeigen.
Die neue Halle markiert den drastischsten Settingumbruch in der 44jährigen Geschichte des Festivals, und sie war viel teurer als geplant: Mehr als 300 000 Euro Mehrkosten wurden durch Zuschüsse von Bund und Land – jeweils 99 000 Euro – aufgefangen, 2014 schloss der Traditionsevent mit einem Minus von 50 000 Euro ab. In der Folge wurde das diesjährige Programm zusammengestrichen, vor allem Gratisveranstaltungen wurden radiert.
Zehn Jahre macht der kölner künstlerische Leiter Reiner Michalke jetzt das Programm, er hat mit seinem kölschen Klüngel für Professionalität im Ablauf und Standing bei den Staatsknete-Vergabeinstanzen gesorgt.
Zu diesem Pfingstfest scheint eine Dialektik von Hallenspielstätte und Künstlern durchgeschliffen: Kann sein, es fehlt der Wumms und das Crescendo, es brötzt nicht viel.
Ein Oudspieler (Ziad Rajab) kommt zum Tragen. Eine texanische Gospelband (The Jones Family Singers) wird vom Hocker reissen. Was sicher auch für das Trio um den Trompeter Peter Evans (Pulverize the Sound) gelten dürfte.
Jedoch dominieren die leisen Töne, etwa als Schwerpunkt in der Nacht auf den Pfingstmontag. Drei Elektocombos offerieren bis zum Sonnenaufgang Programmmusik und handeln über das Thema ‚Identität‘.
Und dann ist da noch Colin Stetson, der mit wechselnden Formationen vier Konzerte geben wird: Der Saxophonist interpretiert Górecki, er tritt als Solist auf, im Duo mit der Geigerin Sarah Neufeld und im Trio.
Ältester Moersstar dürfte der Wiener Komponist Michael Mantler sein, er spielt seine alten Stücke von 1968 mit einer Bigband neu ein.
Das wird die Jazzfans aus Vauban freuen.
Moers Festival, Festivalhalle Moers, 22. bis 25. Mai 2015. Ticket: 120 Euro, ermässigt 50 Euro.