Am Sonntag finden in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen statt. Einer der wichtigsten Landespolitiker der AfD hat seine politischen Wurzeln im Ruhrgebiet und will im September in den Bundestag einziehen: Robert Farle, der ehemalige Fraktionsvorsitzende der DKP im Gladbecker Rat.
Als ich 1980 von Frankfurt nach Gladbeck zog, traf ich dort auf eine exotische Partei: Die DKP. In Frankfurt hatte sie keine Rolle gespielt. Nur ab und an sah man auf Demonstrationen am Rand verbeigete Rentner mit der Parteizeitung „Unsere Zeit“ in den Händen. Es gab Anarchisten, Maoisten, Spontis, Trotzkisten und die ersten Grünen, aber DKPler spielten keine Rolle.
In Gladbeck war das anders. Hier saß die DKP ebenso wie in der Nachbarstadt Bottrop im Rat. Das Schicksal, es ersparte den beiden Ruhrgebietsstädten wirklich nichts. Der starke Mann der DKP in Gladbeck hieß Robert Farle und das ihm treu ergebene rote Fähnlein war die reichste Partei der Stadt. t-online kommt nun in einem Artikel zu dem Schluss, dass Farle sein Gehalt wohl verdeckt aus der DDR erhielt, was dieser bestreitet. Das hat die DKP schon vor 40 Jahren getan, aber ernst genommen hat das schon damals niemand: Es war offensichtlich, das Geld aus dem Osten die Politiksimulation absurd aufpumpte: Drei hauptamtliche Mitarbeiter arbeiteten für das Ziel, die Bundesrepublik zu einem Arbeitslager ohne Bananen zu machen. Der Sache der Sozialdemokratie, die SPD hatte damals immerhin im Rat die absolute Mehrheit, stand gerade einmal eine Halbtagskraft zur Verfügung. Die DKP fuhr mit LKWs durch die Stadt und bot billige Kartoffeln zu „Preisstopperpreisen“ an. Kinder aus Gladbeck konnten in der Ostzone Urlaub machen. Sie waren begeistert: In den Camps gab es jeden Tag Würstchen, Eis und Spaghetti mit Tomatensoße. Dass die DDR-Kinder, bei denen es auch in den Ferien eher sozialistisch-spartanisch zuging, neidisch zu ihnen herüberschauten, störte sie nicht.
Farle war stramm auf der Linie seiner Partei, die von der DDR vorgegeben wurde. Als Funktionär warb er unverdrossen für ein System, in dem Oppositionelle verfolgt und manchmal sogar ermordet wurden, in dem es statt Freiheit lächerlichen sozialistischen Pathos gab und der Lebensstandard niedrig war. Der Feind, das war der Westen. Farle legte im Alltag die unverbindliche Freundlichkeit an den Tag, die den erfolgreichen Berufspolitiker auszeichnet. Und er war auf der Suche nach Bündnispartnern. Die Revolution, sie würde der DKP nicht alleine gelingen. Als er in den 80er Jahren den Grünen in Gladbeck eine Fraktionsgemeinschaft im Rat anbot, warf ihn ein Freund von mir mit den Worten „Wir reden nicht mit Stacheldrahtmördern“ raus.
Nicht alle erwiesen sich im Umgang mit den Diktaturfreunden so charakterfest. Ein Gladbecker Pfarrer organisierte damals die DKP nahe Friedensbewegung und galt als rechte Hand Farles. In den 90er gab er dann seine lukrative Pfarrstelle auf und eröffnete in einer alten Kneipe eine Therapiebutze. Die Kirchen, sie waren diskret und ließen die Ihrigen auch mit zu engen Ostkontakten nicht fallen. Aber sie drängten sie wohl raus.
Im Herbst 1989, wenige Wochen vor dem Fall der Mauer, holte die DKP bei der Kommunalwahl fünf Ratsmandate. Ein hervorragendes Ergebnis. Doch ohne Zonengeld ging es mit der Partei schnell bergab: Die Festangestellten wurden entlassen. Ein DKP-Ratsmitglied fürchtete das Ende der Geschichte und brach zusammen. Das kapitalistische Gesundheitssystem half ihm mit einem Psychiatrieaufenthalt wieder auf die Beine. Und Farle? Der war irgendwann weg und zog in den Osten. Dort war er, erzählte man sich, als Unternehmensberater tätig. Die alten Kontakte hätten die Wende gut überstanden.
Farle geriet in Vergessenheit, erschien als ein trauriger, roter Clown, über den die Geschichte hinweggegangen war. Das änderte sich 2016. Damals meldete die Gladbecker Lokalausgabe der WAZ, das Farle wieder politisch aktiv sei. Da kandidierte er für die AfD in Sachsen-Anhalt für den Landtag. Er wolle nicht von den Amerikanern regiert werden und Deutschland müsse Deutschland bleiben, zitiert ihn die WAZ. Der Mann, das war damals mein erster Gedanke, ist sich treu geblieben.
