Aberglauben ist heute präsenter denn je

Demonstration von und Verschwörungsgläubigen und Rechtsextremen unter dem Motto „Tag der Freiheit – Das Ende der Pandemie“ gegen die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus, gegen die bei der Demonstration demonstrativ verstoßen wurde, was zur formalen Auflösung der Demonstration und anschließenden Kundgebung führte am 1. August 2020 in Berlin. Foto: Leonhard Lenz Lizenz: CC0

Heute, nach der Aufklärung, dem Sieg über den Nationalsozialismus und der Zeit des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der die Menschen zu einem Großteil aus Not und Elend befreit und in großen Teilen der Welt für massenhaften Wohlstand gesorgt hat, kommt auf einmal wieder der Aberglauben aus seinem Loch gekrochen, in dem er – so hatte ich gedacht – auf ewig und immer verbannt war. Natürlich war er nie wirklich verschwunden, musste ich irgendwann feststellen, aber eben doch so eingedämmt, dass er nur noch wenig Schaden anrichten könne, dachte ich. Von unserem Gastautor Thomas Hafke.

Doch da habe ich mich wohl auch geirrt. Zu viele Menschen glauben nach wie vor an die irrsten Erzählungen, heutzutage Fake News genannt. Nicht unähnlich dem, was wir aus dem Mittelalter und noch aus der Neuzeit kennen. Einer Zeit in der man an Verschwörungen von Hexen und Zauberern und die Armee der Finsternis glaubte. Als Beispiel seien hier die verrückten Tänze genannt, die die Coronaleugner heutzutage auf ihren wahnhaften Demonstrationen aufführen, die an die Veitstänze während der Pestzeit erinnern.

Angefangen bei den Urbanen Legenden, wie der Freund einer Freundin hat mir erzählt, dass er eine Vogelspinne in der Yucca Palme aus dem Supermarkt gefunden hat, bis zu den Verschwörungsglauben, dass Kinder im Keller einer New Yorker Pizzeria gefangen gehalten werden, um aus ihnen ein Lebenselixier für Prominente und Politiker zu gewinnen. Gipfelnd in der Verschwörungstheorie, dass es eine kleine Gruppe von Menschen gibt, die die Welt beherrschen würde und alle Menschen zu ihren Sklaven machen will, in dem sie Migration lenkt, Bevölkerungen austauscht, bewusstseinsverändernde Substanzen aus Flugzeugen versprüht oder Nano-Chips durch Impfungen in die Menschen einbringt, um sie lenken zu können; die Bundesrepublik Deutschland gar nicht existiere, sondern lediglich eine Art Kolonie der Amerikaner sei.

Doch so plötzlich – so denke ich mittlerweile – kann das nicht gelaufen sein, denn es gab Vorläufer. Ich erinnere mich noch gut an die 80er, die Zeit der linken Bürgerinitiativen. So behaupteten die Friedensbewegten, dass die USA einen Krieg gegen die Sowjetunion „auf deutschen Boden“ plane und Deutschland wie eine Besatzungsmacht behandle: Die Deutschen als Opfer und die Amerikaner, die die Nazis besiegt hatten, als Täter. Die Atomkraftgegner behaupteten Atomkraftwerke wären eine Art Bomben, die jederzeit explodieren könnten. Als dann tatsächlich in der sich auflösenden Sowjetunion ein Atomkraftwerk aufgrund der desolaten Verhältnisse havarierte, gingen die verrücktesten Narrative, wie „giftiger Regen“, durch das Land, die darauf hinausliefen, dass wir alle am sogenannten Strahlentod sterben werden. Meine Cousine beispielsweise nahm ihre Kinder und flüchtete nach Nicaragua, in dem Glauben dort vor der tödlichen Strahlung sicher zu sein (sic). Wobei ich mich noch gut daran erinnern kann, wie auf einem Rock gegen Rechts Konzert eine überzeugte junge Kommunistin, Mitglied der SDAJ, einer damaligen Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), mir erzählen wollte, dass die sowjetischen Atomkraftwerke im Gegensatz zu den westlichen sicher wären, weil sie vom Volk kontrolliert würden und nicht von Kapitalisten. Heute kann man in Tschernobyl wieder leben. Es war für die Ukraine, die von Russland als eine Art Hinterhof gesehen wurde, eine humane und nationale Katastrophe. Ich hatte damals die Gelegenheit mitzuhelfen die Kinder von Tschernobyl zur Erholung in norddeutschen Familien unterzubringen.

