50. Moers Festival: Was gährt?

New Jazz Festival Moers 1978 Foto: Nomo Lizenz: CC BY-SA 3.0

Eine  Baustelle!  Gibt es ein sinnfälligeres Symbol für ein Festival der improvisierenden Musik, als es dieser Tage dem Moers Festival zugemutet wird zu dessen 50. Geburtstag? Die Halle wird renoviert, weil keiner mit der Austragung des Jubiläumsfestivals gerechnet hatte? Im weitesten Sinn scheinen die Bau-Zäune, rotweiß im Wind flatternden Absperrbänder, Kreidekreise  und der hohe gelbe Kran auch einen historischen Moment zu markieren, nämlich den der – coronabedingt beschleunigten – Verschränkung von analogen und digitalen Klängwelten. Oder den Augenblick eines Neubeginns im radikalen Geist des Ursprung, gesehen aus einer Zukunft fünfzig Jahre weiter? Bei dem Konzert des David Murray-Trios im Freizeitpark fühlte er sich zurückversetzt an so manches verregnete Pfingstwochenende,  so Frank Schemmann, der „Hofphotograph“ der illustren Musikerschar, die ihm durch zweieinhalb  Jahrzehnte die Ehre gab. Aber weit mehr als die viel zitierte urige Schlammschlacht im Schlosshof  scheinen der Geist des trotzigen Widerstands und Improvisationstalent den Festivalleiter  Tim Isfort und sein mutiges Team zu beseelen.

Zum Auftakt schallte das archaisch anmutende Prozessionsstampfen mit Melodiefragmenten von La Tène durch den Freizeitpark ohne den künstlichen Hall digitaler Räume, sondern getragen vom schwankenden Wind zwischen Bühne, Bäumen und Zuhörern. Befremdlich die Palettenmöbel in gebührlichem Abstand zu den Musizierenden und zueinander. Von weitem lüftete einer der Musiker am Ende seinen Hut, weil der Applaus zu fern?

Drinnen in der dunklen Halle laufen Video-Projektionen über die Bühne und sorgen für die gerade allenthalben angesagte Streaming-Ästhetik von Aquarien, in der etwa der  Münsteraner Chor Seicento, der sich auf Chormusik des 17. Jahrhunderts spezialisiert hat und der Berliner Elektronik-Künstler Richard Scott ihre erstaunliche Verschränkung ertasteten und die Contrabassistin Joelle Léandre mit Myra Melford am Klavier und der Stimmakrobatin Lauren Newton ihre Klangabenteuer ausbreiteten.

Fred Frith hatte das Sonntagsprogramm unter freiem Himmel eröffnet. Er kreuzte mit seinem feinen meditativen Gitarren-Klingklang bis hin zum Geschnatter auf dem passagenweise untergründigen, nicht genau benennbaren Klangkontinuum von Emilio Gordoa (Vibraphon) und Hamid Drake (Percussion).

Als alter Bekannter in Geberlaune trat Jamaaladeen Tacuma auf die Freilichtbühne und gab allen Neulingen in einem zitatenreichen Bass-Solo gleich eine pädagogische Vorspeise, der er das Gedicht „The creator has a masterplan“ folgen ließ, das er rezitierte und ansang. Doch seine Botschaft „Do we need love?“ musste er zweimal stellen, ehe ein mattes Klatschen sich vernehmen ließ.

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EinLipper
EinLipper
3 Jahre zuvor

Hm, ich glaube "gären" schreibt man ohne "h".

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