Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit

KZ Auschwitz, Einfahrt (Quelle: Deutsches Bundesarchiv)


Heute vor 72 Jahren wurde Auschwitz befreit. Menschen die mit Pappschildern versichern nicht zu vergessen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschland die Relativierung des Holocaust bereits im Gange ist und die Forderung nach einem Schlussstrich in Deutschland bereits mehrheitsfähig ist. Von unserem Gastautor Oliver Vrankovic.

Mit der AfD haben die Holocaustrelativierung und das Aufleben von Verschwörungstheorien einen parlamentarischen Arm. Gleichzeitig finden sich unter denjenigen, die versichern, nie vergessen zu wollen eine Mehrheit, die dessen ungeachtet eine Kollaboration mit dem Iran befürwortet und damit die Forderung “Nie Wieder” zu einer hohlen Phrase verkommen lässt. Im folgenden sind fünf Schicksale von Auschwitz Überlebenden aufgeführt. Sie zeugen von verschiedenen Aspekten des Holocaust wie medizinischen Experimenten, Hunger, Entmenschlichung, bestialischer Brutalität, aber auch Widerstand. Sie bezeugen, dass Auschwitz die Menschen ein Leben lang verfolgt und dokumentieren an Beispielen die Angst der letzten Zeugen vor jener Holocaustrelativierung, die in Deutschland bereits im Gang ist. Schließlich zeugen die fünf Geschichten vom Willen der Überlebenden ihr Leben danach in Erez Israel anzufangen. Sie alle wurden Mitbegründer des Staates Israel, an dessen Feindes Seite sich 72 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz das offizielle Deutschland und die Mehrheit der Deutschen stellt.

Miri Schönberger

Miri Schönberger, geb. Margit Sauer wurde in der ungarischen Stadt Paks geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Ungarn wurde sie mit ihrer Familie und allen Bewohnern der Stadt in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort angekommen wurde ihre blinde Großmutter zu einem Krankenwagen geschickt, der sie vorgeblich zu einer Krankenstation fahren sollte. Ihre Mutter bestand darauf sie zu begleiten. Miri und ihre Zwillingsschwester Sarah und ihr Bruder sahen die Mutter und Großmutter zum letzten Mal. Zuvor hatte ein SS Mann ihre Mutter gefragt, ob Miri und Sarah Zwillinge seien. Da ihre Mutter dies bejahte wurden sie zur Seite gestellt und mussten so bei der Selektion zuschauen. Auf der einen Seite diejenigen die zur Zwangsarbeit geschickt wurden und auf der anderen Seite die Alten und die Kinder, die ins Gas geschickt wurden, wie sie nur wenig später erfuhren. Miri und Sarah wurden tätowiert und kamen in den Zwillingsblock, wo Mengele seine Zwillingsexperimente durchführte. Drei Mal in der Woche wurde Miri stundenlang vermessen und drei mal in der Woche habe wurde ihr Blut abgenommen und manchmal wurden ihr Injektionen verpasst. Als besonders hart waren ihr zudem die oft stundenlangen Zählappelle in Erinnerung geblieben.

Doktor Mengele könne sie ihn nicht nennen, sagte Miri, nur Drecktor Mengele. Sie und ihre Schwestern gehörten zur bekannten Gruppe der “Mengele Zwillinge”. Sie hätte nie verstanden, was er gewollt hätte und was ihn angetrieben hätte, sagte sie. Ungefähr 1500 Zwillingspärchen wurden von Mengele für seine tödlichen Experimente eingesetzt. Es wird geschätzt, dass weniger als 200 Einzelpersonen überlebten. Wenn ein Zwilling starb, wurde der andere mit einer Injektion ins Herz getötet, um eine vergleichende Autopsie vorzunehmen. In besonders traumatischer Erinnerungen aus Auschwitz waren ihr die gewaltigen Verbrennungen in Erinnerung geblieben.

