Man könnte natürlich auch einfach unaufgeregten Dream-Pop machen, wenn man so was mag. Aber Berlins Pranke möchten mehr und deshalb müssen sogenannte Mathrock-Einflüsse rein und weil es eben doch für alles andere als Popmusik zu gutmütig ist, nennen die beiden Herren ihre Musik “Experimental-Pop”.
Man kann ja auch Experimente wiederholen, die andere schon vor 40 Jahren entwickelt haben, passiert im Chemie-Unterricht andauernd. Was Pranke als experimental empfinden, gab es schon bei Zappa in den Siebzigern, im Downtown Jazz in den Achtzigern und in den Neunzigern bei Mathrock. Neu ist allenfalls diese ganz spezifische Kombination mit sanftmütigem, mehrstimmigem Beatles-Gedächtnisgesang.
Pranke spielen etwas von ihren Notenblättern, das wohl “frech” sein soll oder für höhere Geister bestimmt. Man kann sich Prankes Fanbase jedenfalls bildlich vorstellen: bärtige Besserwisser die diese weitestgehend radiotaugliche Musik ihren Freundinnen vorspielen und hoffen, für die Identifizierung eines 5/4-Rhythmus weibliche Bewunderung zu erfahren.
Pranke verhalten sich zu Frank Zappa wie Olli P. zu Ol‘ Dirty Bastard. Wobei sie freilich die musikalischen Fähigkeiten mitbringen, um lauter “total abgefreakte” Harmonien und Rhythmen “reinzubringen” (O-Ton ausgedacht, aber naheliegend). Tatsächlicher O-Ton, betreffend den Produzenten Moses Schneider: „Er ist nach dem Gig zu uns gekommen und meinte: Sorry Leute, ich versteh überhaupt nicht, was ihr da macht, ich check eure Musik gar nicht, aber ich würde euch wahnsinnig gern aufnehmen.“
Wie hart Pranke intellektuell sein wollen, zeigt sich auch an Songtiteln wie “Adorno” (krass) und “Inexplicably Awkwardly” (abgefreakt ey, sag ich doch!). Die Herren sind sogar so rebellisch gewesen, auf ihrer Hitsingle entgegen der Produzentenempfehlung zu handeln: „Moses meinte, wenn das dann die Single wird, vielleicht nehmen wir das Saxofon-Solo noch raus. Und da war es dann tatsächlich so, dass wir gesagt haben: Nee, das gehört zu uns, das müssen die Leute schon vertragen. Ich glaube viele finden das geil als Höhepunkt.“ Und spannender als die restlichen Passagen des Liedes ist das Solo dann tatsächlich.
Dabei könnten sie durchaus anders, wie zum Beispiel das Lied “Hold the line” beweist. Hier gibt es spannende Musik, bei der die Vertracktheit nur Würze darstellt, wo echte Atmosphäre aufkommt, wo nicht die Kopfgeburt im Vordergrund zu stehen scheint, sondern die Stimmung. Vielleicht schaffen es Pranke ja mit weiterer Reifung, das Craving nach einem USP hinter sich zu lassen und einfach ihre Fertigkeiten in den Dienst toller Musik zu stellen.
Der Autor schreibt hier alle zwei Wochen über Musik. Über Musik redet er auch im Podcast Ach & Krach – Gespräche über Lärmmusik.