Älteste Bibliothek Deutschlands ist auch unsichtbar

Antikes römisches Gemäuer in Kölner Tiefgarage.
„Stilvolle“ Integration römischer Überreste in die Tiefgarage unter dem Kölner Dom. Wird älteste Bibliothek Deutschlands bald auch so präsentiert?

Die älteste Bibliothek Deutschlands gefunden und trotzdem kein Grund zu jubeln: Köln schafft es seit Jahrzehnten nicht, sein Potential auszuschöpfen. Während die historischen Schundwerke bestens sichtbar sind, bleiben die Schmuckstücke ebenso gut versteckt. Es ist ein Trauerspiel. Ein Gastbeitrag von Christopher Kohl.

Am 25. Juli machte eine spannende Meldung bundesweit die Runde: In Köln fanden Archäologen die älteste Bibliothek Deutschlands. Schätzungen zufolge wurde sie von den Römern vor ungefähr 2000 Jahren errichtet. Doch nicht nur Archäologen, Historiker und der Pfarrer der benachbarten Antoniterkirche frohlockten. Auch die Kölner selbst taten es. Denn endlich waren es mal keine Politik- oder Immobilienskandale, mit denen die Stadt bundesweite Schlagzeilen machte.

Für einen Moment konnten die Affären um Martin Börschel (wir berichteten) und Andrea Horitzky, der Fortgang im Prozess um das eingestürzte Stadtarchiv, explodierende Kosten bei diversen Bauprojekten oder die großmäulerischen Ankündigungen Toni Schumachers zum möglichen Aufstieg des 1.FC Köln ausgeblendet werden.

Allerdings blieb es bei diesem Moment. Denn als normaler Mensch kann man die Bibliothek nicht sehen, ich habe es versucht. Sie befindet sich auf einer abgesperrten Baustelle mit Sichtschutz.

älteste Bibliothek Deutschlands
Seitenansicht auf den Fundort der ältesten Bibliothek Deutschlands. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

 

Erst als ich in das benachbarte Kaufhaus ging, erhielt ich aus dem dritten Stock einen Blick von oben.

Vogelperspektive auf den Fundort der ältesten Bibliothek in Deutschland. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

Ja, Sie sehen richtig. Es gibt hier nichts zu sehen. Nichts auf diesem Foto lässt darauf schließen, dass die Römer hier einst Bücher lagerten. Der Fund mag archäologisch und historisch noch so spannend sein – Bauarbeiten haben Vorrang. In Köln sowieso. Keine Stadt sammelt derart leidenschaftlich Baustellen. Wie die Bilder vom ausgebuddelten Fundament in der vergangenen Woche entstanden sind, ist mir angesichts meiner Begehung schleierhaft.

Die Stadt versteckt ihre historischen Schätze

Aber eigentlich ist es auch nur konsequent, dass die benachbarte Gemeinde dafür gerühmt wurde, hier “mit der Nagelfeile” anstatt mit dem Bagger gearbeitet zu haben. 2019 soll hier schließlich ein neues Gemeindezentrum eröffnen. Logisch im Kölschen Sinne ist es auch, diesen bedeutsamen archäologischen Fund künftig nicht etwa prominent herauszustellen, sondern teilweise in eine Tiefgarage zu integrieren: “Ein Teil der Bibliothek soll künftig in der Tiefgarage des Gemeindezentrums zu sehen sein. Dafür opfert dieses zwei der rund 20 Stellplätze.” Im Klartext: Die Bibliothek wird niemals für alle angemessen zugänglich und sichtbar sein.

Mir drängte sich spätestens an dieser Stelle folgender Gedanke auf: Dann kann man es auch lassen. Wer mit seiner Geschichte so umgeht, braucht sie nicht. Und auf die Schulter klopfen sollte man sich dafür erst recht nicht. Das, was in Köln nämlich als Integration von Geschichte in die Gegenwart verkauft wird, ist nichts anderes als eine fortwährende Schändung des eigenen historischen Erbes. Die entstehende Tiefgarage ist dafür nicht das einzige Beispiel.