1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit. Es sei ein Samstag gewesen, erinnert sich Miri noch ganz genau und eine alte Frau, die kaum gehen konnte, hätte angefangen um die russischen Soldaten zu tanzen. Doch ihre Befreier brachten ihnen zunächst keine Freiheit. Die Russen behandelten sie wie Kriegsgefangene und trieben sie erst nach Kattowitz, dann nach Czernowitz und von da nach Slutsk. Erst ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkrieges gelangten Miri und ihre Schwester Sarah zurück nach Ungarn. In Budapest fanden sie heraus, dass auch ihr Bruder Jehuda den Holocaust überlebt hatte. Ihre Heimatstadt fanden sie ausgestorben und in ihrem Haus wohnten Ungarn, was sie zu Obdachlosen machte. Am 5. November 1946 bestiegen sie im jugoslawischen Bakar das Flüchtlingsschiff “Knesset Israel”.

Miri ist letztes Jahr gestorben. In den letzten Moaten ihres Lebens hat sie ständig von Auschwitz geredet. Sie hatte Angst, dass die Welt den Holocaust irgendwann nicht mehr glauben würde.
Miri hat einen kleinen Gedichtband geschrieben. Das erste Gedicht heißt Auschwitz.

Die Nacht stieg herab, Dunkelheit ringsum
Doch was ist das plötzlich? Woher das Licht?
Der Teufel herrschte hier über alles
Das Licht der Finsternis erleuchtet die Nacht
Weil das Licht das hier leuchtet
vom Kamin der Verbrennung kommt

Yehuda Maimon

Yehuda Maimon stammt aus Krakau und bezog mit seiner Familie, wie viele andere Familien auch, ein Zimmer in einer 3-Zimmer-Wohnung im Ghetto.
Betätigungsmöglichkeiten und die Bewegungsfreiheit der Bewohner des Ghettos wurden immer weiter eingeschränkt. Es sei ein perfide ausgeklügelter Psychoterror gewesen, erinnert sich Yehuda. Einerseits sei die Not der Juden immer weiter verschärft worden, andererseits wurde ihnen aber immer ein kleiner Hoffnungsschimmer gelassen.

Die Bewohner der Ghettos konnten sich nicht vorstellen, wie weit die Grausamkeit der Nazis gehen würde. Dann erreichten erste Nachrichten vom Massenmord an den Juden die Bewohner des Ghettos. Eine Botin des HaShomer HaTzair aus Wilna machte im Ghetto Krakau die Massenerschießungen in Ponar bekannt. Die älteren Bewohner des Ghettos hätten die Berichte erst nicht geglaubt. Krakau, so sagt er, sei Teil des Österreichisch-Ungarischen Reiches gewesen, und wie seine Eltern, hätten viele Juden der Stadt perfekt Deutsch gesprochen und die deutsche Kultur geliebt. Sie hätten schlicht nicht glauben können, dass die Deutschen, diese Kulturnation, die so viele Schriftsteller, Philosophen und Komponisten hervorgebracht hatte, fähig sei, einen Massenmord an den Juden zu begehen.

Yehuda und andere junge Zionisten verstanden dagegen, dass sie wie “Lämmer zur Schlachtbank” geführt würden, wenn sie nicht anfingen, sich zu wehren. Weil sie nicht   sterben wollten, ohne sich widersetzt zu haben, gründeten Yehuda und andere Mitglieder der religiös-zionistischen Jugendbewegung Bnei Akiba die erste Widerstandsbewegung auf polnischem Boden. Zum gewaltsamen Widerstand entschlossene zionistische Jugendbewegungen schlossen sich an.

“Der Kämpfende Pionier” griff nach Möglichkeiten die deutsche Infrastruktur an. Yehuda verübte einen Überfall auf einen deutschen Versorgungszug, der Lebensmittel und Kleidung an die Ostfront bringen sollte.

