Es war zunächst nur eine kuriose, kleine Randgeschichte des letzten Bundesligaspieltages: In den letzten Spielminuten der Begegnung Darmstadt 98 gegen Bayer 04 Leverkusen kassierten gleich etliche Darmstädter Kicker noch eine ‚Gelbe Karte‘, welche nun bei jedem einzelnen von Ihnen eine ‚Gelb-Sperre‘ wegen der 5. Bzw. 10 Karte in der laufenden Spielzeit nach sie ziehen wird. Durchaus kurios!
Und, ob Zufall, oder nicht, jeder einzelne von Ihnen wird’s nun ausgerechnet gegen den schier übermächtigen FC Bayern München am nächsten Wochenende fehlen, in der Woche danach, wenn es für die Hessen wieder um wichtige Punkte gegen direkte Mitkonkurrenten im Abstiegskampf geht, stehen dann aber alle fünf (nach abgesessener Sperre) wieder zur Verfügung.
Der üble Verdacht: Gibt Darmstadt die Punkte gegen den Rekordmeister im Vorfeld so bereits quasi freiwillig verloren, nur um die wichtigen Stammkräfte dann danach alle wieder zu Verfügung zu haben, wenn die Chance auf Punktgewinne vermeintlich günstiger stehen?
Dass sich gleich vier Darmstädter die fünfte Gelbe Karte ab (Gondorf, Sulu, Heller, Rausch) und einer sogar die zehnte (Niemeyer) Karte in einem Spiel abholten ist ja alleine schon ungewöhnlich genug, dass die nächste Aufgabe der ‚Lilien‘ dann aber ausgerechnet der souveräne Tabellenführer ist, hat in den letzten Stunden gleich etliche Debatten über vermeintliche Unfairness im Netz angefacht.
Natürlich ist das Ganze so aktuell nur eine reine Mutmaßung, und doch befeuert es eine neue, grundsätzliche Debatte über fehlende Fairness in der Bundesliga in ungeahntem Ausmaß.
Darmstadt-Coach Dirk Schuster bestärkte diese Gedanken bei vielen Fußballfans wohl höchstselbst noch zusätzlich mit einem entspannt verschmitzten Lächeln, als er angesprochen auf diese Kuriosität, kurz nach der Niederlage gegen Leverkusen lächelnd kommentierte, dass man vermutlich auch mit diesen Stammkräften im Kader nicht allzu hoch gegen den Rekordmeister in München hätte gewinnen können.
Stellt sich natürlich, auch einmal losgelöst vom ‚Fall‘ Darmstadt 98, nun ganz grundsätzlich die Frage, ob man sich wirklich arg unfair verhält, wenn man sich absichtlich eine Sperre ‚abholt‘, um einem Spiel so freiwillig aus dem Wege zu gehen, das eigene Team also hier absichtlich schwächt, die Punkte quasi absichtlich abschenkt. Ist das so dann am Ende Wettbewerbsverzerrung?
Ich meine, natürlich grundsätzlich schon. Allerdings scheint es mir so, dass wenn es denn hier tatsächlich überhaupt mit Absicht durchgeführt worden wäre, was sich vermutlich niemals wird beweisen lassen, keine besonders unfaire Aktion zu sein.
Natürlich ist das grundsätzlich moralisch nicht gerade die ‚feine Art‘.
Im Vergleich zu anderen moralisch zweifelhaften oder gar unfairen Handlungen im Profisport wäre ein solches Handeln allerdings doch noch vergleichsweise harmlos, wie ich finde. Die aktuelle Aufregung erscheint mir daher so auch völlig unangebracht.
Rotieren tut ja nicht nur der vermeintliche Underdog, auch die Favoriten schwächen sich häufig freiwillig, wenn es gegen vermeintlich unterklassige Gegner geht. Und auch das beeinflusst am Ende regelmäßig den Ausgang einer ganzen Saison.
Einen hundertprozentig fairen Vergleich zweier Teams wird es im Laufe einer langen Saison nur höchst selten geben. Taktische Erwägungen der Trainer spielen in fast jedem Spiel eine Rolle.
Da wird mal freiwillig zwischen den Torhütern rotiert, manchmal der beste Torjäger freiwillig auf der Bank gelassen usw.. Auch diese absichtlichen Kaderumstellungen haben ja Einflüsse auf den Ausgang einer Spielzeit. In guter Erinnerung ist mir da z.B. auch das Verhalten der Bayern gegen Ende der letzten Bundesligaspielzeiten, als man, als der Meistertitel bereits fest stand, teilweise in der Bundesliga kräftig ‚vom Gas‘ ging, so u.a. im Abstiegskampf noch zu einigen, möglichen Verschiebungen beitrug. Konkret erinnert sei da z.B. noch das bisher letzte Gastspiel der Bayern in Freiburg, welches die Münchener mit einer schlechten Einstellung letztendlich verloren, den Freiburgern damit einen womöglich sehr wichtigen, und auf der Papierform kaum für möglichen Erfolg gegen den Meister ermöglichte. In Hannover war man damals über das Verhalten der Münchener gar nicht glücklich.
