Das am Donnerstag in Düsseldorf gesprochene Urteil gegen den Raucher Friedhelm Adolfs ist ein Triumph für den „nanny state“ (1) . Es könnte die Tür öffnen für Denunzianten und Querulanten. Die Privatwohnung ist ein geschützter Raum und muss es bleiben, so lange dort keine Straftaten verübt werden. Von unserem Gastaur Nansy
Auch in zweiter Instanz bestätigte das Landgericht Düsseldorf die fristlose Kündigung Friedhelm Adolfs, eines Kettenrauchers aus Düsseldorf – er muss seine Mietwohnung bis Jahresende räumen. Abgesehen davon, dass es Adolfs frühere Anwältin in erster Instanz versäumt hatte eine Beweisaufnahme zu beantragen, ist es hochgradig unsozial einen langjährigen Mieter wegen einer objektiv kaum nachvollziehbaren „unzumutbaren Geruchsbelästigung“ vor die Tür zu setzen.
Denn das Irritierende an diesem Urteil ist, dass weniger eine „mögliche Gesundheitsgefährdung“ des anderen Mieters (es ist tatsächlich nur einer, alles andere sind gewerblich genutzte Räume) eine Rolle spielte, als vielmehr eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Rentners durch Förderung einer Geruchsbelästigung. Wenn aber Zigarettendunst im Treppenhaus für den Vermieter ein gerichtlich sanktionierter Kündigungsgrund ist, was ist dann dann mit stark riechenden Speisen, Knoblauchdünsten, Duftkerzen, Räucherstäbchen und Parfum“mißbrauch“? Darf ein oft und gerne Fleisch bruzzelnder Mieter gekündigt werden, weil sich die überwiegend vegetarisch ernährenden Hausbewohner belästigt fühlen?
Ironie am Rande: selbst eine angenommene Gesundheitsgefährdung würde sich nicht nur auf Zigarettendunst im Treppenhaus beschränken, sondern müsste sich auch auf Kochen und Braten beziehen – einige Studien an Frauen in China und in Taiwan (Grund: die Zahl der Raucherinnen ist dort äußerst gering) haben herausgefunden, dass gerade dort Frauen überdurchschnittlich häufig an Lungenkrebs erkranken. Offenbar spielen dabei die Kochtemperatur, der Wok, die aufsteigenden Dämpfe und auch die zum Kochen bzw. Braten verwendeten Öle etc. eine wichtige Rolle (2).
Welche legalen Drogen oder stark riechenden Speisen jemand in seiner Mietwohnung konsumiert oder zubereitet, geht keinen etwas an. Geruchsbelästigung im Treppenhaus als Kündigungsgrund würde schnell weitere Nachbarn, die sich durch Duftkerzenöl- oder Knoblauchgeruch belästigt fühlen, in Position bringen. Denn was als Belästigung oder Störung empfunden wird, ist eine sehr subjektive Wahrnehmung.
Man wird also zukünftig darauf achten müssen, ob hier „nur“ eine Sonderbehandlung von Rauchern angestrebt wird, oder ob dieses Urteil darauf hinausläuft, wirklich alles im menschlichen Umgang zu regulieren. Die Richter in Düsseldorf hatten wohl ein Gespür dafür, dass der Rauswurf eines langjährigen kettenrauchenden Mieters juristisch auf wackeligen Beinen steht – und haben dehalb eine Revision beim BGH in Karlsruhe zugelassen. Sollte der BGH auch dieses Urteil bestätigen, wäre dies ein Triumph für den „nanny state“ und dessen Wahn, wirklich alles regulieren zu wollen. Volkserzieher leben vielleicht gesund, aber sie sind zutiefst unsympathisch, verfolgen die Vision einer tugendhaften Gesellschaft ohne Tabakrauch, Alkohol, Fleisch, Parfum, Lärm und Fast-Food.