Im Oktober 1942 wurde Yehuda mit seiner schwierigsten Mission betraut. Als eine Selektion stattfand, sollte er zurück ins Ghetto, um die dort verbliebenen Kameraden vor der Vernichtungsaussiedlung zu retten. 7000 Juden aus dem Ghetto wurden bei der Oktoberaktion deportiert. Unter ihnen der Vater von Yehuda, Meir Wassermann.
Am 22. Dezember rüsteten sie sich für ihre größte Aktion. Ein koordinierter Angriff auf Treffpunkte der deutschen Besatzer. Zwei Tage vor Weihnachten konnten die Widerstandskämpfer sicher sein, dass viele Generäle und Gestapo Mitglieder ihr Vergnügen suchen und die Orte, die sie dafür aufsuchten gut gefüllt sein würden. Ihre Waffen waren v.a. Molotowcocktails, bei deren Herstellung die Widerstandskämpfer von seinem früheren Physiklehrer unterwiesen wurden.

„Unser Ziel war nicht, die Deutschen zu besiegen. Es ging darum zu zeigen, dass wir unsere Ehre bewahren. Sie mögen uns umbringen. Aber mit der Waffe in der Hand […]. Ich war 18, da hat man Mut. Ich war in einer guten Gruppe. Wir hatten großartige Befehlshaber, die uns Kampfgeist eingeimpft haben. Ich war Pionier, der davon geträumt hat, nach Eretz Israel auszuwandern. Ein Idealist […] in einer Gruppe von Idealisten. Diejenigen, die uns anleiteten und führten waren sehr charismatisch. Da möchtest du etwas tun. Da bist du vom richtigen Weg überzeugt […]. Ich wusste, dass dies das Ende ist. Aber in einer kämpfenden Gruppe zu sein, hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Wenigstens wusste ich, dass ich nicht einfach so sterbe.“

Im März 1943 wurde Yehuda verhaftet und in eines der berüchtigtesten Gefängnisse der SS gesteckt. Nach einer Woche Verhör kam er in den Todestrakt. Von dort aber kam er als politischer Häftling per Gerichtsbeschluss mit einer Gruppe von 7 Männern und 3 Frauen nach Auschwitz.

In Auschwitz, so erzählt er, sei es im Grunde nicht möglich gewesen, mehr als vier oder fünf Monate zu überleben. Die Zwangsarbeit hätte alle Kräfte aufgezehrt und ein Stück Brot, ein Nichts an Margarine und verwässerte Suppe hätten den Substanzverlust nicht ausgleichen können. Die nicht mehr Arbeitsfähigen seien regelmäßig ausselektiert und in die Krematorien geschickt worden. Die Selektion erfolgte anhand einer Inspektion der nackten Körper.
Yehuda selbst kam nach einem Monat Gefängnis bereits geschwächt in Auschwitz an. Nach wenigen Wochen Zwangsarbeit wurde er krank.

Im Krankenhaus, das es in Auschwitz gab, durfte ein Patient nicht länger als 14 Tage sein. Wer nach zwei Wochen nicht gesund war, wurde ins Krematorium geschickt. Yehuda erkrankte schwer und hatte am 13. Tag 40 Grad Fieber. Er sollte am nächsten Tag in den Tod geschickt werden. Vor seinem Tod wollte er unbedingt noch die Geschichte vom jüdischen Widerstand in Krakau weitergeben. Er erzählte sie einem Pfleger, von dem er nicht wusste, aus welchem Grund er in Auschwitz war, da die Pfleger und Schwestern nicht gekennzeichnet waren.
Es stellte sich heraus, dass es ein Jude war, 10 Jahre älter als Yehuda und Apotheker, weswegen er als Pfleger angestellt war. Es stellte sich weiter heraus, dass er ebenfalls Mitglied von Akiba war und dass er zum Untergrund in Auschwitz gehörte. Nachdem sich der Pfleger an seinen Vorgesetzten aus dem Untergrund gewendet hatte, wurde Yehuda verlegt und als Neuzugang ausgewiesen. Er wurde für den Untergrund rekrutiert. Es sei eine kommunistische Widerstandsbewegung gewesen, erzählt er. Er habe darauf bestanden, als Zionist aufgenommen zu werden. Denn Kommunist sei er nie gewesen.