Hinzu kam das „Waldsterben“. Ich kann mich auch noch gut an die Panik erinnern, als die allermeisten glaubten, das Ende der Welt wäre gekommen, da nun alle Bäume auf der Erde sterben würden. Und auch die Landwirtschaft stand am Pranger, da diese nur Chemie einsetzen würde und somit die Umwelt zerstöre. So hatten ein paar Schlaumeier einen Spruch erfunden, der angeblich irgend ein „weiser Häuptling“ der Cree, einem Stamm der sogenannten nordamerikanischen Indianer, geweissagt hätte: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“  Nach dem Untergang der Sowjetunion erholte sich der nur in einigen Teilen Deutschlands angeschlagene Wald allerdings wieder, da die alten verrotteten und angeblich von Arbeiterräten kontrollierten Industrieanlagen zusammenbrachen und keinen sauren Regen mehr verursachen konnten. Auch die Umwelt ging wegen der Landwirtschaft nicht zu Grunde. Im Gegenteil wurde immer mehr Fläche still gelegt und der Natur überlassen, da man mit modernen Anbaumethoden die zu verbrauchende Fläche verkleinern konnte, ohne den Ertrag reduzieren zu müssen.

Ähnlich war es mit der Idee, wir alle würden demnächst ertrinken, weil der Wasserspiegel unermesslich ansteigen würde. Warum konnte damals keiner so genau sagen, aber die Angst davor war real. So gab es ein Cover des Spiegels von 1986, dass den Kölner Dom unter Wasser zeigte. Angeblich hätte das was mit dem Ozonloch zu tun. Wir alle würden quasi von der Sonne gegrillt werden, weil jetzt die tödlichen UV-Strahlen auf die Erdoberfläche vordringen. In der Tat gab es dieses Phänomen über den Polarkappen, dass mit dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffe, welche für Kühlschränke, Haarspray und Fußballtröten verwendet wurden, wieder verschwand, als Wissenschaftler erkannten, dass die FCKWs dafür mit verantwortlich waren.

Dann ging es weiter mit Strommasten, die Krebs verursachen würden und genetisch veränderten Pflanzen, die eine ökologische Katastrophe herbeiführen würden, obwohl sie Abermillionen Menschen vor dem Hunger bewahrten. Und dann gab es noch all die Gegner der modernen Medizin, die alles ablehnten, was nicht aus Kräutern bestand. Pharmaunternehmen, die dafür gesorgt haben, dass Milliarden Menschen von fürchterlichen Krankheiten geheilt und geschützt wurden, wurden an den Pranger gestellt und verurteilt. Auch die Autos kamen auf die Agenda und letztlich alles was industriell gefertigt wurde, wurde zu einer Art Bösem erklärt, dass die Natur und letztlich die Menschen zerstöre. International operierende Unternehmen wurden unter den Begriffen Multis oder Konzerne verteufelt, weil man glaubte, dass diese sich nicht mehr für die Menschen ihrer Ursprungsländer verpflichtet fühlten, also nicht mehr nationalistisch dächten und deshalb Böses im Schilde führen würden.

Die 80er waren auch die Zeit der ersten Personal Computer. Kalifornische Hippies waren bereits in den 70ern auf die Idee gekommen, dass es einen Computer für jeden Menschen auf der Welt geben solle und nicht nur für Großunternehmen und staatliche Einrichtungen. Und so entwickelten sie aus teuren, schrankgroßen Monstermaschinen bezahlbare Kästen, die man bei sich zu Hause auf den Schreibtisch stellen konnte. Auch dieser eigentlich eher links inspirierte Fortschritt, der den Menschen Gleichheit und Autonomie gegenüber Konzernen wie IBM oder der NASA bringen sollte, wurde von grünen Bürgerinitiativen in Deutschland angegriffen und verteufelt, da sie angeblich unser schönes Leben zerstören und in die Abhängigkeit führen würden. Selbst vor Uhren wurde nicht halt gemacht. So erklärte mir ein grüner Lehrer an meiner damaligen Schule, dass diese über unsere Zeit verfügen würden (sic) und abgeschafft gehörten. Selbst die Verschwörungstheorie, dass die Amerikaner gar nicht auf dem Mond gelandet seien, war zu dieser Zeit in linken Milieus gängig. Hauptsache es ging gegen Amerika, dem Hort allen Übels.

