Andreas Hollstein: Vom Sauerland ins Ruhrgebiet

Andreas Hollstein Foto: Superbass Lizenz: CC BY-SA 4.0


Altenas Bürgermeister Andreas Hollstein möchte im kommenden Jahr Oberbürgermeister von Dortmund werden. Mit dem Schleifen roter Hochburgen hat er Erfahrung.

Die Täler sind eng und dunkel, Straßen und Schienen schlängeln sich an Häusern und Industriehallen vorbei und über allem thront die mächtige Burg, in der 1914 die erste ständige Jugendherberge der Welt eingerichtet wurde. Bis 1999 war das sauerländische Altena eine SPD Hochburg. Dann kam Andreas Hollstein. Der Christdemokrat wurde der erste direkt gewählte Bürgermeister der Stadt und 2004 mit 64,7 Prozent im Amt bestätigt. Das ging dann immer so weiter, 2009 und 2014 und auch 2020 hätte er es wohl wieder geschafft, die Altenaer von sich zu überzeugen. Aber Hollstein fand, er hätte nun lange genug dasselbe gemacht und begann, sich nach einer neuen Herausforderung umzusehen. Vor ein paar Monaten fand er sie. Nach Gesprächen mit der örtlichen CDU stand Ende November fest: Andreas Hollstein wird sich im kommenden September für die Christdemokraten um das Amt des Dortmunder Oberbürgermeisters bewerben.

Die mit knapp 600.000 Einwohnern größte Stadt des Ruhrgebiets steht vor einem politischen Umbruch: Amtsinhaber Ullrich Sierau (SPD) tritt nicht wieder an. Schon 2014 konnte er sich gegen Annette Littmann von der CDU erst in der Stichwahl durchsetzen und eine rote Hochburg ist Dortmund schon lange nicht mehr. Auch die Mehrheit im Rat haben die Sozialdemokraten schon vor 20 Jahren verloren. Bei der Europawahl im Mai erreichten sie mit 22,9 Prozent nur den zweiten Platz und wurden von den Grünen geschlagen, die 25 Prozent der Stimmen erhielten.

Die Chancen für einen CDU-Kandidaten stehen also gar nicht mal schlecht, aber wie stehen sie für einen CDU-Kandidaten, der nicht aus Dortmund kommt und bislang Bürgermeister einer Stadt im Sauerland mit knapp 17.000 Einwohnern ist? Andreas Hollstein sitzt in einem großen, grünen Ledersessel in seinem Amtszimmer. „Ich bin“, sagt Hollstein, „nicht der Favorit oder „Kronprinz“. Aber ich habe eine Chance.“ Sein SPD-Gegenspieler, Thomas Westphal, zugleich Chef der Dortmunder Wirtschaftsförderung und Herausgeber der SPD nahen „Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft“, habe weniger Erfahrung als er: „Herr Westphal hat 100 Mitarbeiter, ich habe über 200. Er ist Wirtschaftsförderer, damit kenne ich mich auch aus. Aber ich habe auch Erfahrungen mit städtischen Haushalten, der Organisation der Feuerwehr und dem Ausbau von Kinderbetreuung. Dortmund ist eine andere Größenordnung als Altena, die Themen aber sind gleich und ich weiß, wie man eine Verwaltung führt und eine Stadt verändert.“ Von zehn auf sechs Prozent ist die Arbeitslosigkeit in Altena, lange eine traditionelle Stahlstadt, in Hollsteins Amtszeit gesunken.

Auch weil Altena seit Jahrzehnten Einwohner verliert, setzte Hollstein auf Zuwanderung. Seine Verwaltung und er sorgten dafür, dass die Stadt ab 2015 mehr Flüchtlinge aufnahm als sie musste. Dafür erhielt die Stadt Mai 2017 den Nationalen Integrationspreis und Hollstein den Nansen-Flüchtlingspreis des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen. Nicht alle waren mit dieser Politik einverstanden. 2017 wurde Hollstein Opfer eines Messeranschlags. Eine wichtige Erfahrung, wenn man Oberbürgermeister der Stadt werden möchte, die von allen westdeutschen Städten das größte Problem mit Rechtsradikalismus hat.

