„Alles, was den Bau und damit das Wohnen verteuert, ist einem Realitäts-Check zu unterziehen“

Ina Scharrenbach Foto: mhkbd nrw 

Unsere Gastautorin Ina Scharrenbach (CDU) ist Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen und will Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum miteinander verbinden.

Die Energieeffizienzhausförderung wird im Januar 2022 durch die Bundesregierung gestrichen. Im Februar 2022 fordern alle (!) 16 Landesbauministerinnen und –minister die Bundesregierung auf, die durch die Entscheidung der Bundesregierung entstandene Finanzierungslücke beim Wohnungsneubau umgehend zu schließen. Gleichzeitig sagen alle 16 Landesbauminister: Der Klimaschutz im Gebäudesektor ist eine wichtige, jedoch nicht die alleinige Zielrichtung der Wohnungspolitik. Die Finanzierbarkeit energetischer Bestandsmaßnahmen sowie die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem klimagerechten Wohnraum zu bezahlbaren Preisen hat gleichrangig im Blick zu sein. Im April 2022 wird die Effizienzhausförderung wieder aufgelegt – für einen Tag, dann war das Fördergeld vergriffen. Gasumlage ja – Gasumlage nein. Jetzt die neue Diskussion: Öl- und Gasheizungsverbot ab 2024. Förderung: ja, nein, vielleicht?

Die Bundesregierung schreddert mit dieser Art von Politik Wohnungsneubauvorhaben und torpediert die weitere Modernisierung von Wohnraum in Richtung Energieeffizienz. Die Bundesregierung will Klimaschutz im Gebäudebereich und erreicht genau das Gegenteil. Sie sorgt in unsicherer wirtschaftlicher Zeit für zusätzliche politische Verunsicherung. Jeder weiß: Schrauben kann man so lange drehen, bis sie „dull“ sind. Offen gesagt: Das gilt auch für Menschen. Derzeit weiß wirklich niemand mehr, was wann wie gelten soll. Dabei benötigen gerade die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft und die Wohnungseigentümer langfristige Planbarkeit. Zugleich verletzt die Bundesregierung mit ihren unausgegorenen Vorschlägen die Notwendigkeit der Abwägung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange beim Wohnen. Es gilt, die Ziele des Wohnungsneubaus, des Klimaschutzes und der Bezahlbarkeit wieder in einen Ausgleich zu bringen. Es geht doch nur, wenn es Hand in Hand geht. Seit 2020 hat wieder ein Sanierungszyklus in der Wohnungswirtschaft begonnen – und seit Anfang 2022 ist Energieeffizienzhaus-Chaos.

Gleiches gilt für die von der EU geplante Sanierungspflicht. Es fehlt die differenzierte Betrachtung zwischen den Mitgliedsstaaten und auch hier lässt man die Bezahlbarkeit von Maßnahmen für die Gebäudeeigentümer völlig aus dem Blickwinkel verschwinden. Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Es ist zu befürchten, dass der Großteil der Kosten am Ende von Eigentümerinnen und Eigentümern sowie Mieterinnen und Mieter gestemmt werden muss. Das sorgt zu Recht für Unverständnis. Aus einer eingeschränkten Perspektive – weder auf europäischer noch auf Bundesebene – kann keine Weitsicht und Planbarkeit folgen – und diese politische Weitsicht und Planbarkeit benötigen Hauseigentümer. Im ersten Schritt trifft es die Eigentümer, im zweiten Schritt die Mieterinnen und Mieter, im dritten Schritt die Kommunen selbst, wenn sie Eigentümer von Stadtwerken sind. Genau diese Grundversorger werden aber für die kommunale Wärme- und Energieversorgung der Zukunft dringend benötigt – hier stehen riesige Investitionen aus allen Bereichen an.

Was braucht es jetzt? Es benötigt dringend eine politische Ordnung, um die sozialen Aspekte des Wohnens mit denen der Energieeffizienz wieder miteinander in Einklang zu bringen. Es braucht ein Baukosten-Moratorium: Alles, was den Bau und damit das Wohnen verteuert, ist einem Realitäts-Check zu unterziehen. Es gilt, die CO2-Einsparung im Gebäudebereich technologie-offen zu steuern und nicht über kleinteilige Technikvorgaben. Darüber hinaus ist das Wohnviertel mehr in den Blick zu nehmen, um den Druck vom Einzelgebäude und Eigentümer herunterzunehmen und diesen auf dem Weg dann zielgerichtet mitnehmen zu können. Einige Kommunen sind schon in die kommunale Wärmeplanung eingestiegen, alle anderen werden folgen. Das ist der richtige Ansatz, um den Menschen aufzeigen zu können, wie künftig die Wohnviertel mit Wärme versorgt werden – das schafft Vertrauen, auch für Investitionen und Bezahlbarkeit.

Gleichzeitig braucht es positive Anreize, um klimagerechtes Bauen voranzutreiben. Fördern statt verhindern ist das Credo. In Nordrhein-Westfalen zeigen wir, wie es gehen kann. Mit der öffentlichen Wohnraumförderung für 2023 setzen wir neue Maßstäbe bei Förderkonditionen und beim Klimaschutz. Durch die landesseitige Modernisierungsoffensive konnten seit 2019 bereits rund 48.000 Tonnen CO2 eingespart werden und gleichzeitig wird die Bezahlbarkeit der Miete auch nach der Modernisierung gesichert. Um den Klimaschutz beim Bauen weiter voranzutreiben, haben wir das Förderangebot weiter verbessert. Zukünftig können Modernisierungsdarlehen von bis zu 200.000 Euro pro Wohnung oder Eigenheim gewährt werden. Zudem heben wir den Anteil des Zuschusses am Darlehen von aktuell höchstens 35 Prozent auf bis zu 55 Prozent. Damit können mehr als die Hälfte aller anfallenden Investitionskosten direkt vom Land übernommen werden. Dabei gilt: Je energiesparender und klimafreundlicher modernisiert wird, desto stärker beteiligt sich die Landesregierung an den Kosten.

Wir gestalten die Modernisierung von Wohngebäuden mit den Eigentümern und Mietern, nicht gegen sie. Anreize zu setzen, ist unser Kompass. Politik hat ein verbindendes Element zu sein, dass die Ziele einer Gesellschaft zusammenzubringt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördert. Politische Vorhaben sollten für die Menschen in unserem Land immer auch realisierbar und leistbar sein. Die Pläne der Bundesregierung und der EU sind es nicht.

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