Auch die marxistisch orientierte Linke war nie zimperlich, wenn es darum ging Verschwörungstheorien zu verbreiten. Waren in der Regel die korrupten Eliten ehemals kolonisierter Länder verantwortlich dafür, dass es dort keine Demokratie und keinen Rechtsstaat gab und dass die Entwicklungshilfe der Industrienationen im Nirwana versickerte, so wurde weiterhin vom Imperialismus schwadroniert, den es gar nicht mehr gab, der aber Schuld an der Misere der damals sogenannten Dritten Welt sein sollte. Letztlich scheint mir ihre ganze sogenannte Kapitalismuskritik eine einzige Verschwörungstheorie und zwar so groß angelegt, dass man sie als solche gar nicht mehr wahrnimmt. Da wurde Unternehmen gemeinschaftliches Handeln zur Kontrolle der Welt, Gier und Verkommenheit unterstellt, so als wären sie Personen und nicht Produzenten und Marktteilnehmer, die in Konkurrenz mit anderen Unternehmen stehen, die Gewinne erwirtschaften und wieder investieren müssen, damit der Laden weiter läuft. Wobei diese gleichzeitig Millionen von Jobs und damit Wohlstand für viele schufen. Oder es wurde behauptet, dass wir in einer rein kapitalistischen Gesellschaft leben würden und alles staatliche oder auch parteiliche Handeln, damals nur SPD und CDU, dem Zwecke der Ausbeutung und des Profits dienen würde. Polizisten und Gesetze schützten nicht die Menschen, sondern lediglich die Interessen der Kapitalisten und ihrer Stellvertreter, die Politiker. Alle Kriege, bis auf die von der Sowjetunion unterstützten Bürgerkriege in der Dritten Welt, seien nichts weiter als vom Kapital gesteuerte Unternehmungen, um am Ende die Menschen besser ausbeuten zu können. Parlamente nichts anderes als Quasselbuden, wo der sogenannte Lobbyismus, also Konzerne und andere Bösewichter, herrsche oder halt die „Amis“, die in Wirklichkeit das Sagen hätten, insbesondere bei außen- und verteidigungspolitischen Fragen. Wobei es hier ständig und immer nur um Krieg und Kriegsvorbereitung ginge, Stichwort: der militärisch-industrielle Komplex.

Was sich in den 80ern des letzten Jahrhunderts entwickelt hat, schien mir in den 90ern und Anfang 2000 wieder zu verschwinden. Doch dem war wohl nicht so, wie ich annahm. Vermutlich lag das auch daran, dass ich in dieser Zeit mehr mit Fußballfans als mit linken Szenen beschäftigt war. Grade die letzten Jahre jedoch haben mir gezeigt, dass eigentlich alles noch da ist und sogar an Fahrt aufgenommen hat. Neues ist aufgrund gesellschaftlicher und technischer Entwicklung hinzu gekommen und auch neue Verschwörungstheorien wurden erfunden, wobei diese nach immer dem selben Muster gestrickt werden – quasi alter Wein in neuen Schläuchen.

Interessanterweise gab es in den 90ern eine bei Sozialpädagogikstudenten beliebte Verschwörungstheorie nach der Kinder gestohlen und von satanischen Gruppen als Sexsklaven gehalten, geopfert oder gefoltert wurden. Überlebende würden davon eindrucksvoll berichten. In der Tat gab es „Überlebende“. Diese aber waren Opfer von eifrigen Psychologen, die sie in Hypnosesitzungen suggestiv befragten und auf diese Weise falsche Erinnerungen einpflanzten. Einigen dieser Typen wurde später die Approbation entzogen einige wenige mussten in den Knast. Ein wenig Politik dazu mischen und wir haben QAnon.

