Zwischen 5000 und 6000 Menschen demonstrierten am gestrigen Sonntag in Bochum-Riemke für den Erhalt des Nokia-Standortes. Höhepunkt des Familienprotesttages war ein Ring of Fire, eine Menschenkette rund um das Werk, bei der tausende von Fackeln ein weithin sichtbares Zeichen des Protestes zeigen sollten. Alles war von der Gewerkschaft hervorragend organisiert – im Abstand von wenigen Metern waren mit Wasser gefüllte blaue Mülltonnen aufgestellt, in denen man die Fackeln entsorgen konnte.
Ansonsten waren es eher Randaspekte. die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zum Beispiel welche Grüppchen sich an den Protest des Betroffenen ranhängten, ihn instrumentalisieren, um ihr eigenes, politisches Süppchen zu kochen. Da war zum einen die DKP. Mittlerweile sind deren Mitglieder so sehr in die Jahre gekommen, dass der Kampf gegen wackelnde künstliche Hüftgelenke den gegen den Klassenfeind abgelöst haben dürfte. Selbstbewusst forderte auch die DKP die Verstaatlichung Nokias. Zur DKP ist mir auch wieder eine kleine Anekdote eingefallen: Vor zehn Jahren interviewte ich den damaligen Verfassungsschutzchef von NRW und fragte ihn, ob denn die älteren Damen und Herren der DKP immer noch überwacht werden. Eine Gefahr würde von ihnen ja kaum noch ausgehen. Der Mann gab mir, was die Gefahr betraf, recht, zeiget jedoch soziale Verantwortung: „Nicht nur die DKP besteht aus vornehmlich älteren Menschen, auch unsere Quellen in der DKP sind schon etwas betagt. Man kann doch jetzt nach zum Teil 30 Jahren nicht hingehen und denen sagen „Danke, das war es, wir brauchen Euch nicht mehr“. Also lassen wir die DKP immer noch von unseren alten freien Mitarbeitern beobachten.“ Ach, war es nicht nett in NRW unter Johannes Rau?
Zu den klassischen Protesttrittbrettfahrern gehört auch die MLPD. Zielsicher haben die Schwaben einst das Ruhrgebiet als den Ort lokalisiert, an dem in Deutschland die Revolution ausbrechen wird – und sich in Gelsenkirchen Horst nieder gelassen. Dort haben sie ein kleines K-Gruppen Imperium aufgebaut. Auch ihre Forderung – 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich – wurde nur von wenigen Nokia-Mitarbeitern als ernsthafter Lösungsansatz ihrer Probleme gesehen. Im Fahnenschwenken sind die Jünger zwei Massenmörder – Stalin und Mao – jedoch recht eifrig.
Mehr als ein „hat sich bemüht“ kann man indes der KPD/ML nicht ausstellen. Ein kleines Häuflein stand in der Nähe des Nokia-Haupteingangs und intonierte mit brüchig gewordenen Stimmen den „Roten Wedding“ von Ernst Busch und ergaben sich in Revolutionsromantik.
Selbstbewusster traten da die Mitglieder der Linkspartei auf. Neidisch bemerkte manch Sozialdemokrat die große Menge der angereisten Lafontaine- und Gysi-Anhänger: Jung gebliebene 50plusser mit großem Selbstbewusstsein. Noch vor ein paar Jahren waren viele von Ihnen noch selbst Mitglieder kleinster marxistischer Religionsgemeinschaften – nun sonnen sie sich im späten Erfolg. Manch einer mag der autoritären Linken diesen Erfolg gönnen, mir erscheint er wie ein Nachhall der 50er Jahre. Wieso thematisiert niemand die hohen Lohnnebenkosten, die hohen Steuern und Abgaben, die in Deutschland der größte Job-Killer sind. Viele der Politiker, die sich tränenreich für Nokia engagieren haben in den vergangenen Jahren alles getan, dem Standort die Wettbewerbsfähigkeit zu rauben. Statt Traditionsparolen wäre das ein echter Ansatz der Kritik und der Diskussion.