(1) http://www.derwesten.de/staedte/duesseldorf/raucher-friedhelm-adolfs-muss-mietwohnung-bis-jahresende-raeumen-id9520371.html
(2) http://aje.oxfordjournals.org/content/151/2/140.full.pdf
@Michael Kolb
Wer danach fragt „was ist dann dann mit stark riechenden Speisen, Knoblauchdünsten, Duftkerzen, Räucherstäbchen und Parfum”mißbrauch”? Darf ein oft und gerne Fleisch bruzzelnder Mieter gekündigt werden, weil sich die überwiegend vegetarisch ernährenden Hausbewohner belästigt fühlen?“, und damit hofft eine Zwei-Klassen Begründung zu entdecken… den muss ich leider enttäuschen:
Jeglicher Gestank oder ärgerlicher Geruch kann dazu führen das vors Gericht gegangen wird.
-z.B musste 1992 in Hamburg schon mal gerichtlich festgestellt werden das kochen mit Knoblauch nicht zur Kündigung führen darf..
– Wer aber jetzt frohlockt und meint es gibt eine „Sonderbehandlung“… denkste… es sind danach schon einige Mietminderungen(Und wahrscheinlich auch damit folgende Verwarnungen für den „Schuldigen“)) durchgedrückt worden wegen Essgeruch, Waschmittel, Zigarettenrauch, Tiergeruch oder allgemeinen Stinkens.
-Bisheriger Höhe-,oder Tiefpunkt,(Je nach eigener Beurteilung), einen Rentnerpaar wurde gekündigt weil sie irgendeine riechende „Pferdesalbe“ zur Behandlung für ihre Gebrechen benutzten… da musst ein Sachverständiger eingeschaltet werden um herauszufinden ob es daran liegt.(Was da jetzt herausgekommen ist konnte ich nicht weiter verfolgen)
Ich würde jetzt nicht von einer Sonderbehandlung bei Rauchern ausgehen… sondern einfach von einer massiven Erhöhung des Mieteranspruches. Ala ich hab dafür XY gezahlt, dann soll gefälligst auch nichts riechen.
Das die Vermieter jetzt auch vermehrt Versuchen statt zu schlichten lieber das „Problem zu entfernen“ dürfte auch seinen Teil dazu beitragen.
Selber muss ich sagen/schreiben: Auch wenn einige Einzelfälle tragisch erscheinen, für den marktwirtschaftlichen Liberalismus eine konsequente und richtige Entwicklung.
Ich kann das Urteil ebenfalls nicht nachvollziehen. Was das mit dem nanny state zu tun haben soll allerdings auch nicht. Es geht hier schließlich um einen zivilrechtlichen Streit zwischen zwei Privatpersonen und im Verhältnis Mieter/Vermieter doch letztlich um die Frage des Verhältnisses von Freiheit des Eigentums/Eigentümers und Erwägungen über Schutzbedürftigkeit des Mieters. Das das Urteil zu Gunsten des Vermieters ausgefallen ist, sollte den liberalen Gegnern des nanny states doch gefallen können?
@KingGhidorah:
1. Wie Sie richtig darstellen, ist Knoblauchgeruch beim Kochen kein Kündigungsgrund.
2. Auch richtig – bei der Kündigung des Rentnerpaares wegen angeblich riechender “Pferdesalbe” wird jetzt ein Sachverständiger eingeschaltet.
Der Unterschied zum Raucherprozess ist gerade der, dass hier (auch durch Fehler der früheren Anwältin) kein Sachverständiger eingeschaltet wurde – d.h. hier fand gar keine Beweisaufnahme statt. Lediglich die Behauptung der Geruchsbelästigung und die Abmahnung waren maßgebend.
Richtig ist auch, dass es hier wohl weniger um Geruchsbelästigung geht, sondern mehr um Gewinnmaximierung (zusätzlicher Gewerberaum).