Heute geht es vor allem um Migration, Klimawandel, Handys oder Pandemie, aber auch wieder um Umweltzerstörung, Kolonialismus bzw. Imperialismus, der Unterdrückung durch westliche Gesellschaften. Und auch die parlamentarische Demokratie und der Westen als solches werden wieder in Gänze in Frage gestellt. Das Ganze nach wie vor wieder mit tolldreisten Erzählungen und Ideen untermauert.

Geschichte Nummer 1 ist die Erderwärmung, komischerweise Klimawandel genannt. Hier sollen wieder die Technik und Industrie schuld sein und mit der von dieser verursachten Klimaerwärmung die Umwelt nun endgültig zerstören. Was saurer Regen, Autos und Atomkraftwerke noch nicht geschafft hätten, wird nun aber komplett erledigt. Kein Strauch, kein Baum, kein Tier wird das überleben. Menschen spielen dabei keine so wichtige Rolle. Sie werden eher als Störenfriede wahrgenommen, die die gute und schöne Natur nur immer kaputt gemacht haben. Mit Ausnahme der „edlen Wilden“, die im Einklang mit der Natur leben würden. Ein beliebtes Buch damals hieß „Der Papalagi“ in dem von einem angeblichen Südseehäuptling erzählt wurde, der die modernen Menschen nicht verstehen würde und deren Leben er als Dekadent betrachtete. Wie sich irgendwann herausstellte, war der Autor ein Nazi.

Statt auf Wissenschaft und Technik zu setzen, die uns ganz sicher weiter helfen werden, wie wir bereits am Ende des letzten Jahrhunderts gesehen haben, wird auf Verzicht gesetzt. Quasi auf Gesellschaftsformen, die als überwunden galten. In der viele Menschen nur wenig haben und deren Leben von Verboten und Zwängen diktiert wurde. Das Ganze erinnert mich ein wenig an die Diktatur durch Savonarola in Florenz im ausgehenden Mittelalter oder an Zwingli in der Schweiz etwas später. Buße und Verzicht waren dort Instrumente, um eine bessere und geläuterte Gesellschaft zu erschaffen. Seltsamerweise spricht die Klimabewegung ständig von Wissenschaft, aber nur wenn es um den Beweis geht, dass Klimawandel existiert, aber nicht wenn es darum geht Wissenschaft tatsächlich anzuwenden.  Wobei die fast CO2freie Atomkraft verdammt wird, statt zu fordern, dass die Dinger nicht abgestellt werden, solange nicht andere Wege realisiert sind, um CO2 im großen Stil zu vermeiden.

Geschichte Nr. 2, die mich an die 80er Jahre erinnert, ist die der Smartphonetechnik mit ihren Sendemasten. Früher waren es die Strommasten. Mit der neuen 5G Technik, so wird jetzt auch behauptet, würde durch Strahlung das Immunsystem zerstört und Krebs erzeugt. Neu ist, dass dies mit Absicht geschehe, um die Bevölkerung zu schwächen, um sie besser beherrschen zu können.

Geschichte Nr. 3 ist die Pandemie, ausgelöst durch das Jagen und Essen von Wildtieren wie Fledermäusen und Schuppentieren in China. Auch hier wird wieder angenommen, es wäre die Natur, die jetzt gegen den Menschen zurückschlägt, nachdem sie vom bösen Wesen Mensch mutwillig drangsaliert wurde und nicht  irgendwelche Dummköpfe aus Wuhan, die Tiere verspeisten, die gefährliche Viren in sich tragen. Ich nehme an, dass es sich dabei eigentlich um eine Hungerküche handelt, Hunger der auch von dem damals noch beliebten Mao ausgelöst wurde, an dem Millionen Menschen verstarben, und die dann tradiert wurde. Aber auch die Amerikaner bekommen mal wieder ihr Fett weg, denn COVID-19 Virus wäre aus einem amerikanischen Labor zur Entwicklung von Chemiewaffen entfleucht, so wie das in den 80ern bereits bei Aids behauptet wurde. Wie wir wissen stammte der Virus ebenfalls von Wildtieren ab und zwar von afrikanischen Affen. Insgesamt betrachtet, erinnert mich die Antipandemiebewegung in vielen an die Bürgerinitiativen der 80er Jahre. Vom Auftreten, von der Art der Organisation, vom Gefühl Opfer zu sein, zum Beispiel von international agierenden Konzernen und natürlich der Politik, inklusive prominenten Bösewichtern wie damals Reagan, dieses Mal Bill Gates, der uns alle chippen, sprich knechten will. Impfen, wie alle moderne Medizin, galt bei vielen Bürgerbewegten damals schon gefährlicher als die Krankheiten und Erreger selbst.

