Anfang 2011 haben die Stadtwerke von sechs Ruhrgebietskommunen die Mehrheit am Energieversorger Steag übernommen. Ein wirtschaftliches Abenteuer, das ihnen teuer zu stehen kommen könnte.
Anfang Dezember 2010. Im Ruhrgebiet fiel der erste Schnee eines langen und kalten Winters, als die Vertreter der Stadtwerke Bochum, Duisburg, Dinslaken, Essen, Oberhausen und Dortmund sich in einem Hintergrundgespräch zum damals kurz bevorstehenden Kauf der Mehrheit des Energieversorgers Steag äußerten: Die Kredite seien so niedrig, dass die Rendite der Steag höher sei als die Zinskosten. Und auch sonst sei der Kauf der Steag ein weitgehend risikoloses Geschäft. Man plane ja nicht weit in die Zukunft, die Energiemärkte seien im Umbruch aber die kommenden 20 Jahre könne man überschauen.
Knapp drei Monate nach diesem Vertrauensbeweis in die eigenen hellseherischen Fähigkeiten kam es zum GAU des japanischen Reaktors in Fukushima, beschloss die Bundesregierung die Energiewende, steigt nun aus der Kernenergie aus und will die Erneuerbare Energie stark ausbauen – auch auf Kosten der Kohlekraftwerke.
Aus der angeblich sicheren Investition in die Steag ist ein Risiko für die Stadtwerke und die Haushalte der Städte geworden. Schon bald wird sich zeigen, ob die 650 Millionen Euro, welche die sich am Rand der Insolvenz bewegenden Ruhrgebietsstädte für ihren 51 Prozent Anteil an der Steag zum größten Teil über Kredite finanziert haben, wirklich eine so gute Ausgabe waren.
Eine Studie des Gelsenkirchener Wirtschaftswissenschaftlers Professor Heinz-J. Bontrup im Auftrage der Rosa-Luxemburg-Stiftung listet die Risiken des Steag-Kaufs auf: Der veraltete Kraftwerkspark der Steag erfordert hohe Investitionen, garantierte hohe Ausschüttungen an die Besitzer, die Stadtwerke und Evonik, führen zur Aufzehrung der Rücklagen. Bontrup hat in seinem Gutachten errechnet, dass die Steag im Jahr 2011 bei einem Gewinn von 4,9 Millionen Euro über 109 Millionen an Dividende an ihre Besitzer abführte. Auch verspätete Fertigstellung des Kraftwerks Walsum 10 könnte für die Steag teuer werden.
Das Kraftwerk wird, entgegen der Prognosen der Steag im Geschäftsbericht 2011, wahrscheinlich nicht mehr 2013 ans Netz gehen und damit auch keinen Strom liefern können.
Zudem wird die Steag wird ab dem kommenden Jahr nicht mehr an RWE liefern können – der Energiekonzern, langjähriger Abnehmer des Steag-Stroms hat bereits 2011 alle Verträge gekündigt. Auf Anfrage dieser Zeitung teilt die Steag mit, man habe den Wegfall fast vollständig aufgefangen und liefere jetzt den Strom auch an Handelshäuser, Banken und Industrieunternehmen. Unklar ist, wie sehr sich das Geschäft für die Steag noch lohnen wird, wenn ab 2013 Co2-Zertifakte ersteigert werden müssen. Steigt durch die Preise der Zertifikate der Preis für die Tonne Co2, die ein Kraftwerkwerk für die Erzeugung von Energie benötigt, muss der Betreiber diese Kosten entweder an den Kunden weitergeben oder aber damit leben, dass sein Gewinn geringer ausfällt. Für ein Unternehmen wie die Steag mit vielen alten Kraftwerken, die einen hohen Co2 Ausstoß haben. ein hohes wirtschaftliches Risiko.