Nun will Farle in den Bundestag. Er könnte das in seinem Wahlkreis sogar direkt schaffen. Er wäre nur ein weiterer Verächter der Bundesrepublik, den die Steuerzahler durchfüttern müssten. Wie Farle früher die DDR-Diktatur pries und gegen den Westen hetzte, macht er heute weiter, wenn er auf Facebook über die „globale Corona-Machtergreifung“ schwadroniert und schreibt: „Die Bürger wurden, fußend auf einer völlig verqueren Art der geschichtlichen Vergangenheitsbewältigung, in Jahrzehnten der Medien- und Schulerziehung systematisch konditioniert, globalpolitische Hintergründe nicht kritisch zu hinterfragen.“
Wenn der Medien- und Schulerziehung etwas vorzuwerfen ist, dann dass sie nicht klar gemacht hat, dass man allen, die sich für Diktaturen begeistern, misstrauen sollte. Ob DKP oder AfD: Farle wusste immer, wo mit Politik Geld zu machen ist. Eine autoritäre Charaktermaske wie er funktioniert in jedem System.
Es mag in KPD und später in der DKP tatsächlich Leute gegeben haben, die zwischen 1933 und 1945 für eine gerechte Sache gekämpft haben und die auch nach der Niederlage Nazideutschlands integer waren (ich habe einige kennengelernt und nein: ich war natürlich nie in der Partei), sie waren aber in der Minderheit. Der überwiegende Teil der „Genossen“ waren kleinbürgerliche Spießer und autoritäre Charaktere, die über Sekundärtugenden verfügten, mit denen man auch ein KZ hätte leiten können.
Das D in DKP stand halt auch immer für: Deutsch. Und noch wichtiger als der Kampf gegen den Kapitalismus war der Kampf gegen die „Yeah Yeah Yankee-Kultur“ und gegen die „alliierten Besatzer“ (zumindest die aus dem Westen). Emanzipation und individuelle Freiheit zählte für sie nichts. Die Partei hatte eh immer recht.
Dass solche Leute heute bei der AfD landen, ist nicht verwunderlich. Und gerade im Osten stehen weite Teile der Partei für einen „nationalen Sozialismus“ und für einen Kuschelkurs mit Autokraten wie Putin. Und da schließt sich der Kreis für Farle: Moskau als Sehnsuchtsort.
Danke für diesen Artikel, der meinem Vater die Feiertagsschuhe ausgezogen hat. Das Leben ist lang und voller Überraschungen – oder auch nicht, wenn man versteht was Hufeisen und autoritäre Persönlichkeiten sind.
Der deutsche Osten ist 1945 verlorengegangen, es gibt also Mitteldeutschland und keine Zone, Herr Laurin und offen gesagt, gehört zur bundesdeutschen, ach so wohlgrühmten Freiheit nicht auch die Freiheit der Andersdenkenden und nicht nur CDU-Konsens……. und vergessen sie mal nicht die vielen Altnazis die nach der Gründung der BRD in Amt und Würden waren…….
Nicht wirklich verwunderlich. Robert Farle wollte noch weiter nach links gehen und dann bei den Rechten gelandet. Da ist er auch nicht der Einzige.
Es gibt noch einige aktive in der DKP die bestimmt einiges über den Farle zu erzählen hätten.Da sollte man mal nachhaken (Augenzwinker).
Das ein Typ wie Farle in der Politik nichts verloren hat, weder in der AfD noch sonst wo, ist unbestritten, dennoch amüsiert mich der Brustton der Entrüstung über die AfD. Immerhin bestimmen bzw. bestimmten heute Menschen die deutsche Politik und die öffentlich Meinung, die nicht nur wie Farle versucht haben Ostpolitik im Westen zu machen, sondern dort im Arbeiter und Bauernparadies ganz aktiv waren. Also wenn Entrüstung, dann bitte auch über Merkel, Kahane, Gauck und Ex-SED-Mitglied Maybritt Illner. Alles andere ist reine Heuchelei
Über einen DKPler, der in der AfD galandet ist, zu schreiben, ist natürlich sensationell, Herr Laurin. Das ist nämlich der erste, von dem ich erfahre. Aber wieviele aufrechte bundesdeutsche und nordatlantische Demokraten der anderen Parteien sind denn schon bei der AfD gelandet? Da ist die Quote der DKP doch sehr niedrig, obwohl die DKP wirklich sehr mickrig war und ist.
Interessant ist auch, wie durch die Wortwahl ("Zone") die Menschen in den neuen Bundesländern herabgewürdigt werden. So wie schon in den 50er und 60er Jahren. Ist dieser Hass heutzutage noch zu rechtfertigen?