Geschichte Nr. 4 ist die Kolonialismustheorie, die in den 80ern Imperialismuskritik genannt wurde, die aber im neuen Gewand plus Kulturrelativismus wieder aufgelegt wird. Nach wie vor hätten wir kolonialistische Strukturen, mit dessen Hilfe die Menschen vorzugsweise im Nahen Osten und in Afrika vom Westen unterdrückt und letztlich ausgebeutet würden, obwohl der Kolonialismus vor über einem halben Jahrhundert sein zeitliches gesegnet hat. Auf diese Weise werden alle die dort lebenden Menschen zu Opfern erklärt, egal ob sie zur Ober- oder Unterschicht gehören, egal ob sie Unterdrücker oder Unterdrückte sind, es sei lediglich der Westen, allen voran die USA, der die Schuld an der Misere trägt. Und so werden Menschen aus diesem Raum nach wie vor nur als Opfer gesehen, selbst wenn die ihre eigenen Landsleute unterdrücken, verfolgen und töten oder in Europa unschuldige Menschen morden.

Geschichte Nr. 5 ist die Demokratie, die es mal wieder nicht bringen würde und in Wirklichkeit eine Diktatur wäre. Auch hier wurde in den 80ern Kärrnerarbeit geleistet, denn damals wurde die Demokratie als Trick der internationalen Konzerne und Amerikaner beschrieben, heute äußerst sich das im Reichsbürgertum. Auch damals gab es die Mär vom Volk, dass verblendet sei, vom Glitter der Konsumtempel und von Fernsehen und Zeitungen und nicht erkenne, dass es von den amerikanischen Imperialisten sich eigentlich befreien müsse, wie einst Che Guevaras in Kuba.  Natürlich gab es diejenigen, die wussten, was das Volk wirklich denkt – Dutzende kleine Lenins. Heute wird das Parlament auf einer Demonstration, gegen die Hygieneauflagen und den Gesundheitsschutz des Volkes, gestürmt. Einer Fantasie wie ich sie in meiner Jugendzeit des Öfteren anhören durfte. Es gab sicherlich Hunderte, die genau wussten was das Volk eigentlich will, ohne ein Mandat dafür zu besitzen.

Natürlich wird das ganze Elend am Ende auch wieder der Technik zugeschrieben. So wird dem Internet eine Mitschuld für Fake News und Verschwörungstheorien, wenn nicht sogar Schuld, zugeschrieben. Aber wie man sehen kann, war die internetlose Zeit gar nicht so anders und auch die Zeit hat gar nicht so viel verändert wie ich dachte. Der Aberglauben ist heute präsenter denn je.

Thomas Hafke ist Diplom Sozialwissenschaftler und seit über 32 Jahren in der Jugendarbeit tätig. 30 Jahre davon war er im Fan-Projekt Bremen aktiv, wo er mit Jugendlichen Werderfans (Kutten, Hooligans und Ultras) beschäftigt war. Wobei er zwischenzeitlich beim VfB Oldenburg mit Fußballfans und in Delmenhorst mit Skinheads arbeitete. Hinzu kam die Begleitung der Fans der Deutschen Nationalmannschaft ins Ausland. In Oldenburg hatte er das Glück mit Rudi Assauer zusammenarbeiten zu dürfen. Außerdem hat er in dieser Zeit diverse Lehraufträge an der Universität und Hochschule Bremen und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung (Studiengang Polizei) durchgeführt. Heute ist er in der Jugendwohngruppenarbeit tätig, wo er mit Risikojugendlichen betraut ist. Sein Gebiet ist die Jungenarbeit.