Klaus Franz ist Vorsitzender der CDU-Fraktion im Bochumer Rat. Die Bochumer Christdemokraten und die Dortmunder Grünen gehörten im Winter 2010 zu den wenigen Fraktionen in den Revierstädten, die gegen den Kauf der Steag-Anteile durch die Stadtwerke stimmten: „Wir haben leider Recht behalten. Die Steag hat sich zu einem großen wirtschaftlichen Risiko für die Stadtwerke und die Kommunen entwickelt.“ Wie groß dieses Risiko ist, wollte die Union von der Stadt Bochum erfahren und beantragte im Sommer im Rat einen Statusbericht über die wirtschaftlichen Perspektiven und Risiken der Stadtwerke. Die in Bochum regierende Koalition von SPD und Grünen lehnte einen solchen Bericht ab. „Man hat den Eindruck“, sagt Franz, „dass die gar nicht wissen wollen was auf sie zukommt.“
Manuel Frondel, Energieexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes RWI-Essen, schätzt die Risiken für die Betreiber von Kohlekraftwerken wie der Steag hoch ein: „Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien kommt es unweigerlich dazu, dass die Strompreise an den Energiebörsen sinken werden. Davon spürt zwar der Endkunde nichts, weil er die Subventionen für Wind- und Sonnenenergie zahlen muss, aber es lohnt sich zunehmend weniger Strom aus Steinkohle herzustellen.“
Diese Entwicklung sei schon vor zwei Jahren absehbar gewesen: „Damals waren die Aussichten für die Steag schon wegen des Emissionshandels schlecht. Steigende Preise für Co2 Zertifikate können Kohlekraftwerke unrentierlich werden lassen. Durch den Ausbau der Erneuerbaren dürfte sich die Situation für Unternehmen wie die Steag noch mehr verschlechtern.“
Die Steag muss bei sinkenden Erlösen und hohen Garantiegewinnen an ihre Besitzer ihre Investitionen in die lukrativen Erneuerbaren Energien massiv erhöhen. Dafür hat sie in Zukunft immer weniger Geld zur Verfügung. Die Städte können auf Zahlungen der Steag nicht zugunsten von Investitionen verzichten – sie müssen die Kredite abzahlen, die sie für den Kauf der Steag aufgenommen haben. Die wirtschaftlichen Aussichten Steag werden damit immer schlechter. Die Städte sind ein zu armer Besitzer, um das Unternehmen mit eigenem Geld fit zu machen. Und die wegbrechenden Gewinne ihrer Stadtwerke verschlechtern ihre Situation weiter. Sie sind auf die Gewinne ihrer Stadtwerke angewiesen, die auch zusehends unter der Energiewende leiden. Allein in Duisburg rechnen die Stadtwerke mit einem Gewinnrückgang um 30 Millionen Euro. Das Ruhrgebiet und seine Städte, deren Politiker sich traditionell auch gerne in der Rolle der Konzernlenker sehen, haben gute Chancen zu den Verlierern der Energiewende gehören. Ihre Kohlekraftwerke sind kaum noch wettbewerbsfähig, Geld für die Investitionen in Erneuerbare Energien fehlt.
Dieser Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag.
So schlecht wie zur Zeit die Energiewende umgesetzt wird, könnte es sein, dass der Kohlestrom doch noch ein paar Jahre so wichtig bleibt, ja noch wichtiger wird, dass die Steag und ihre kommunalen Besitzer noch einmal mit einem blauen Auge davon kommen.
Würde allerdings nur eines oder zwei der französischen Atomkraftwerke ausfallen, was auf Grunde der Stresstestergebnisse ohne weiteres möglich ist, gäbe es einen neuen Absatzmarkt für die Steag, der ihr vielleicht erlaubt, auch noch die notwendigen Investitionen für den eigenen Umbau aus den dadurch sich ergebenden zusätzlichen Gewinnen zu finanzieren.
Aber grundsätzlich hast du mit deinen Warnungen Recht behalten, Stefan. Die Ruhr-Kommunen sind einfach selbst zu sehr pleite, als dass sie aus der von dir beschriebenen ökonomischen Falle heraus kommen könnten.
Damit die Städte die Kredite für den Kauf der Steag bedienen können, dürfte die Steag beständig zu hohe Summen ausschütten. Anscheinend verdient die Steag das Geld dafür gar nicht. Also dürfte Steag sämtliche Investitionen streichen, und ihre Kraftwerke kaputt sparen. Dürfte ein Tod auf Raten werden.
Wie läuft denn das Kerngeschäft der STEAG, also der Kraftwerksbetrieb und der Kraftswerkbau – ich meine jetzt nicht die drei Auslandskraftwerke, sondern die, die man für andere baut und betreibt?