Die Dortmunder Neonazis stecken seit Monaten in einer Krise. Öffentlichkeitswirksame Aktionen gelingen ihnen nicht mehr. Und nach einer Gewaltwelle im frühen Herbst haben sie genug mit der Polizei zu tun und müssen den Mythos vom angeblichen „Nazikiez“ Dorstfeld aufrechterhalten.
Mit einer „Besetzung“ der Reinoldikirche am heutigen Abend konnten sie aber mal wieder für Aufmerksamkeit sorgen. Ein Transparent gegen „Islamisierung“, ein paar Bengalos und Raketen. Das alles auf dem Turm von Dortmunds historischem Wahrzeichen, mitten in der Vorweihnachtszeit und zu einem Zeitpunkt an dem der Weihnachtsmarkt an der Reinoldikirche gut besucht ist. Mit der Aktion ist den Nazis ein PR-Coup gelungen. In ihrem Flugblatt argumentieren sie durchaus clever und fordern die Kirchen auf Stellung gegen den Islam zu beziehen. In konservativen Kreisen machen sich die Neonazis so inhaltlich anschlussfähig. Unter den Besuchern des Weihnachtsmarktes herrschte am Abend staunen über die Aktion. Ablehnung, gar lautstarke war nicht zu vernehmen.
Das die Aktion eine Kopie von Aktionen der „Identitären Bewegung“ war dürfte die Nazis nicht stören. Erst am letzten Samstag hatten „Identitäre“ eine ähnliche Aktion an der Münchener Frauenkirche durchgeführt. Unangenehme Fragen dürfte sich in den nächsten Tagen die evangelische Kirche in Dortmund stellen lassen. Eigentlich sollte man dort um das kreative Potential der Nazis wissen und Vorkehrungen treffen, dass nicht jeder auf den Turm und sich dort einsperren kann.
Nichts falsch gemacht hat heute die Dortmunder Polizei. Gegen den ex-Feuerwehrchef Klaus Schäfer, der eine Solidaritätskundgebung für die Nazis anmelden wollte ging sie vor und kesselte Schäfer und Kameraden ein. Auch die Besetzung der Kirche war nach knapp einer Stunde beendet, mit Hilfe der Feuerwehr öffnete die Polizei die Kirche und nahm anschließend die Neonazis in Gewahrsam.
Auch für mich ist diese Aktion eher ein Zeichen der Schwäche. Die AfD radikalisiert sich immer offener und läuft den "alteingesessenen" Nazis den Rang ab. Diese Woche beispielsweise hat in Berlin ein stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin Marzahn-Hellersdorf den Organisator des Massenmordes an den europäischen Juden und "Schlächter von Prag" Reinhard Heydrich in den höchsten Tönen gepriesen. Blau wird immer mehr das neue Braun, und die alten Braunen sehen deshalb immer blasser aus.
Diese Aktion dürfte der Versuch gewesen sein wenigstens im von den Nazis als eigenes Territorium empfundenen Dortmund wieder wahrgenommen zu werden. Ich hoffe aber dass die Justiz endlich einmal entschlossen gegen die Bande vorgeht und die Beteiligten deshalb am Ende einen hohen Preis zahlen.
Wenn es eine vergleichbare Aktion in München gab, wird es spannend sein zu sehen, wie der Vergleich München <-> Dortmund bei den staatlichen Reaktionen sein wird.
Wie reagieren eigentlich die Kirchen auf solche Vorkommnisse? Es sind hier auch unterschiedliche Konfessionen Ziel gewesen.
Die sogenannte "Identitäre Bewegung" stellt sich meist deutlich geschickter an als die Dortmunder Neonazis. In München beispielsweise hat man ein Banner an einem Baugerüst angebracht und war bereits wieder verschwunden als die Polizei anrückte.
In Dortmund hingegen haben die Täter sich im Kirchturm verschanzt, wohl auch Menschen mit Feuerwerkskörpern angegriffen und sich mit Hakenkreuzen die Stirn "verziert". So dürften sie der Justiz reichlich Material an die Hand gegeben haben.
Nicht nur eine Kopie der „Identitären Bewegung", was Rechte momentan immer wieder kopieren sind Protestformen die Umweltschützer und Linke schon lange erfolgreich zeigen.
@Ullrich:
Die auf die Stirn gemalten Hakenkreuze sind nirgendwo belegt. Passen auch nicht zum Stil der Dortmunder Nazis. Das ist mmn ein blödes Gerücht.
@Sebastian Weiermann:
Das mit den Hakenkreuzen hatte ich u.a. bei Spiegel Online gelesen. Aber im Zweifelsfall sind Sie wohl näher dran. Selbst für Neonazis wäre so etwas ungewohnt dämlich. Andererseits war die gesamte Aktion nicht sonderlich intelligent, und ich vermute zudem dass er eine oder andere unter den Beteiligten durchaus bereits Vorstrafen haben könnte.
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