Akte studivz – XY: Glaubwürdig und gläsern

studivzEs geht um Datenschutz. Um Sicherheit. Möchten Sie, dass ihr Geburtstag durchs Internet wabert, oder ihre Unterhosengröße? Wie dumm sind eigentlich soziale Netzwerke?

Ich will ein aktuelles Beispiel aus dem realen Leben geben, um zu zeigen, was passieren kann, wenn man im virtuellen zuviel dampfplaudert.

Zunächst eine einfache Sache: Das EU-Parlament lehnt das SWIFT-Abkommen über die Weitergabe von Bankdaten europäischer Bürger an die USA ab.

Nun veröffentlicht ein kritischer Student, der mir persönlich bekannt ist, seinen Beifall zu dieser Politik im Buschfunk der sozialen Netzwerke von studivz bis myspace; seine politische Grundorientierung hatte er zuvor irgendwann einmal dort irgendwo als vielleicht „kommunistisch“ bezeichnet, oder war es doch „sozialistisch“. Irgendwo links jedenfalls.

Er hatte sich auch in virtuellen Gruppen gegen das Anti-Terror-Lager in Guantanamo und gegen das Kriegstreiben der USA engagiert.

Eingeschrieben ist der kritische Student im Fach der Orientalistik – oder war es Slavistik?

Wie dem auch sei: der kritische Student wollte nun vor ein paar Tagen in die USA einreisen. Er kam nicht weit. Am Grenzposten des Flughafen wurde er festgehalten und drangsaliert. Stundenlang quälende Fragen zu seinem politischen Hintergrund, zu seiner religiösen Überzeugung, zum Status quo des transatlantischen Bündnisses, etc…folgten.

So ist es passiert, so habe ich es gehört und hier aufgeschrieben. Der Name des kritischen Studenten ist mir bekannt.

Vielleicht wäre es clever von ihm gewesen, er hätte die Freiheitsstatue irgendwo in ein Fotoalbum des World Wide Web eingefügt.

In meinen Augen ist es absurd, wenn darüber diskutiert wird, die Persönlichkeitsrechte zu schützen, wenn gleichzeitig Massen an Menschen ihre persönlichen Informationen in virtuellen Netzwerken posten; sei es in studivz, facebook, myspace oder sonst was… Es scheint, als sei den Leuten der Schutz ihrer Daten und ihrer Intimsphäre egal.

15 Millionen User sind bei den VZ-Netzwerken registriert. Der Marktführer bietet Schülerinnen und Schülern im schülervz, angehenden Akademikern im studivz und Erwachsenen sowie sonstigen Lebensläufen im meinvz eine Plattform zur Selbstdarstellung. Ein Blick in die Realität der virtuellen Datenbanken verleiht mir den Eindruck, als sei nichts schöner als die Preisgabe der persönlichen Informationen. Urlaubsbilder mit dem Liebsten, Mitgliedschaften in aussagekräftigen Gruppen, politisches Outing, Material en masse für Datenhaie und Profil-Analytiker – und das alles ohne Zwang. Hier finden zukünftige Arbeitgeber, Headhunter und Behörden genauso das, was sie interessiert, nicht nur neue Partner und Freunde. Selbst Gangster können über Twitter und Facebook rausfinden, ob irgendwer daheim ist oder im Urlaub in Pusemukkel.

Der breite Widerstand gegen Privatspährenkiller wie den Nacktscanner verliert an Glaubwürdigkeit, wenn die meisten Menschen ihre Persönlichkeitsrechte freiwillig aufgeben. Der gläserne Student möchte an und für sich Herr sein über das, was er preisgibt, aber er veröffentlicht freiwillig alles, was er hat

Es liegt doch nur nahe, dass Geheimdienste, Schnüffler und Kriminelle versuchen in den Besitz dieser Daten zu kommen, um daraus Nutzen zu ziehen.

Es ist schlicht ein Widerspruch, mehr Datenschutz zu fordern, wenn auf dem virtuellen Studenten- respektive Partnermarkt die Vita eines jeden studivz-Mitglieds chronologisch nachvollziehbar erscheint. Von der Geburt, zum ersten Schultag, das zweite Kind, der dritte Partner, das vierte Haustier, die fünfte Freundin, das erste und wahrscheinlich einzig gelesene Buch, die x-te Party – der gewiefte Forscher wird nach kurzer Recherche einen Stammbaum erstellen können inklusive einem Persönlichkeitsprofil, das sich sehen lassen kann. Diese Erkenntnis kann verkauft oder genutzt werden, um die Meinung, das Verhalten oder die Einstellung des gläsernen Studenten zu manipulieren.