Wussten Sie beispielsweise, dass manche Überreste der antiken Stadtmauer einfach in bestehende Häuser ohne Kennzeichnung eingearbeitet wurden (wenn Sie nicht gerade umzäunt bis zur Unsichtbarkeit entstellt wurden)?

Eingearbeitetes Mauerwerk.

Wussten Sie auch, dass am “Filzengraben” (in einem Haus mit kölnweit einzigartiger Bauart) unter einem Schmuckgeschäft ein mittelalterlicher Gewölbekeller versteckt ist? Nein? Bitteschön:

Unter diesem Gebäude ist ein mittelalterlicher Gewölbekeller versteckt. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.

 

 

Älteste Bibliothek Deutschlands kein Einzelfall: Die Hässlichkeiten sind omnipräsent

Wie kaum eine andere Stadt versteht es Köln aber zugleich, nicht nur die unzähligen Baustellen präsenter sein zu lassen als die historischen Überreste, sondern auch Schandflecken der Moderne. An der Stelle des vor neun Jahren eingestürzten Stadtarchivs befindet sich beispielsweise noch heute ein unübersehbares, unbedecktes Loch, dessen dazugehörige Baustelle sich immer weiter ausdehnt. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sich die Situation auch abseits der juristischen Aufarbeitung kurzfristig verbessert.

Einsturzstelle des vor 9 Jahren eingestürzten Kölner Stadtarchives.

 

Es ist schwer vorstellbar, dass andere Städte mit ihrer Geschichte so schludrig umgehen wie Köln es mit der seinen tut. Auch erhaltene Torburgen sind kaum als historische Reste präsent, sondern als Partyorte. Immerhin nützen sie aber so zumindest den Feiernden etwas. Versteckte Stadtmauern, Gewölbekeller oder Bibliotheken sind dagegen einfach nur blödsinnig. An ihnen hat niemand Freude. Höchste Zeit, dass sich das ändert. Eine andere Einbettung der gefundenen Bibliothek wäre ein Anfang.

 

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ke
ke
6 Jahre zuvor

Darf man Köln den Weg in die Moderne verweigern? Muss jede Scherbe, jeder alte Stein erhalten bleiben? Wer soll sich die ganzen alten Steine anschauen? Insbesondere aus der Römerzeit haben wir sehr viele Museen und auch Rekonstruktionen.

In diesem Fall gab es eine archäologische Auswertung, d.h. man hat vermutlich die alten Reste erfasst und gesichert. Warum sollte man alles Ausstellen? Wer soll es sich anschauen?
Vergraben, sichern und bei Bedarf wieder anschauen ist sicherlich auch eine Alternative.

Ein Köln in VR ist plastischer. Hier hat bspw. der WDR eine tolle Produktion mit dem Kölner Dom erstellt.

Wenn wir hier Natur, historische Bausubstanz etc. verdrängen, müssen wir uns auch fragen lassen, warum immer in den Entwicklungsländern jeder Baum und jeder Stein erhalten werden soll.

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Ke, es geht um Kultur, bzw. um Kulturgut! Das Wenige, was bis Heute überstanden hat, kann doch wohl bewahrt werden. Richtig beworben kommen auch die Leute, die sich dafür interessieren.

Ke
Ke
6 Jahre zuvor

#2 H Junge
Ich war vor kurzer Zeit noch in einem Museum mit römischen Fundamenten und kleiner Ausstellung im Süden der iberischen Halbinsel.
Das war ein sehr einsames Erlebnis.

