AGR baut Stellen ab. Entsorgung bricht zusammen

Vor ein paar Tagen habe ich darüber berichtet, dass die Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhr (AGR) Stellen abbauen will. Ich hatte die AGR damals auch um eine Stellungnahme gebeten, warum 50 Arbeitsplätze verschwinden sollen. Die Geschichte ist interessant, denn die Müllfirma ist eine 100prozentige Tochter des Regionalverbandes Ruhr. Und es ist schon selten, wenn eine kommunale Firma Leute freisetzt. Morgen früh ist in Herten Süd eine Betriebsversammlung auf der die schlechten Nachrichten bekannt gegeben werden sollen.

Nun, die AGR hat mir keine Antwort gegeben. Weder wollte die Firma bestätigen, dass Stellen abgebaut werden, noch wollte Firmensprecher Heinz Struszczynski sagen, was die Ursachen für den Stellenabbau sind. Mir erschien das ganze Ding seltsam. Denn es hieß immer, in diesen Tagen sollte die Müllverbrennungsanlage RZR II in Betrieb gehen. Und in den Bilanzen der AGR steht zudem geschrieben, dass nur bei einem erfolgreichen Betrieb des RZR II die Zukunft der AGR und damit die Nachsorge der größten Deponien im Ruhrgebiet gesichert ist.

Kurz: der Stellenabbau erscheint mir wie ein böses Omen.

Ich habe deswegen vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen von AGR die Antworten auf meine Anfrage erstritten. Heute morgen teilten mir die Anwälte der AGR auf meine Klage hin folgendes mit:

Der Stellenabbau sei eine Folge der einbrechenden Müllmengen, die von der AGR-Gruppe behandelt werden. Statt 4 Mio Tonnen Müll pro Jahr werden nur noch 1 Mio Tonnen behandelt. Das bedeutet: Die wichtigste Umsatzquelle der AGR ist um 75 Prozent eingebrochen. Damit gibt die AGR zu, dass sich die Lage in der Firmengruppe bedrohlicher zugespitzt hat, als bisher angenommen wurde. Es fehlt an frischem Geld.

Und das in einem Jahr, in dem die Papierpreise verfallen und die AGR kaum noch Erträge aus der Vermarktung von Sekundärrohstoffen erzielen kann. Selbst die Entsorgungspreise in den Müllverbrennungsanlagen verfallen. Sie liegen im Moment zwischen 70 und 80 Euro je Tonne. Damit das RZR II wirtschaftlich arbeiten kann, müssten Preise von weit über 100 Euro erzielt werden, wie aus AGR-internen Unterlagen hervorgeht.

Darüberhinaus sagten die Anwälte der AGR, der Stellenabbau der Firma sei auch darauf zurückzuführen, dass die Gesellschaft verschlankt und die Organisation gestrafft wurde. Zudem müssten Abläufe optimiert werden. Naja.

Mir erscheint der Zeitpunkt des angekündigten Stellenabbaus verdächtig. In diesen Tagen müsste die AGR ihre Bilanz für 2008 aufstellen. Ich vermute auf Basis der alten AGR-Bilanzen, dass die Firma derzeit einen Überschuldungsstatus erstellen muss. Und um eine positive Fortführungsprognose bis zum Ende des März zu bekommen, wird der Stellenabbau unvermeidlich sein. Ohne positive Fortführungsprognose müsste die AGR insolvenz anmelden.

Wenn das so ist, wird der Herbst für die AGR zur Zeit der Wahrheit. Dann dürfte das freie Geld in der Firma nahezu aufgebraucht sein. Wenn bis dahin das RZR II keine Millionen einspielt, wird der Regionalverband einspringen und Millionen zahlen müssen. Da er das nicht kann, dürften die Städte im Revier zur Kasse gebeten werden.

