Von unserem Gastautor Michael Wuliger.
AMEISEN UND GRILLEN
Besser wissen heißt nicht besser können: Warum Intellektuelle in jüdischen Gremien scheitern
Es war bei einem Evangelischen Kirchentag vor einigen Jahren. Auf einer gut besuchten Veranstaltung des “Arbeitskreises Juden und Christen” sprach Micha Brumlik. Das weitgehend christliche Publikum war sichtlich angetan von dem, was er zu sagen hatte. “Der sollte an der Spitze des Zentralrats stehen”, meinte ein neben mir sitzender Herr. “Dann würde auf die Juden mehr gehört.”
Ich wollte mich mit meinem Sitznachbarn nicht streiten. Offensichtlich kannte er sich im jüdischen Leben nicht aus. Sonst hätte er vielleicht gewusst, dass Micha Brumlik vor seiner akademischen und publizistischen Karriere sich tatsächlich einmal als Gemeindefunktionär versucht hatte. 1971 hatte er zusammen mit Dan Diner und anderen jüdischen 68ern auf einer “Jungen Liste” für den Rat der Jüdischen Gemeinde Frankfurt kandidiert, um deren verkrustete Strukturen aufzubrechen. Die Rebellen errangen einen unerwarteten Erfolg, mit dem sie allerdings wenig anzufangen wussten. Das organisatorische und andere Klein-Klein des Gemeindelebens überforderte sie. Nach relativ kurzer Zeit gaben sie auf und überließen das Feld Ignatz Bubis, der von solchen Dingen mehr verstand.
Brumlik und Diner sind nicht die einzigen deutsch-jüdischen Intellektuellen, die einen missglückten Ausflug in die Niederungen der Gemeindepolitik in ihrer Biografie zu verzeichnen haben. Rafael Seligmann kandidierte für die Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und landete ungewählt auf einem der letzten Plätze. Julius Schoeps schaffte es zwar in das Gremium, drang dort allerdings nicht wirklich durch. “Als Wissenschaftler respektiere ich Sie sehr, Herr Professor, aber…”, war ein Satz, den er so oder ähnlich öfter zu hören bekam. Auch Michael Wolffsohn wurde als Kulturreferent der Israelitischen Kultusgemeinde München nicht glücklich. Nur ein Jahr nach seiner Ernennung gab er wegen „unüberbrückbarer inhaltlicher und organisatorischer Differenzen“ entnervt auf.
Und da ist noch Henryk M. Broder, der 2009 öffentlich seine Kandidatur als Zentralratspräsident bekannt gab: “Ich werfe meine Kippa in den Ring”. Und, nein, das sei kein Gag. Die Bewerbung sei „vollkommen ernst. Ich meine es so.“ Das Medienecho war gewaltig und fast durchgehend begeistert. Bis der Kandidat nach zehn Tage seine Bewerbung genauso öffentlich wieder zurückzog. Es war doch nur ein Jux gewesen. Er habe den Zentralrat lediglich “ein bisschen aufmischen” wollen, er er sei schließlich “nicht größenwahnsinnig.” Präsident wurde statt Henryk Broder Dieter Graumann.
Seither hat sich kein bekannter jüdischer Intellektueller mehr in die Gemeinde- und Verbandspolitik gewagt. Das ist vielleicht auch gut so. Wissenschaftler und Autoren mögen vieles besser wissen. Es besser machen können sie deshalb noch lange nicht. Gott und/oder die Genetik haben die Talente unter den Menschen ungleich verteilt. Im Talmud steht dazu bestimmt etwas. Nur finde ich gerade kein passendes Zitat dort und muss deshalb auf Äsop zurückgreifen. Der griechische Dichter erzählt in einer Fabel von der Ameise und der Grille. Die Ameise sammelt fleißig den ganzen Sommer lang Getreide. Die Grille tanzt und zirpt derweil fröhlich durch die Gegend. Als der Winter kommt, hat die Ameise Vorräte, um zu überleben. Die Grille verhungert. Gemeindefunktionäre sind, wie Ameisen, fleißig aber unscheinbar. Viel interessanter anzuschaun und anzuhören sind die intellektuellen Grillen. Sie haben auch mehr Spaß. Erfolgreicher jedoch sind auf lange Sicht die Ameisen.
Shalom Michael Wuliger,
Willkommen bei den Ruhrbaronen.
"Ich darf das, ich bin Achteljude" hängt immer bei uns in der Küche!
Herrn Broder ist doch mehr ein krawalliger Egomane denn ein Intellektuieller.
Denn er hat mhr Lust an der Kontroverse denn am Fortschritt, auch Fakten sind nicht so immer seins.
Das war früher mal unterhaltsam, mittlerweile ist er aber nur eine unter vielen Rechtspopulisten.