Trotzdem wird das Urteil von Nichtrauchern jetzt als wegweisend in den Himmel gehoben.
Ob daraus eine Sonderbehandlung von zu Miete wohnenden Rauchern wird, kann nur der BGH und die Zukunft zeigen….
Ich bin Nichtraucher, finde das Urteil aber auch arg ‚befremdlich’…
@Kingghidorah #1
Ich bin nicht der Verfasser des Textes. Ich habe den Text nur eingestellt und falsch kategorisiert. Autor ist unser Gastkommentator Nansy, der ja auch schon auf Ihren Kommentar eingegangen ist.
Sorry, aber der Begriff „Sonderbehandlung“ muss in dem Zusammengang wirklich nicht sein. In Zukunft einfach etwas sensibler mit der Sprache umgehen oder mal bei Victor Klemperer nachschlagen.
@Bob Hope:
Sorry, mir war die Bedeutung des Begriffs “Sonderbehandlung” ausnahmsweise mal nicht klar. Aber auch in der harmlosen Version stimmt der Begriff eher nicht (jemanden bevorzugen) – wobei von mir eher Benachteiligung von Rauchern gemeint war.
Vielleicht kann @Michael Kolb die Überschrift noch in „Anrüchiges Urteil: Diskriminierung von Rauchern?“ ändern?
@Nansy: Ich habe den Titel soeben wunschgemäß abgeändert.
Das Problem ist ja nicht das Rauchen selbst oder die Menge der Kippen pro Tag. Das Problem ist, dass dieser Mieter zum Lüften ganz gezielt eben nicht das Fenster benutzt hat, sondern die Dunsthöhle gezielt durch die offene Wohnungstür ins Treppenhaus entlüftet hat.
@ KingGhidorah #1
Zitat: (…)Das die Vermieter jetzt auch vermehrt Versuchen statt zu schlichten lieber das “Problem zu entfernen” dürfte auch seinen Teil dazu beitragen.
Selber muss ich sagen/schreiben: Auch wenn einige Einzelfälle tragisch erscheinen, für den marktwirtschaftlichen Liberalismus eeine konsequente und richtige Entwicklung. Zitat Ende
Ja, so sieht es aus, das haben Sie, vermutlich unfreiwillig, genau richtig ausgedrückt: Raucher werden als „Problem“ angesehen, das „beseitigt“ werden soll.
Allerdings hat das mehr mit Sozialdarwinismus zu tun als mit Liberalismus.
Was Liberalismus ist, hat Nansy m. E. gut erklärt: Daß man gewisse Geruchsbelästigungen eben ertragen muß – zumal in der Stadt, wo Menschen nunmal eng beieinader leben. Wer schonmal einen Hausflur betreten hat, durch den vorher jemand mit stark moschuslastigem Parfum gegangen ist, wird verstehen, was ich meine. Und ganz nebenbei: Moschus gilt als stark Allergieauslösend; wenns also darum geht…
Und soviel sei hinzugefügt: In ganz Europa gibt es inzwischen GEsetze gegen das Rauchen in öffentlichen Gebäuden.
Aber nur in Deutschland wird man als Raucher angepöbelt, wenn man jetzt vor der Kneipe raucht, beschweren sich die Mieter über der Kneipe, daß jetzt der RAuch zum Fenster darüber heineinzieht und nur in Deutschland denkt eine Gesundheitsministerin laut eine Denunziations-App nach, mit der man direkt Verstöße gegen das RAuchverbot melden kann – also wenn man z. B. nachts um 2.00 noch an einer Kneipe vorbeikommt, in der vielleicht die letzten Mohikaner noch privat beisammen sitzten und sich eine rauchen, nicht daß man das womöglich am nächsten Morgen noch verschwitzt und dieses Verbrechen ungeahndet bleibt!
Zum Fall: Daß sich offenbar niemand die Mühe gemacht hat, mal unverhofft im betreffenden Hausflur aufzutauchen um zu testen, obs da wirklich so unterträglich nach Rauch riecht, wundert schon.