Am 18. Januar begann die Räumung des Lagers. Sie sollte als Todesmarsch in die Geschichtsbücher eingehen.

Yehuda gelang es, nach drei Tagen mit einer Handvoll Kameraden im Lager Gleiwitz zu entkommen.

Für ihn persönlich habe der Krieg nie aufgehört, sagt Yehuda.  Auschwitz würde ihn unaufhörlich verfolgen.

“Es ist unmöglich zu vergessen, was ich durchgemacht habe. Auschwitz kann ich nicht vergessen. Wer in Auschwitz war, träumt jede Nacht davon. Mit Leuten, die mit dir dort waren, redest du ständig darüber. Du kannst trinken, tanzen, feiern. Am Ende redest du über Auschwitz. Für Leute wie mich ist der Krieg nicht zu Ende.”

Moshe Givon

Ein inzwischen verstorbener Bewohner des Heims, Moshe Givon, hatte beim Eichmann Prozess ausgesagt. Als er mir das erste Mal seine Häftlingsnummer auf seinem Arm zeigte, erklärte er, dass diese sich nie abwaschen ließe. Als er nach Israel gekommen sei, habe er sich lange geschämt für die Nummer. Auch im Hochsommer sei er nur langarmig aus dem Haus gegangen.

Am Tag nach Pessach 1944 wurden die Juden aus Borșa in der Synagoge der Stadt eingepfercht. Es sei unerträglich eng gewesen, erzählt Moshe. Wer einen Platz zum Sitzen fand, gehörte zu den absolut begünstigten. An Schlaf sei nicht zu denken gewesen. In der Synagoge seien sie einige Tage festgehalten worden. Jeder habe sich gefragt, welches Schicksal ihn erwarte. Die Männer hätten pausenlos gebetet. Nach einigen Tagen sind die Juden aus Borșa ins Ghetto Visho gezwungen worden. Dort wurden Männer gezwungen, sich zu rasieren. Es war das erste Mal, dass Moshe seien Vater weinen sah. Den stolzen Mann, der in der Armee Österreich-Ungarns gedient hatte.

Das Ghetto sei vergrößert und verkleinert worden und schließlich kam die Ankündigung das Ghetto würde geräumt werden. Moshe war mit seinen Eltern und Schwestern und seiner 6jährigen Cousine im ersten Transport. Am Bahnhof stiegen sie in die Viehwaggons des Zuges.  Seinen Eltern fiel das Einsteigen schwer. Die Waggons waren überfüllt. Und der Zug bewegte sich nicht. Zwei Tage lang stand der Zug. Ein weiteres Bild, das Moshe nie wieder aus dem Kopf ging. Und als sie dann nach Auschwitz kamen stand der Zug erneut für lange Zeit. In der Zeit begriff Moshe den Terror. Je länger sie in den Viehwaggons zusammengedrängt waren, desto sehnsüchtiger warteten sie darauf, diese endlich verlassen zu dürfen. Egal wohin.
Als sie ausstiegen, nahm Moshe seine kleine Cousine an die Hand. Bei der Selektion sah er seinen Vater und seine Mutter und seine Schwestern das letzte Mal. Auch seine kleine Cousine.

Er wurde mit anderen Arbeitstauglichen aufgefordert sich auszuziehen. Einer rannte davon und wurde erschossen. Nachdem sie sich ausgezogen hatten, wurden ihnen alle Haare entfernt. Dann bekamen sie blau-weiß gestreifte Häftlingskleidung. Dann wurden sie in eine Sammelstelle gebracht, wo sie die Nacht ausharren mussten ohne zu schlafen. Am Morgen wurden sie nach Birkenau gebracht.

Inmitten des Mordens und Sterbens in Auschwitz sah Moshe gelangweilte Wächter. Er sah Soldaten gähnen während er sich fragte, welcher Tod auf ihn warte.
Nach einigen Tagen wurden sie in strömendem Regen nach Auschwitz überführt. „Arbeit macht frei“ stand auf dem Torbogen, durch den sie das Lager betraten.
Er kam in Block 6A. In der Nacht wurde er tätowiert. Es hätte sehr weh getan, erinnert er sich.  Das er zum ersten Mal nach Tagen ein Stück Brot bekam. In Auschwitz sei er fortan nur noch mit der Nummer gerufen worden.