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FrankN.Stein
FrankN.Stein
3 Jahre zuvor

"Nach dem Untergang der Sowjetunion erholte sich der nur in einigen Teilen Deutschlands angeschlagene Wald allerdings wieder, da die alten verrotteten und angeblich von Arbeiterräten kontrollierten Industrieanlagen zusammenbrachen und keinen sauren Regen mehr verursachen konnten. "
Ist nicht Ihr Ernst, eine reale, durch politische Entwicklungen abgewendete Bedrohung der Umwelt als Beleg für Aberglaube anführen zu wollen, oder?
Und Ihre Antwort auf den Klimawandel ist dementsprechend – Irgendjemand wird schon irgendwann irgendwas erfinden. Alles nicht so schlimm. Alles Panikmache.

paule t.
paule t.
3 Jahre zuvor

Aha. Also irgendwie hat alles, was jetzt irgendwie verschwörungstheoretischer Unsinn ist, seine Vorläufer bei Links-Grünen in den 80ern, quasi alles dasselbe. Und irgendwie sind die dreiunddrölfzig Themen, die hier munter durcheinandergeworfen werden, alle nur "Geschichten", und deswegen muss man sie auch nicht weiter diskutieren: Eh nur Quatsch, der erzählt wird.

Meint der Autor das ernst, dass das zB auch beim Klimawandel (was ist das Problem an dem Wort?) der Fall sei? Er schreibt es jedenfalls so, denn auch der sei ja nur (?) eine Geschichte, eine "tolldreiste Erzählung", und an ihm "sollen" Technik und Industrie schuld sein – eine Ausdrucksweise, die normalerweise massive Zweifel ausdrückt: Technik und Industrie sind also nach Meinung des Autors nicht verantwortlich für den Klimawandel? Wie hat sich denn dann der CO2-Gehalt der Atmosphäre erhöht?

Dazu ein gehöriger Schuss Strohmann-Argumentation: "Kein Strauch, kein Baum, kein Tier wird das überleben. Menschen spielen dabei keine so wichtige Rolle." – Ernsthaft? Wer soll so etwas denn bitte vertreten, außer irgendwelchen Links-Grünen Schreckgespenstern in der Fantasie von Anti-Links-Grünen? Natürlich werden weiterhin Tiere und Pflanzen in einer stark veränderten Umwelt leben (auch wenn viele Arten aussterben dürften), und natürlich ist der wesentliche Punkt bei den Warnungen vor dem Klimawandel, dass er die _Menschen_ vor ganz erhebliche Probleme stellen wird. Wer sagt denn bitte anderes?

Dazu dann noch reichlich Präventionsparadox (um ein dieses Jahr neu gelerntes Wort auf anderem Gebiet anzuwenden): Ja, es gab Warnungen vor einem Ozonloch. Ja, es gab Warnungen vor einem Waldsterben. Beides ist nicht mehr so aktuell – im einen Fall, weil das Ozonloch sich langsam schließt, im anderen, weil der Wald zwar auch heute in einem schlechten Zustand ist, aber aus anderen Gründen. Warum ist das so – hat das Ozonloch sich selber eine Diät verordnet und der Wald sich einfach mal zusammengerissen? Oder waren beide Probleme pure Einbildung? Nein: Man hat etwas dagegen _unternommen_. Schon mal was vom Montreal-Abkommen gehört oder der TA Luft oder Abgasnormen oder Katalysatoren oder …?

Klar, nicht alle damaligen Befürchtungen waren richtig. Manche waren auch übertrieben oder beruhten auf falschen Einschätzungen oder unlogischer Bewertung, und manche waren auch tatsächlich Verschwörungserzählungen. Ein paar Jahrzehnte später ist man halt schlauer.

Ich kann nicht auf alle angeschnittenen Themen eingehen, denn jedes davon verdient eine differenzierte Betrachtung, mit jeweils natürlich unterschiedlicher Bewertung. Alles durcheinander zu rühren und den einen Einheits-Aufkleber "Aberglaube" daraufzupappen, ist natürlich einfacher.

So einfach, wie abergläubische Erzählungen, die für alles eine Einheitserklärung finden, halt sind.

DAVBUB
DAVBUB
3 Jahre zuvor

In der Aufzählung fehlen leider: Weizen, Glutamat, Kuhmilch, Kohlensäure (hat mir ein "Ernährungsberater" erklärt) amazon und das Böse an und für sich:
WEIßER ZUCKER!

