Der französische Philosoph André Glucksmann ist tot. Er starb im Alter von 78 Jahren. Mit Glucksmann verliert die Freiheit, verliert die Auseinandersetzung mit jeder Form des autoritären Denkens und Handelns, einer ihrer wichtigsten Stimmen.
Als junger Mann war Glucksmann Mitglied der maoistischen Gauche Prolétarienne, einer Gruppe, die man mit hiesigen Sekten wie dem KBW oder den verschiedenen K-Gruppen nicht vergleichen kann, denn die Gauche Prolétarienne beteiligte sich, auch militant, an Arbeitskämpfen und war mehr als ein Lesezirkel. Aber Gauche Prolétarienne war eine autoritäre, marxistische Gruppe und nachdem Glucksmann mit ihr gebrochen hatte schrieb er mit „Köchin und Menschenfresser“ eine der beeindruckendsten Abrechnungen mit dem autoritären Denken innerhalb der Linken. Er arbeitete heraus, das autoritäres Denken nahezu automatisch zu Lagern führt, dass die Unterdrückung, hat sie einmal begonnen, grenzenlos und brutal werden muss.
Während die deutsche Friedensbewegung dumm hinter blauen Taubenfahnen herlief, veröffentlichte Glucksmann seine „Philosophie der Abschreckung.“ In ihr machte er am deutlich, das Zurückweichen gegenüber autoritären Regimen nie eine Lösung darstellt. Die Freiheit, das machte er deutlich, lässt sich nur verteidigen wenn man bereit ist, für sie auch zu sterben. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges schrieb er:
„Haben wir das Recht, Frauen, Kinder und Kindeskinder eines ganzen Planten als Geisel zu nehmen? Dürfen wir die Zivilbevölkerungen, zu denen wir selbst gehören, mit der Apokalypse bedrohen? Verdient eine Kultur weiterhin diesen Namen, wenn sie, um zu überleben, wissentlich ihre Auslöschung riskiert? Das ist die höchst philosophische, ernsteste und einfachste Frage , die uns von der banalen Aktualität gestellt wird.
Die Antwort lautet – was die allzu ruhigen Gewissens auch immer sagen mögen – ja.“
Es gab kaum jemanden, der so für Freiheit brannte wie Glucksmann. In Deutschland schon gar nicht. Dabei irrte er wie jeder, der viel denkt und schreibt, etwa als er die Anschläge tschetschenischer Terroristen rechtfertigte, die doch nur ein autoritäres System gegen ein anders austauschen wollten.
Aber von solchen Irrungen abgesehen, stand er immer an der Seite derjenigen, die gegen Diktaturen aufstanden, egal ob sie politisch oder religiös begründet waren.
Sehr lesenswert ist auch sein Buch "Am Ende des Tunnels – Das falsche Denken ging dem katastrophalen Handeln voraus – Eine Bilanz des 20. Jahrunderts" aus dem jahre 1991. Besonders das Kapitel: Die drei Gesichter des Fundamentalismus.
Glucksmann wurde besonders gerne in der "Konkret" nieder gemacht, Gremliza schlug jedes mal sozusagen drei Kreuze, wenn er über ihn herfiel. Die Freiheit des Andre G. war am Ende gewiss nicht die der murxistischen Heilsprediger. Aber das aller ärgerlichste für die Linksreaktionäre war halt, dass Andre G. zwar nicht immer recht hatte, sie jedoch überhaupt nicht, vor allem wenn es um die angeblichen "Gesetzmäßigkeiten der marxistisch-leninistischen wissenschaftlichen Weltanschauung" geht.
Danke für den Beitrag! Es ist gerade in Deutschland mit seiner Phalanx von naiven Journalisten, die an der sog. "DDR" nicht alles schlecht finden, an Denker vom Format Glucksmanns zu erinnern.