Nach drei Tagen wurde seine Nummer mit 150 anderen Nummern zum Appell gerufen. Nachdem sie zwei Stunden regungslos standen, wurden sie mit einem Lastwagen ins Lager Lagisza gebracht.

Dort folgten etwas mehr als zwei Monate harter Arbeit, Auszehrung und harter Schläge. Appelle. Kapos. Mitgefangene, die verschwanden.

Und regelmäßig seien die Arbeitsunfähigen ausselektiert worden. Als er selbst so abgemagert gewesen sei, dass er nicht mehr sitzen konnte, sei auch er für die Gaskammern aussortiert worden. Nackt hätte er mit einer Gruppe weiterer Ausselektierter auf seine Deportation gewartet. Doch der Lastwagen, der sie holen sollte, kam nicht. Die der Gaskammer geweihten wurden zurückbeordert. Der nächste Tag war Sonntag. Er blieb am Leben.

Eins von mehreren Ereignissen in Lagisza, an die er sich gut erinnerte, war ein russischer Luftangriff. Ein Metallstück einer Bombe fiel in das Lager. Ein Gefangener hob es auf und küsste es und wurde dafür erschossen. Ein anderer wurde für ein Vergehen am Lagereingang für Alle sichtbar aufgehängt und hängen gelassen.

Die Zwangsarbeit, die er zu verrichten hatte, bestand im Aufbau einer Reifenfabrik. Das Essen bestand aus einem Stück Brot mit etwas Margarine, etwas Marmelade am Morgen und wässriger Suppe am Abend. Moshe bestand nur noch aus Haut und Knochen. Er wog nur noch etwas über 30 Kilo. Täglich starben Mitgefangene an Hunger oder an Schlägen.

Tali Givon wünscht sich, dass möglichst viele Menschen die Geschichte ihres Vaters Moshe hören. Als sie ihm vor einigen Jahren eröffnete, dass sie nach Berlin gehen wolle, sei er strikt dagegen gewesen, erzählt Tali. Um ihn zu überzeugen, sagte sie ihm, dass er es als seinen Sieg über die Nazis ansehen könne, wenn seine Tochter mit dem Davidstern um den Hals, durch Berlin laufe. Für jeden sichtbar.

Als sie aber später noch einmal in in Berlin war, hielt Sie die Kette mit dem Davidstern unter der Bluse versteckt.

Eli Roth

Eli Roth aus Ungarn ist einer der Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz. Er gehört einer Seniorengruppe an, die sich wöchentlich zu Seminaren im Beit Volyn in Givatayim trifft. Einer deutschen Delegation von Gewerkschaftsvertretern erzählte er als Zeitzeuge von seinem Leiden während des Holocaust. Bevor er zu erzählen anfing, lies er durch den Übersetzer fragen, ob seine Zuhörer wüssten, dass die Shoa tatsächlich stattgefunden habe. Er stellte die Frage im vollen Ernst und vor dem Hintergrund seiner Überzeugung, dass mehr und mehr Menschen den Holocaust in Frage stellen.

Die Kollaboration mit dem Iran zu beenden wäre eine angemessene Form des Gedenkens.

Der erste Eindruck von der Hölle, die er durchmachen sollte, bekam er in einer Ziegelei, in der die Juden zusammengetrieben wurden und wo ein Jude gezwungen wurde, auf einen Haufen glühender Kohlen zu steigen und von dort ohne Schuhe herunter. Er starb an seinen Wunden.

Zu den traumatischsten Erlebnissen gehört für Eli Roth der Transport nach Auschwitz. Drei Tage seien sie in Viehwaggons eingepfercht gewesen, mit vier Eimern in den vier Ecken des Waggons, in die die Notdurft verrichtet werden musste.