Ein bisschen mehr nachdenken wäre schön. Vielleicht wäre es ja klug, die sozialen Netze stärker zu hinterfragen, bevor man von über mehr Datenschutz schwadroniert.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
8 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Dieter Carstensen
14 Jahre zuvor

Lieber Dzenan Kurspahic,

es ist gut und richtig auf die Gefahren der Internetnutzung und die Risiken von in Socialnetworks verbreiteten Informationen über sich selbst hinzuweisen.

Das Internet „vergisst“ nichts und schon manch eine Bwerbung für eine Arbeitsstelle scheiterte wg. „Jugendsünden“, da auch die Personaler vieler Firmen vor Einstellung im www. recherchieren.

Und doch sehe ich auch etwas Positives darin, daß soviele Menschen bei uns in Deutschland im Internet von sich persönliche Dinge preisgeben.

Mir scheint es ein Zeichen für das Vertrauen in die Meinungsfreiheit nach Grundgesetz und die darin garantierten Menschenrechte zu sein.

Eigentlich also ein gutes Zeichen für eine funktionierende Demokratie, sollte man meinen, wenn dann nicht in der Praxis, wie in Ihrem geschilderten Beispiel bei Einreise in die USA ganz schnell die Grenzen der Freiheit aufgezeigt werden.

Aber auch das kann durchaus positive Lerneffekte haben, da durch solche Beispiele, ihre Veröffentlichung und Weiterverbreitung, ganz schnell für jedermann praktisch „erlebbar“ wird, auf welch wackligen Füssen unsere Demokratie wirklich steht und daß sie uns nicht geschenkt wird, sondern täglich auf das Neue zu verteidigen ist.

M.f.G

Dieter Carstensen

anon
anon
14 Jahre zuvor

Der große Unterschied ist jedoch, dass das eine freiwillig geschieht und das andere aufgrund von Gesetzen.
Nicht jeder ist in einem solchen Netzwerk angemeldet, nicht jeder der dort angemeldet ist hat seine Daten angegeben.

Torti
Torti
14 Jahre zuvor

Also Ihre Schlussfolgerung des „schwadronieren über Datenschutz “ halte ich, mit Verlaub, für argen Blödsinn.

Es ist ein Unterschied ob ich entscheide welche Informationen ich freiwillig Preis gebe oder ob ein Staat Daten auf Vorrat sammelt.

Das BVG nennt das, das Recht auf informelle Selbstbestimmung. Was ist daran falsch ?

Freiheit bedeutet auch das Recht Unsinn zu tun.

Sicherlich gehen viele Menschen mit Ihren Daten leichtfertig um, vielen ist gar nicht bewusst was sie so für Spuren hinterlassen. Auch richtig.

Ihre Logik ist fehlerhaft und reichlich kraus.

Elmar
Elmar
14 Jahre zuvor

Vielleicht sollte man an dem beschriebenen Beispiel eher die Einreisepraxis der USA als die „sozialen“ Netzwerke verantwortlich machen. Dass die sozialen Netzwerke sicherlich nicht aus altruistischen Gründen existieren, sollte jeder Studierende der „*istik“ wohl im Nebenfach Medienkompetenz gelernt haben.

Wenn die USA keine „*isten“ einreisen lassen wollen, ist das aber wohl der andere Zipfel der Wurst.

Und hat mit Datenschutz wohl eher nichts zu tun – denn schließlich hat sich da wohl mal jemand öffentlich geäußert…

Insofern gilt auch für die von mir wenig gefütterten soziale Netzwerke:

RTFM!

Robert
Robert
14 Jahre zuvor

Das Problem an der Vorratsdatenspeicherung (und ähnlichem) ist ja, dass sie nicht freiwillig passiert, und ich nicht bestimmen kann welche Daten erhoben werden und was mit ihnen passiert. Welche Daten ich in Sozialen Netzwerken preis gebe liegt hingegen in meiner Macht.