Harry
Harry
3 Jahre zuvor

Aberglauben ist "falscher Glauben". Was wird dem entgegengesetzt? Richtiger Glauben?
In dem Artikel werden viele Eindrücke zusammengerührt, an die sich der Autor zu erinnern glaubt. Mir ist aber ganz neu, dass die Mondlandelüge in der Linken virulent gewesen sein soll.
Und das Waldsterben hat auch nicht aufgehört durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten. Es ist vielleicht in den 80er Jahren zu pessimistisch abgeschätzt worden. Staatliche Umweltschutzmaßnahmen haben vielleicht auch gewirkt. Aber ohne Umweltschutzaktivitäten hätte sich da nichts getan, und vielleicht wäre der Schwarzwald jetzt wirklich kahl.
Einige von den im Text dem Aberglauben zugeordnete Befürchtungen sind eventuell nicht eingetreten, weil sich etwas an den Gesetzen in Richtung Umweltschutz geändert hat.
Dass die Atomkraftwerke in die Luft fliegen könnten, ist kein Ausdrück von "Aberglauben" (siehe das sogar im Text erwähnte Tschernobyl), sondern eine wahrscheinlich übertrieben dargestellte Gefahr der Atomkraft. Aber die Atomkraft als die Lösung gegen die Erderwärmung zu präsentieren ist wirklich Aberglauben. Klar, im direkten Umfeld des AKW wird kein CO2 emittiert, aber der Uran-Abbau ist auch nicht ohne – und endlich. Und nach mehr als 60 Jahren Atomkraftnutzung weiß man noch immer nicht, wohin mit dem Atommüll. Wo soll es ein Endlager geben? Atomkraftbefürworter denken ja, man könne den Atommüll begraben, und "fettig iss". Soviel ich weiß, geht es bei der Endlagerung um 1000e von Jahren. Die Behälter, in denen sich der Müll befindet, halten vielleicht einige Jahrhunderte, was ich persönlich aber nicht glaube. Und die Höhlen, in denen der Müll gelagert wird, wie lange halten die? Gibt es eine Gegend auf der Erde, wo es keine Plattentektonik gibt?

ccarlton
ccarlton
3 Jahre zuvor

Das sollte niemanden überraschen. Die größte Gruppe sind Wähler der Grünen(21%), die zweitgrößte, die der Linken(17%).

Michael
Michael
3 Jahre zuvor

@ paule t.

hab den Artikel nur überflogen: wie schafft man es, den komplett zu lesen? Macht man dabei Yoga-Übungen zur Entspannung? Ich denke, ich sollte die Ruhrbarone mal die Ruhrbarone sein lassen: Rechte Textbausteine werden vom Lesen nicht besser. Vom Kommentieren auch nicht.

ke
ke
3 Jahre zuvor

Aberglauben?
Wo sind wir gelandet, wenn selbst Minister Gesetzbücher nicht durchnummerieren? Da braucht man sich nicht wundern, dass Schwurbler und gefühlte Wahrheiten gegen die Aufklärung aktuell Teilsiege erzielen.

"Keine „Unglückszahl“ 13 bei neuem Sozialgesetzbuch
Sozialminister Hubertus Heil vermeidet bei dem neuen Sozialgesetzbuch die Nummer 13. Er will damit Rücksicht auf Opfer von Gewalttaten nehmen."

https://www.pro-medienmagazin.de/politik/2019/01/11/keine-unglueckszahl-13-bei-neuem-sozialgesetzbuch/

Kein Wunder, dass wir es nicht mehr schaffen, einfachste staatliche Aufgaben zu organisieren, die Pragmatismus etc. erfordern.

Christof Bieker
Christof Bieker
3 Jahre zuvor

Religionen komment vom Menschen,Aberglaube auch,Glaube ist nicht noetig!

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[…] hatte vor knapp zwei Jahren bei den Ruhrbaronen einen Artikel über die Querdenker veröffentlicht, mit dem Titel:„Aberglauben ist heute präsenter denn je“. Dabei ging es mir um die Wiederkehr […]

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