Weitere traumatische Erinnerungen sind die Selektion an der Judenrampe und die Prozedur der Enthaarung und Desinfektion. Die vielen Wunden, die bei der Rasur gerissen wurden, haben bei der Desinfektion höllisch gebrannt. Im Lager dann die Tortur der Tätowierung und der Kampf ums Überleben als Nummer.

Von Auschwitz sind Eli Weiss das stundenlange Stehen bei den Zählappellen in furchtbarer Erinnerung, die unmenschlich harte Arbeit, die nächtliche Enge auf den Pritschen und die ständigen Selektionen.  Am meisten aber der Hunger und die totale Fixierung auf die Lebensmittelrationen. Junge Burschen hätten die Absätze in den Teekesseln ausgekratzt, um etwas zwischen die Zähne zu bekommen.

Doch bald schon, so weiß Eli, würden keinen Zeitzeugen mehr am Leben sein, um der Holocaustleugnung die eigene Geschichte entgegenzuhalten. Deshalb ist es ihm ein Anliegen, seine Geschichte möglichst vielen Leuten weiterzugeben.

Shmuel Reinstein

Shmuel Reinstein wurde 24. April 1930 als achtes Kind jüdischer Händler in Strzemieszyce geboren. Als Kind erlebte er die deutsche Besatzung und die ständige Verschärfung der Repressionen gegen die Juden und schließlich das Ghetto und die Deportationen.

Als die Deutschen und die von den Deutschen installierte polnische Hilfspolizei eine Aktion im Ghetto durchführten, sah Shmuel seine Mutter das letzte Mal. Ihm selbst gelang es, vom Appellplatz, wo Selektionen durchgeführt wurden, ins Haus seiner Großmutter zu entkommen, das direkt daneben lag. Dort aber wurde er mit Hunden aufgespürt. Im Jahr 1992 nahm Shmuel seine Kinder mit nach Strzemieszyce, um ihnen das Haus und den Treppenaufgang zu zeigen, unter dem er versucht hatte sich zu verstecken.

Bei der Selektion behauptete der 11 ½ Jahre Shmuel, dass er 17 Jahre alt und Hilfsklempner sei. Mit anderen Arbeitsfähigen wurde er nach Auschwitz gebracht, wo ihnen eine Nummer eintätowiert und gesagt wurde, dass sie fortan keine Namen, sondern nur noch Nummern hätten. Wie sein Bruder Meir kam er ins Arbeitslager Blechhammer. Der Tag in Blechhammer begann mit dem Appell von Vier bis Viertel vor Sieben. Dann holte die SS die Zwangsarbeiter ab. Einmal als Shmuel beim Straßenbau eingeteilt war und Steine nicht zur Zufriedenheit des Aufsehers klopfte, schlug der ihn so hart mit dem Gewehrkolben, dass Shmuel blutend zusammenbrach.

Von Blechhammer wurden Shmuel und sein Bruder Meir nach Gros Rosen und von dort nach Buchenwald deportiert. In Buchenwald gelangten sie an die Kleidung von politischen Häftlingen. Von Buchenwald wurden sie nach Flossenbürg gebracht. Im Hauptlager Flossenbürg, wo sich zu der Zeit ca. 15.000 Häftlinge befanden, wurden Shmuel und sein Bruder als politische Gefangene mit ca. 2000 Polen und Ukrainern in eine Baracke gequetscht. Als Shmuel im Dezember 2018 in seinem Haus in Givatayim von Flossenbürg als einem „ganz furchtbaren Ort“ erzählt, macht er eine Pause und starrt ins Leere. „Es gab da vieles“, so sagt er, „das zu brutal ist, um erzählt zu werden“.