Warum also, soll Darmstadt 98 nun nicht grundsätzlich sagen dürfen, ok wir bündeln unsere Kräfte in den Spielen gegen direkte Konkurrenten, schonen unsere Kräfte in München, weil wir da vermutlich eh nichts erreichen werden, selbst wenn wir alle Kräfte in dieses Spiel legen würden?
Klar, wenn etwas so auffällig ist, wie die Geschehnisse am letzten Samstag, dann begeistert das die Romantiker unter den Fußballfreunden naturgemäß wenig. Den Pragmatiker hingegen würde ein solches Vorgehen allerdings wohl wenig schocken.
Und das Bundesliga inzwischen eben ein knallhartes Profigeschäft ist, dass dürfte auch jedem klar sein. Wirklich schockierend wäre es also nicht, wenn Darmstadt 98 das so tatsächlich mit voller Absicht gemacht hätte. Oder?
Da war doch mal was mit einem Kölner Spieler, der von seinem Trainer aufgefordert wurde: "Mach es, Ötze," damit dieser auf jeden Fall im Pokalfinale zur Verfügung stand. Muss so Anfang der 90er gewesen sein. Die Aufregung damals darüber, wobei ich nicht mehr weiß, wie`s ausging, hätte mehrere Sommerlöcher locker gefüllt. vielleicht weiß der eine oder andere Blogger mehr darüber.
Richtig erinnert, Thomas.
Hier gibt es eine Zusammenfassung:
http://www.ndr.de/sport/fussball/bundesliga/Frank-Ordenewitz-Mach-et-oder-Fairplay,ordenewitz103.html
"Und das Bundesliga inzwischen eben ein knallhartes Profigeschäft ist, dass dürfte auch jedem klar sein."
… und, dass sie vor allem nichts mit Sport zu tun hat. Sport ist nur, wenn man selbst auf dem Platz steht.
" Wirklich schockierend wäre es also nicht, wenn Darmstadt 98 das so tatsächlich mit voller Absicht gemacht hätte."
Doch, wäre es, da die Spieler in diesem Fall vorsätzliche Fouls begannen hätten. Aber wie bereits gesagt, mit Sport haben diese Veranstaltungen am Wochenende nichts gemein. Fielen Sie aus, fehlte mir nichts. Schlimm wäre es nur, wenn ich nicht mehr zum Spielen käme.
Bundesliga Fußball – abhaken.
Da gab es vor mehr als zehn Jahren mal einen schönen Fall in Bochum: Bochum verlor zu Hause gegen Bayern und zwo Minuten vor Schluss wollte Peter Neururer Frank Fahrenhorst einwechseln, welcher aber eigentlich verletzt war und vier gelbe Karten hatte. Im Moment der Einwechslung rannte Fahne dann auch aufs Feld ohne das Zeichen des Schiris abzuwarten, um so die Gelbe einzusammeln. Blöderweise hat der Merk sie nicht mehr gezückt. Possenspiel schiefgegangen.
Absichtlich gezogene Gelbsperren sind ja – siehe Ordenewitz oder auch Iniesta (s. Link. u.) – kein seltenes Phänomen in der Profifußball-Geschichte eigentlich *aller* Ligen, die solche Automatismen wie die Ein-Spiele-Sperre nach X gelben Karten pflegen. Die UEFA hat 2011 sogar diese Strafe zumindest für ihre Wettbewerbe auf die Option für 2 Spiele Sperre ausgeweitet, damit kein Spieler vorab weiß, wieviele Spiele Sperre er wirklich schinden kann – oder muss (http://www.focus.de/sport/fussball/uefa-uefa-erhoeht-strafen-fuer-taktische-gelbe-karten_aid_637869.html). Mir ist aber nicht bekannt, ob der DFB sowas anwenden kann.
Andererseits hat doch jedes Team die einfache Möglichkeit, Spieler vor wichtigen Spielen einfach mit kleinen Blessuren auf die Tribüne zu setzen. Der BvB hat in letzter Zeit doch häufiger davon Gebrauch gemacht, wenn auch weniger aus Karten- als aus Erholungsmotivation;-)
Aber Darmstadt wird zumindest eines nicht: den Ruf als Trickser-Bude und Schummelspieler-Team loswerden.