Natürlich sollte man sich bewusst sein, welche Daten man veröffentlicht, und wir sollten unsere Kinder lehren, verantwortungsbewusst mit ihren Daten um zu gehen, aber ich gebe auch zu bedenken:

Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der ich meine Politische Meinung nicht öffentlich diskutieren kann!

Mit dieser selbst auferlegten Meinungszensur haben „sie“ doch gewonnen. Der USA passt es nicht, wenn ich gegen Krieg bin? – Dann fuck off!

Um politisch etwas zu erreichen ist es extrem wichtig, offen für seine Überzeugung ein zu stehen. Auch und gerade in Sozialen Netzwerken, denn dort ist, wie der Name schon sagt, die Vernetzung so einfach.

Ein Klima, in der sich niemand aus Angst vor Repressalien mehr traut, seine Meinung kund zu tun, ist es dass, was sie mit ihrem Text fordern? Lieber nichts sagen? Lieber im dunklen Kämmerchen sitzen? Immer schön ducken?

Nein Danke!

himynameis
himynameis
14 Jahre zuvor

Ich wage doch einfach mal zu behaupten, dass die Einreise nicht wegen der Einträge in sozialen Netzwerken verweigert wurde, sondern aus anderen Gründen.. (Befragung wegen arabischen o.ä. Namens, Verweigerung wegen Antworten auf dann gestellte Fragen z.B.)

anna
anna
14 Jahre zuvor

in was für einer welt leben wir, wenn wir nicht mehr unsere meinung frei (ohne die grenzen anderer zu verletzte) äußern können, ohne in unserer reisefreiheit eingeschränkt zu werden? ich dachte das kapitel haben wir in unserer geschichte längst hinter uns. dabei ist es doch völlig egal, wo die meinungsäußerung stattfindet.

Mir scheint die ganze diskussion verkennt den kritischsten Punkt des falls und der ist, dass das Raster der USA, mit welchem sie sich angeblich vor Terroristen schützen wollen. Einfach unglaublich!

Arnold Voß
Arnold Voß
14 Jahre zuvor

Anna,so sehr ich ihre Position verstehe, aber in welcher Welt leben s i e denn? Eine Meinungsäußerung ist eben eine Meinungsäußerung und die passt nun mal nicht jedem. So ist das mit Meinungen im Gegensatz zu Fakten. Und selbst die passen bestimmten Leuten manchmal auch nicht.

Wenn man also eine Meinung w e l t w e i t öffentlich zum Besten gibt, und das genau ist die neue globale Qualität die durch das Internet bzw. seinen Gebrauch enstanden ist, dann muss man sich doch nicht wundern, dass darauf auch weltweit und real reagiert werden könnte.

Öffentliche Meinungsäußerungen zu relevanten Themen haben immer Folgen. Manchmal verliert man nur ein paar Freunde, manchmal auch seinen Job, oder man bekommt weniger oder gar keinen Aufträge mehr. Es kann aber auch, je nach geäußerter Meinung, genau das Gegenteil passieren. Höherer Lohn respektive mehr Aufträge und noch mehr Freunde respektive weniger Feinde.

Glauben sie, dass z.B. die Ruhrbarone und ihre Meinungsäußerungen, geschweige denn dieser Blog als Ganzes von allen geliebt werden? Glauben sie, dass die Welt fair ist und das es keine Interessen und keine Mächtigen gibt, die ihren Einfluss auch zu nutzen wissen?

Freie öffentliche Meinungsäußerung erfordert deswegen immer auch Mut. Genau das scheint vielen Internetusern nicht klar zu sein. Sie halten das WWW für ihr privates Wohnzimmer und die sozialen Netzwerke gaukeln ihnen das auch in Aufmachung und Nutzerregeln entsprechend vor.

Aber man muss mit etwas Grips nun wirklich nicht darauf reinfallen. Im Ernstfall geht es auch im WWW, wie überall sonst in der Welt, um Geld, Einfluss und Macht. Deswegen hat ja die bürgerliche Gesellschaft die geschützte Privatspäre erfunden, den nicht öffentlichen Raum.

Wer den, egal ob freiwillig oder nicht, verlässt, muss sich deswegen auch nicht wundern, wenn er plötzlich mit seiner eigenen Meinung bzw. deren Wirkung auf wen und wo auch immer, konfrontiert wird.

Werbung