Antiandi
Antiandi
6 Jahre zuvor

Ein ziemlicher Unsinnstext. Zum einen haben das eingestürzte Stadtarchiv und die Entdeckung der römischen Bibliothek ja wirklich wenig miteinander zu tun, außer, dass beides in Köln ist. Zum anderen waren von der Bibliothek nur noch Fundamente erhalten. Archäologisch und historisch sicherlich sehr interessant, nur zu sehen gibt es eben fast nix. Würde jedes Fundament in Köln, das älter als 500 Jahre ist, ausgebuddelt und mit einem Glaskasten überbaut, gäbe es keine Stadt mehr. Mit Gürzenich und Columba hat Köln ja tatsächlich herausragende Beispiele, wie historisches Erbe in die moderne Stadt integriert und weitergedacht werden kann. Bei der Neugestaltung der Domplatte ist das ebenfalls mehr als gelungen, als nächstes kommt die archäologische Zone mitten in der Altstadt und wegen des Schutzes des Welterbes Dom muss die Stadt schon auf den Bau von Hochhäusern verzichten. Man kann Köln wahrlich nicht vorwerfen, dass es leichtfertig sein historisches Erbe gefährde. Und ein Problem mit zu wenig Tourismus hat die Stadt ebenfalls ganz gewiss nicht. Eine Stadt, die nur noch aus Löchern mit historischen Fundamenten besteht, wünscht sich gewiss kein Kölner.

antiandi
antiandi
6 Jahre zuvor

Und gerne wüsste man ja vom Autor auch etwas genauer, was er mit "historische Schundwerke", omnipräsenten Hässlichkeiten und "Schandflecken der Moderne" meint.

Michael Kolb
Admin
6 Jahre zuvor

Ich für meinen Teil bin der Ansicht, dass die Stadt Köln hier sogar besonders verantwortungsvoll mit ihrem kulturellen Erbe umgegangen ist. Die Archäologen haben die Bibliothek ausgegraben, Artefakte gefunden, dies alles im Kontext dokumentiert, Schlüsse gezogen und Wissen gesammelt. Dann haben sie die Fundstelle so gut es geht wieder verpackt und vor Umwelteinflüssen so gut es geht geschützt. So entgeht die Bibliothek z.B. dem Schicksal der Stadttore, die ja "nur noch" Partyzonen seien…

Helmut Junge
Helmut Junge
6 Jahre zuvor

Ja, Grundstücke in zentraler Lage sind teuer. Und die Römer haben schon gewußt, wo es mal teuer wird zu bauen. Deshalb haben sie auch dort gebaut. Leider. In Duisburg haben die Archäologen beim Abriß einer Schule gegenüber dem Rathaus, sensationelle Funde gemacht. Offenbar haben die Bauherren über die Jahrhunderte hinweg, immer die Keller der Vorgängergebäude stehen lassen und überbaut. Das wird auch diesmal geschehen. Die Stadtarchäologie hat dort ihr Werk m.E. sehr gut gemacht. Es sind sogar Gebäudereste aus dem dritten Jahrhundert entdeckt worden. Ein legendärer Frankenkönig hat mit Tuffstein aus der Eifel gebaut. Köln ist also gar nicht so viel älter als Duisburg. Man muß nur genau hingucken beim Suchen. Im November soll es dazu eine Ausstellung im Kultur- und Stadthistorischen Museum geben. Da werden euch Bochumer und Dortmunder noch die Augen übergehen. Soviel erst mal.

thomas weigle
thomas weigle
6 Jahre zuvor

Ich kann die Kritik an Köln nicht nachvollziehen. Ich war in den 90ern mehrfach im Jahr im Landeshaus des LVR zu Sitzungen mit unserer Schwesterfraktion und habe öfters im Anschluss historische Stätten und Museen aufgesucht. Mein Eindruck damals war, dass die Kölner durchaus verantwortungsvoll mit ihrem Erbe und dessen Präsentation umgingen.

beba
beba
6 Jahre zuvor

"Wird älteste Bibliothek Deutschlands bald auch so präsentiert?", hätte man bei uns beschrieben mit: "Kauf mich 'ne Tüte Deutsch".

Heinrich Nixdorf wollte mal Anfang der 1980er ins Ruhrgebiet umziehen. Vielleicht hätte Ihre Redaktion dann auch mehr Geld für einen Lektor gehabt. (Strukturwandel und so….)

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