Einem David, @ Klaus Lohmann, wird einiges nachgesehen, vor allem, wenn es auch noch einen Ertrag bringt, bspw. wenn der David in der Bierschüssel , an der B1 oder im Frankfurter Stadtwald Punkte abgreift, die für die jeweilige Heimmannschaft reserviert schienen. Deshalb glaube ich auch nicht, dass da viel an den Lilien hängenbleibt. In Erinnerung wird der Underdog bleiben, der einige Große ordentlich ärgerte.
Robin, danke für den Link.
"Doch, wäre es, da die Spieler in diesem Fall vorsätzliche Fouls begannen hätten. " (Zitat Serge)
Ich behaupte, dass 95% der Fouls in der Bundesliga und im Profifussball vorsätzlich, sprich in voller Absicht, begannen wurden.
@Serge: "Aber wie bereits gesagt, mit Sport haben diese Veranstaltungen am Wochenende nichts gemein. Fielen Sie aus, fehlte mir nichts."
Tja, so unterschiedlich können die Meinungen diesbezüglich sein. Ich kann mir derzeit kaum ein besseres Unterhaltungsprogramm an den Wochenenden vorstellen. Und so sehe ich den Profisport auch insgesamt, es ist eine Form der Unterhaltung. Mag sein, dass sich diese Erkenntnis durch meine Jahre mit dem US-Sport verstärkt hat, aber letztendlich ist es eben genau das. Für mich ist das Geschehen dort auch x-fach spannender und unterhaltsamer als jedes Konzert, jeder Film, oder ein Theaterbesuch… Aber das mag natürlich jeder für sich persönlich anders einstufen. 🙂
@Serge: Ein vorsätzliches Foul, u.U. mit mehreren "Versuchen" im Vorfeld, wird als grobes Foul normalerweise sofort mit Rot bestraft, was für wesentlich mehr Ärger sorgt als "nur" ein Spiel taktische Sperre.
Diese taktischen Gelbkarten können sehr viel schonender mit z.B. Spielverzögerungen, "Rudelbildung", Ball wegschießen, Trikot ausziehen, Schiri-Beleidigung, Handspiel und vielen anderen Petitessen ohne Verletzungen des Gegners und großes Getöse gezogen werden; das DFB-Regelwerk ist dein Freund;)
@Klaus: "Diese taktischen Gelbkarten können sehr viel schonender mit z.B. Spielverzögerungen, "Rudelbildung", Ball wegschießen, Trikot ausziehen, Schiri-Beleidigung, Handspiel und vielen anderen Petitessen ohne Verletzungen des Gegners und großes Getöse gezogen werden…"
Und ich bin mir sicher, dass sie das auch regelmäßig werden. Im Einzelfall merkt das dann doch eh niemand. Denn viele Karten sind doch 'taktisch' bedingt. Auch das Trikotzupfen im Mittelfelf, um einen Konter zu unterbinden z.B., ist ja alles andere als 'fair', aber natürlich längst allgemein als taktisches Mittel anerkannte Normalität.
Robin,
also alles in Allem bezogen auf das letzte Fußballwochenende:
"Sportlich" gab es für mich keine Überraschungen.
Es gab aber Außergewöhnliches "so nebenher":
Sh.gelbe Karten gegen Darmstadt;
Sh. Outfit von Aube……..
Sh. Elfmeter Messi-Surazes.
(Ich wußte als "alter Fußballer" bis dato nicht, daß man das so regelkonform machen kann.
@Walter: Ja, der Elfer von Messi wäre auch für sich genommen schon wieder ein eigenes Diskussionsthema. Hatte ich so auch noch nicht gesehen. War aber regelkonform. Nur sehr sympathisch fand ich das nicht. Aus meiner Sicht wäre es eher die Art von Christiano Ronaldo und nicht die des sonst eher bescheiden auftretenden Messe gewesen….. Man stelle sich zudem mal das Theater vor, wenn der Torwart den Ball gehalten hätte….
'Aubas' Outfit hingegen wäre für mich eigentlich gar kein Thema gewesen. Soll er doch, wie jeder andere auch, einfach anziehen was ihm gefällt. Mit so etwas habe ich persönlich nie ein ‚Problem’…. Das mediale Echo dazu fand ich daher dann auch noch überraschender als das eigentliche Outfit 😉
Gähn. Was soll denn daran ein Skandal sein. Das erwarte ich von Profis. Ne Gelbsperre in nen wichtigen Spiel wegen einem unwichtigen Spiel ist unprofessionell.