Für den Kandidaten stehen zwei Ziele im Vordergrund: Dortmund soll für Gründer attraktiver werden, neue Büros und Jobs auch in der Stadt entstehen. „Mit dem Aufbau des Technologiezentrums an der Universität hat Dortmund in den 80er Jahren viel richtig gemacht, aber Startups drängen heute in die Innenstadt. Ihnen müssen wir mehr bieten.“ Den Autoverkehr will Hollstein nicht durch Verbote und Straßensperrungen aus der Stadt drängen, sondern durch eine bessere Verzahnung mit dem Nahverkehr Alternativen bieten. „Die Menschen, die am Wochenende in der Innenstadt einkaufen wollen, dürfen wir nicht aussperren. Wir müssen ihnen gute Möglichkeiten geben, das Auto vor der Innenstadt stehen zu lassen und dann mit Bus und Bahn zu kommen.“

Klar, sagt Hollstein. Er sei kein Dortmunder, aber er kenne die Stadt gut: „Für Altenaer ist Dortmund das Oberzentrum.“ Auch beim Sport? „Auch beim Sport. Ich schaue mir gerne ein gutes Fußballspiel an, bin aber kein BVB-Fan.“ Ein Satz, für den es Mut braucht, wenn man Dortmund regieren möchte. Hat Hollstein eine Chance? Die Oberbürgermeisterwahl in Dortmund ist offen und sie wird nicht im Zweikampf zwischen Hollstein und Westphal, zwischen CDU und SPD entschieden. Auch die Grünen werden einen Kandidaten aufstellen. Es könnte Dortmunds Sozialdezernentin Daniela Schneckenburger werden. Ob die ehemalige Landtagsabgeordnete wirklich kandidiert ist aber noch offen. Klar ist heute nur eins: Es wird spannend in Dortmund.

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

Mehr zu dem Thema:

Andreas Hollstein als OB? Eine Bankrotterklärung der Dortmunder CDU

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Clemens Schröer
Clemens Schröer
4 Jahre zuvor

Mit Frau Schneckenburger, Herrn Westphal und Herrn Hollstein hätten wir dann in Dortmund drei sehr qualifizierte OB-Kandidaturen zur Auswahl. Muss man sich um Dortmund keine Sorgen machen. Frau Schneckenburger ist aber Schul- und nicht Sozialdezernentin. Diesen Job macht Frau Zoerner, die auch eine sehr gute sozialdemokratische Oberbürgermeisterin geworden wäre.

AndiN
AndiN
4 Jahre zuvor

Die größten Probleme mit Rechtsradikalismus soll also eine Stadt haben, die viel weniger Stimmen für Rechte bei jeglicher Wahlen hat als sämtliche andere Städte im
Westen?
Die Stadt hat nur ein Problem mit tendenziöser Berichterstattung und dem Verbreiten von konservativer Unwahrheiten.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

@2: Wenn es dem Kampf gegen Rechts dient ist so ziemlich alles legitim.

Thomas Weigle
4 Jahre zuvor

#2 Die Rechten, und das ist keineswegs neu, das war in der Weimarer Republik so, wollen zunächst mal die Straße beherrschen, Wahlerfolge sind zunächst zweitrangig. Kann man bspw in Goebbels "Kampf um Berlin" nachlesen. Dieser hinkende, kleinwüchsige Vorzeigearier hat diesen Konzept unsterblich gemacht. Genau deshalb hat DO ein Problem mit Rechten. Das ist doch eigentlich ganz einfach zu verstehen, es sei denn, man fühlt sich ertappt, dann will man es natürlich nicht verstehen.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

@4:

Mal abgesehen davon, daß die von der Beherrschung von Irgendwas so weit entfernt sind wie die UdSSR von ihrer Wiedergeburt, heißt es hier sonst oft: Die NPD ist so schwach, weil die Nazis alle bei der AfD sind. Was auch Unsinn ist.

Robert Müser
Robert Müser
4 Jahre zuvor

Zurück zum Thema Kandidatenwahl der Dortmunder CDU …

… auch dieser Kandidat stellt sich nahtlos die Reihe der bisherigen Kandidaten, die scheinbar seit Jahren nach dem Motto: "Bloß nicht mit einem überzeugenden Kandidaten die Wahl in Dortmund gewinnen …" ausgewählt werden.

thomas weigle
thomas weigle
4 Jahre zuvor

@ 5 1928 -2,6%, zwei Jahre später 18,3%,noch mal zwei Jahre später schon fast 40& für die NSDAP. Ich bin sicher, dass 1928 viele Menschen ähnlich gedacht haben wie sie, und die Nazis weit entfernt von jeglicher Macht gesehen haben wollen.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

Wer 2019 mit 1928 gleichsetzt kennt die Geschichte nicht. Weltkrieg, Versailles, Hyperinflation und Depression sind Faktoren, die heute nicht gibt. Und so sehen auch die Wahlergebisse der NPD aus. Seit 1965 stabil zw 2% und 0.2%.

thomas weigle
thomas weigle
4 Jahre zuvor

#8,Natürlich müssen sie als AfD-Troll so reden, um diesen politischen Arm der Straße aus der Schusslinie zu nehmen.