Als die Amerikaner Bayern eroberten, wurden die Häftlinge aus Flossenbürg auf verschiedenen Evakuierungsmärschen Richtung Dachau geschickt. Die Todesmärsche zogen eine Blutspur durch die Oberpfalz. In dünner Häftlingskleidung und mit  Holzschuhen in der Kälte und im strömenden Regen durch Felder und sumpfige Wiesen, war es vielen Häftlingen nicht möglich, Schritt zu halten. Wer zurückfiel wurde gnadenlos erschossen. Shmuel erzählt, wie sie  auch durch Dörfer getrieben wurden, in denen die Bevölkerung die ausgemergelten Häftlingen gesehen hat. Nicht selten wurden Menschen vor den Augen von Dorfbewohnern umgebracht. Shmuel lief in den ersten Reihen um hier und da zu riskieren, vom Wegrand etwas Essen aufzupicken ohne zurückzubleiben. Als sie bei Regensburg Panzer hörten und SS Männer desertierten, wussten sie dass ihre Rettung nahe war. Über Regensburg gelangten die Brüder nach Neunburg vorm Wald, wo Meir, der an Typhus erkrankt war, behandelt wurde. In Neunburg knüpfte Shmuel Kontakt zu Amerikanern, die sich seine Geschichte anhörten und entsetzt waren. Shmuel erklärte den in Neunburg stationierten Amerikanern, wie sie SS Leute anhand ihrer Tätowierungen identifizieren werden konnten. Ein Oberst der US Army schrieb Shmuel dafür einen Brief, in dem stand, dass jeder Amerikaner dazu angehalten ist, ihm zu helfen. Als seine amerikanischen Freunde nach Japan verlegt wurden, wollte Shmuel mitkommen, doch ihm wurde gesagt, es sei zu gefährlich. Greta Fischer, eine Mitarbeiterin der UNRRA entdeckte die Reinstein Brüder später auf der Straße und brachte sie in das DP Kinderzentrum Kloster Indersdorf. In der folgenden Zeit entwickelten sie sich zu Zionisten. Die Amerikaner boten Shmuel an, in die USA zu gehen, doch Shmuel träumte vom Yishuv in Palästina.

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Alexander Bergers
5 Jahre zuvor

Darf man an die Schicksale erinnern indem mal diese als einzelne Geschichten teilt? Frage an "Gastautor" Und Danke

Jupp Schmitz
Jupp Schmitz
5 Jahre zuvor

Hallo Alexander,
und wenn "Gastautor" nur im allgemeinen geblieben wäre, hättest du wahrscheinlich nach dem konkreten Einzelfall gefragt…

An dieser Stelle empfehle ich "Aktion 1005" von Andrej Angrick. Auch und gerade in Bezug auf den Wert und geringe Zahl der Opfer-Augenzeugen der Shoa.

thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

Gäbe man den Ermordeten keinen Namen und Gesicht, wäre der Sieg der Nazis über die europäischen Juden vollkommen. Nun kann man wohl nicht allen Opfern einen Namen und Gesicht geben. Aber jede Kommune kann für sich eine Möglichkeit finden, den ermordeten jüdischen Mitbürgern zu gedenken. Stolpersteine, Mahnmale und verpflichtendes Beschäftigung mit dem Schicksal der ehemals jüdischen Mitbürgern in den städtischen Schulen. Abgesehen davon steht der Holocaust eh in den Richtlinien.
Der Erfolg der Fernsehserie HOLOCAUST war von den TV-Gewaltigen damals keinesfalls so erwartet worden. Die Telefondrähte zu den "Callcentern" liefen schon während der Sendung heiß, wenn ich das riecht erinnere. In dieser Serie bekam die Shoa Namen und Gesichter. Es waren Menschen wie du und ich, die da in der Menschenmühle der Nazis einem grausigen Schicksal
ausgeliefert waren.

walter stach
walter stach
5 Jahre zuvor

Einzelschicksale…..
In der Literatur, auf der Theaterbühne, im Film ist es doch nicht ungewöhnlich, sondern es gehört doch dazu -jedenfalls oftmals-, daß Geschichte(n) erzählt wird (werden) mittels realer oder fiktiver Einzelschicksale. Und warum? Weil der Leser, der Zuschauer so am ehestem. am besten emotional "seinen Zugang" zur Geschichte, zu den Geschichten findet.

