Wie alle Städte im Ruhrgebiet steht Essen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Es muss gespart werden. Auch an den Kosten für die Alte Synagoge.
Über drei Milliarden Schulden hat die Stadt Essen. Mit rigiden Sparmaßnahmen kämpft sie um den Erhalt des letzten Restes an finanzieller Selbstbestimmung und streicht wo sie kann – auch im Kulturbereich: Unter anderem müssen bei der Alten Synagoge, Außenstellen der Volkshochschule und einem Kulturzentrum im Stadtteil Borbeck 2,2 Millionen Euro eingespart werden. 14 Stellen sollen wegfallen. Eine Marginalie, angesichts der finanziellen Situation der Stadt, aber eine Marginalie, wegen der die Bürger der Ruhrgebietsstadt auf die Barrikaden gehen.
Sie sammeln Unterschriften gegen die Pläne der Stadt. 14.000 Unterschriften braucht die Initiative Kulturgut, um den Rat zu zwingen, sich noch einmal mit den Einsparungen zu beschäftigen. Schließt er sich dem Bürgerbegehren nicht an, werden die Essener abstimmen, ob die Beschlüsse rückgängig gemacht werden. Ob Stadt, Medien oder Initiative – alle sind sich sicher, dass 14.000 Unterschriften zusammen kommen werden. Während Essen in diesem nicht enden wollenden Winter im Schnee versinkt, werden unermüdlich und an fast jedem Tag vor Kulturveranstaltungen Unterschriften gesammelt.
Von Claudia Jetter zum Beispiel, einer Ratsfrau der Linken, welche die Initiative unterstützen. „Kultur ist eine Investition in die Zukunft, die sich immer lohnt. Die Stadt sagt, sie muss sparen, aber sparen bedeutet für mich, Geld wegzulegen. Was die Stadt macht ist kürzen.“
Essen hätte genug Geld, um die 14 Stellen zu erhalten. „100 Millionen Euro werden von der Stadt als Bürgschaft für die Messe bereitgestellt. Und da soll es an Geld für die paar Stellen fehlen?“
Das sieht Kulturdezernent Andreas Bomheuer etwas anders. Das Geld können gespart werden, weil die Arbeit der 14 Stellen die wegfallen durch ein neues Servicecenter der Stadt übernommen wird: „Die Bürger werden keine Einschränkungen erleben, alle Institute sind gesichert und werden ihre Arbeit fortsetzen können.“ Auch die Alte Synagoge sei nicht in ihrem Bestand gefährdet. „Die Donnerstagsgespräche werden bleiben und die Ausstellung bleibt – es wird keine Einschränkung geben.“
Sollte das Bürgerbehren durchkommen und die Stadt und die 14 Stellen nicht gestrichen werden, sähe das anders aus: „An dem Volumen wird sich nichts ändern, die Sparvorgaben stehen – nur wir werden sie dann an Stellen ausführen müssen, an denen es zu Leistungseinschränkungen kommen könnte.“
Im Umfeld der Alten Synagoge ist man von dem Bürgerbegehren ohnehin nicht angetan. Dort hat man das Gefühl, die Alte Synagoge werde instrumentalisiert. Auf der Internetseite des Bürgerbegehrens heißt es „Die Alte Synagoge / Haus jüdischer Kultur ist seit den 1980er Jahren eine bedeutende Mahn- und Gedenkstätte für die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Essen während des Nationalsozialismus.“ Das war sie einmal, ist sie aber schon lange nicht mehr. Die ehemalige Leiterin des Hauses, Edna Brocke, hat die Alte Synagoge zu einem Haus der Jüdischen Kultur gemacht – es wird den Opfern der Nazizeit gedacht, aber vor allem wird das Jüdische Leben mit seiner Geschichte und all seinen Facetten gezeigt – von der Antike in Israel bis zur bunten Gegenwart in Hollywood.
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jüdischen Allgemeinen.
Der Westen des Ruhrgebiets ist weiterhin nicht so Deins, oder? 😉
Rund um die Frage des Bürgerbegehrens gibt es ja eine Debatte über Kompetenzverteilung zwischen OB und Rat, deren Ergebnis sich alle Kommunen in NRW abwarten. Je nach Sieger ist das Bürgerbegehren ja auch nicht einmal zulässig. Eine der interessantesten politischen Vorgänge im Ruhrgebiet derzeit, denn hier entscheidet sich, inwieweit die Verwaltung Sparkurse durchsetzen kann.
Claudia Jetter, Ratsfrau der Linken „…sparen bedeutet für mich, Geld wegzulegen. Was die Stadt macht ist kürzen.“
Süss.