Gerd
Gerd
4 Jahre zuvor

Ich sehe Sie haben argumentativ nicht mehr zu entgegnen als eine Beleidigung? Schwach, aber mehr erwarte ich von Leuten nicht, die ernsthaft 1933 bevor stehen sehen oder aus politischen Gründen so tun als ob.

Thomas Weigle
4 Jahre zuvor

#10 Ich lasse mich ungern von Trollen anmachen. Ich habe nicht gesagt, dass ein 33 bevorsteht, sondern nur darauf hingewiesen, dass es ganz schnell ganz unschön werden kann, bzw im Osten schon teilweise ist. Sie haben dass mit Absicht missverstanden, damit ihr Unsinn halbwegs logisch klingt. Ein Blick auf die AfD, den politischen Arm der Straße, sollte da genügen. Die sind Ruckzuck ganz stark geworden. Dann haben wir noch einen stetig wachsende Zahl von gewaltbereiten Rechtsterroristen, die nicht vor schlimmsten Verbrechen zurückschrecken. Es gibt also für Demokraten einigen Grund zur Sorge. Für sie natürlich nicht, denn das läuft ja in ihrem Sinne
Nochmal so eine Krise wie 2008 wird mit Sicherheit den Rechten in einem Maße nutzen, wie ich es mir lieber nicht vorstellen möchte. Ebenso nutzt den Rechten der Aufstieg der rechten Populisten in einigen Ländern der EU und in den USA, denn die machen nationalistisches Handeln wieder salonfähig.
Klar soweit?

bob hope
bob hope
4 Jahre zuvor

Ich kann Thomas Weigle nur zustimmen. Außerdem: Bis vor fünf Jahren spielte die AfD zwar keine Rolle, seitdem ist sie etabliert und im „Osten“, wo NPD und DVU übrigens immer ihre Stimmen bekommen haben, ist sie zum Teil kurz davor, stärkste Kraft zu werden.

Und auch in der Bonner/Berliner Republik gab es immer wieder Situationen, in denen es ungemütlich wurde. Die „Erfolge“ der „Republikaner“ in den 1980er Jahren sollte man dabei ebenso wenig unterschlagen, wie die pogromartigen Ausschreitungen von Hoyerswerda oder Lichtenhagen oder die Mordanschläge von Solingen, Hünxe und Mölln. Erst die Verschärfung des Asylrechts durch Union, FDP und SPD 1993 hat zur Beruhigung der „Volksgemeinschaft“ beigetragen, indem man die rechtsradikalen Täter zu Opfern gemacht hat, nach dem Motto: Die Leute seien mit der Einwanderung „überfordert“, die Ausschreitungen seien eine „verständliche Reaktion“ auf „verfehlte Politik“.

Politiker wie Seiters, Lummer, Dregger, Kanther, von Stahl oder Farthmann, die damals in Union, FDP und SPD waren, wären heute in der AfD. Andere wie Schäuble oder Waigel sind Altersmilde geworden. Medien wie Bild, Spiegel und selbst die NRZ, mit Jens Feddersen als Scharfmacher, haben täglich über „Scheinasylanten“ und „Schmarotzer“ berichtet, in einer Form die man heute in der „Jungen Freiheit“ oder bei „Compact“ wiederfindet.

#8 Gerd: Zur Ihren „äußeren“ und „inneren“ Faktoren. Für viele Rechte sind Brüssel und die EU das neue Versailles, die vermeintliche „Masseneinwanderung“, die angebliche „Grenzöffnung“ oder der halluzinierte „große Austausch“ sind für sie eine Art Kriegszustand. Für berechtigte oder unberechtigte wirtschaftliche Abstiegsängste werden in erster Linie Migranten verantwortlich gemacht, obwohl etwa die Ausgaben hierfür gerade einmal fünf Prozent des Bundeshaushaltes ausmachen etc.

Das alles ergibt eine gefährliche Mischung, die nicht zwangsläufig zu 33 führen muss, aber spätestens Sarrazin hat vor zehn Jahren wieder eine Lunte angezündet, die weiter vor sich hin brennt. Keiner weiß, wie lang sie ist.

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