Allerdings, so denke, ist die Frage durchaus naheliegend, ob diese allgemeine Einsicht/Ansicht so problemlos/bedenkenlos auch gelten kann, wenn "man" versucht, sich literarisch, auf der Theaterbühne, im Film mit dem Holocaust zu befassen.

Wenn man also versucht, sich ihm literarisch, im Theater, im Film anzunähern. Wenn man versucht, sch in der Literatur, im Theater, im Film mit der Frage auseinanderzusetzen, warum Menschen dazu fähig waren (und sind), millionenfach Mitmenschen in einem "industriell organisierten Prozess" zu ermorden, weil sie Juden sind. Wenn man versucht, sich der Frage zu stellen, , was das denn für Menschen waren, die den Holocaust organisiert und umgesetzt haben. Nazis, ja, aber damit allein kommt man ihrem Menschsein nicht nahe. Und wenn man , und zwar nicht zuletzt, versucht, sich dem Menschsein derjenigen anzunähern, die durch die Nazis massenhaft ermordet wurden.. Juden, ja, aber allein wird man ja ihrem Menschsein, ihrem Schicksal als Menschen nicht,, nicht hinreichend nahekommen.
Von daher, so meine ich, sind Versuche, mittels schicksalhafter Lebensgeschichten einzelner Juden sich in der Literatur, auf der Theaterbühne, im Film dem Holocaust anzunähern, durchaus legitim. Sie erscheinen mir sogar wünschenswert, weil für viele Menschen so am ehesten, am besten etwas verstanden wird, etwas nachvollziehbar wird , etwas als Menschenwerk begriffen wird, was ansonsten in seiner gewaltigen Dimension für viele Menschen unfaßbar/unbegreiflich bleiben könnte. Und das gilt umsomehr, je größer der zeitliche Abstand der Lebenden vom Holocaust ist und zukünftig sein wird.

Thomas Weigle,
ich erlaube mir, Deinen Schlußsatz zu ergänzen mit den Worten "…und es waren Menschen wie du und ich, die den Massenmord an den Juden geplant, organisiert und realisiert haben….".
Es waren jüdische Nachbarn, die ermordet wurden, und es waren Nachbarn, die gemordet haben.

thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

@Walter Stach Ja genau, deshalb haben ja bspw. Goldhagen und auch die Wehrmachtsausstellung so viel negative und ablehnende Reaktionen hervorgerufen. Mit einem bequemen "Hitler war`s" nicht mehr getan. Die Verantwortung für die Shoa und den übrigen Verbrechen der militärischen und polizeilichen Formationen war in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

walter stach
walter stach
5 Jahre zuvor

Thomas Weigle,
ob die beiden Sätze -der von Dir und der von mir- das Essentielle z.B.in allen Diskussionen, Lehr-/Schulstunden über den Holocaust sind? Sie sollten es sein; nicht nur im Rückblick auf…, sondern primär mit Blick auf das Jetzt und das Hier und auf das Übermorgen.

thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

@Walter Stach Die Rahmenrichtlinien in NRW geben die Beschäftigung mit dem Holocaust eindeutig her. Auch in anderen Bundesländern ist das so. Die KMK fordert ebenfalls Beschäftigung mit dem Holocaust . Es liegt natürlich an der einzelnen Schulen und Lehrern, wie dieses Thema angegangen wird. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass man eine der vielen Gedenkstätten oder Museen besucht, Projekttage an den Schulen an denen Klassenübergreifend Schüler aus unterschiedlichen Jahrgangsstufen eingebunden werden.
Allerdings muss man immer damit rechnen, dass nicht alle Schüler damit einverstanden sind, dass es Gegenwind gibt, man bekommt viel dummes Zeug zu hören. Während eines Besuches in Bergen-Belsen sagt mir ein Schüler, dass das berühmte Tagebuch der Anne Frank mit Kuli geschrieben worden sei, dieser aber erst 1947 erfunden worden sei.

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