Wenn ich Hellseher wäre, würde ich sagen, die AGR-Geschäftsführung wird in diesem Fall die Weltwirtschaftskrise für die dramatische Lage als Ausrede gebrauchen und nicht die eigenen Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre. Vielleicht wissen das noch einige. Selbst vor der Brochier-Pleite wurde bei der AGR Geld verschwendet. Da war zum Beispiel die Zeit, als der AGR-Geschäftsführer zwei Dienstwagen hatte. Einen mit Fahrer für Werktags und einen ohne Fahrer fürs Wochenende.

Vor wenigen Tagen hatte mir AGR-Sprecher Struszczynski in einer Email geschrieben, er wolle nicht auf meine Fragen antworten, weil ich seine Angaben in den Ruhrbaronen veröffentliche.

Nun, in diesem Punkt gebe ich dem AGR-Sprecher recht. Ich werde meine Informationen auch über die Ruhrbarone verbreiten.

Denn wir Ruhrbarone wollen unter anderem die Öffentlichkeit über Themen des Ruhrgebietes informieren.

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Torti
Torti
15 Jahre zuvor

Danke David, dass Du da dranbleibst, obwohl das nicht gut ist für meinen Glauben an die Demokratie, meinen Blutdruck, meinen Alkohlkonsum und noch ein paar Dinge mehr…..

Ein Hertener
Ein Hertener
15 Jahre zuvor

Und diese Information (4 Mio. Tonnen -> 1 Mio. Tonnen) mussten Sie vor dem Verwaltungsgericht einklagen? Sie stand doch schon in der vergangenen Woche in der Hertener Allgemeinen Zeitung (Medienhaus Bauer).

ExAGRler
ExAGRler
15 Jahre zuvor

Weiter so, Herr Schraven, sie machen ihre Sache sehr Gut.
Durch ihre kompente Berichterstattung sind mir viele Dinge vor Augen geführt worden, die im Hintergrund bei der AGR ablaufen, und mir als ehemaliger Mitarbeiter in diesem Unternehmen auch in meiner aktiven Zeit dort nicht bekannt waren. Seien sie weiterhin schonungslos Ehrlich und scheuen sie sich nicht weiter unangenehme Fragen zu stellen, und vieleicht wird dann auch ein Herr Struszczynski erkennen, das sie es eigentlich nur gut mit der AGR meinen.

echolot
echolot
15 Jahre zuvor

Hallo Herr Schraven,

wenn es Sie und Ihre Berichte und Recherchen nicht gäbe,
müsste man Sie erfinden. Die unendliche Geschichte AGR und kein Ende treibt den Blutdruck wirklich hoch. Die Machenschaften dieser Firma und ihrer Verantwortlichen
sind dicht an der Grenze zum Kriminellen. Hier wird gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen.
Struszczynski’s Märchenstunden werden immer bunter, aber
keineswegs besser.
Da tingelt AGR jetzt durch die Lande und bietet die Müllentsorgung zu einem Preis an, der unter den erforderlichen Kosten liegt. Dieser Zug fährt ungebremst
gegen die Wand. Die Entscheidungsträger in den politischen Gremien der Städte und Kreise machen auch lieber die Augen zu, als endlich die Reißleine zu ziehen.
Was sind das für Leute, die z.T. hochdotiert, uns am Nasenring durch die Arena führen. Von Verantwortungsbewusstsein keine Spur, nur orientiert an den eigenen Pfründen. Nur weiter so. Wir Wähler wissen, wen WIR demnächst NICHT mehr wählen können.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
15 Jahre zuvor

Weil echolot nach dem Verantwortungsbewusstsein der so genannten Entscheidungsträger fragt:

Vorausgesetzt, die wären befähigt und guten Willens und von persönlicher Verstrickung frei (ein frommer Wunsch): sie scheiterten noch immer am System organisierter Verantwortungslosigkeit.

Wer zieht die Reissleine, wenn sich nach dem Reissen der sichere Aufprall noch schneller eintritt?

Thomas Liebeg
15 Jahre zuvor

Der Ansatz ist wirklich genial – weiter so.

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