Ich entsinne mich da an einen bizarren Rechtsstreit unter Nachbarn, in dem es um einen krähenden Hahn ging. In dem Fall ist eine Horde hochbezahlter Richter im Hühnerstall herumgekraucht um herauszufinden, ob das Viech tatsächlich zu laut kräht.
Und da ging es um einen Hahn…
Das ist wahrscheinlich wichtiger. Sonst macht der Tierschutzverein Ärger.
@Robin Patzwaldt: Danke! Jetzt ist mir wohler…
Düsseldorf scheint in Sachen Rauchermobbing eine Vorreiterrolle in NRW eingenommen zu haben. Bin vor wenigen Tagen aus Spanien zurück gekommen und von Bilbao nach Düsseldorf geflogen. Am Flughafenbahnhof in Düsseldorf habe ich eine knappe halbe Stunde auf meinen Zug warten müssen, der mich nach Hause bringen sollte. Alle 5 Minuten gab es da eine Lautsprecherdurchsage, in der darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es sich bei dem Bahnhof um einen Nichtraucherbahnhof handelt auf dem das Rauchen aus Rücksicht auf Mitbürger und Umwelt nicht gestattet sei.
Da ich hin und wieder mit der Bahn unterwegs bin und einige Bahnhöfe kenne, fiel mir zum einen die Penetranz auf, mit der die wartenden Bahnkunden in Düsseldorf mit der Nichtraucherdurchsage zugetextet werden. Dieses „Eintrichtern“ alle 5 Minuten per Bahnhofslautsprecher kenne ich von keinem anderen Bahnhof in Deutschland.
Zum anderen gibt es natürlich auch auf den Bahnsteigen des Düsseldorfer Flughafenbahnhofs sogenannte Raucherzonen, in denen das Rauchen erlaubt ist, zumindest, wenn man den dort aufgestellten Schildern glauben schenken darf, weshalb man die Lautsprecherdurchsage durchaus auch so hätte gestalten können, dass man die Nichtraucher bittet, nur in den dafür vorgesehenen Bereichen zu rauchen, statt davon zu reden, dass das Rauchen in dem Bahnhof nicht gestattet sei.
Vermutlich wird Barbara Steffens und vielleicht auch dem einen oder anderen Richter am Düsseldorfer Landgericht so richtig einer abgehen, wenn sie von einer anstrengenden Woche im Düsseldorfer Landtag oder zurück von einer Dienstreise, am Bahngleis steht und die Durchsage hören dass dieser Bahnhof ein Nichtraucherbahnhof und das Rauchen aus Rücksicht auf die Mitbürger und Umwelt nicht gestattet ist…
Nachtrag: Mieter Friedhelm Adolfs kämpft weiter!
Zum Urteil erklärt Michael Löb, Bundesvorsitzender des Netzwerk Rauchen: „Wegen Rauchens in seiner Wohnung hätte Herrn Adolfs nicht gekündigt werden können. Die angebliche Geruchsbelästigung, auf die man sich stützt, wurde allerdings nicht hinreichend nachgewiesen. Schon im letzten Jahr waren Vermutungen laut geworden, dass es der Eigentümerin in Wahrheheit nur darum gehe, Friedelm Adolfs Wohnung teurer als Büroräume vermieten zu können. Auch der Frage, ob es nicht an Defiziten bei den Türabschlüssen liegt, wenn Gerüche entweichen sollten, wurde nicht nachgegangen. Stattdessen verließ sich das Gericht, auch bei der entscheidenden formalen Frage, ob denn eine wirksame Abmahung erfolgt war, auf seinen ‚Kronzeugen‘, einen seit Jahrzehnten mit der Vermieterin beruflich und privat verbundenen Herrn.
Aufgrund dieser besonderen Umstände des Einzelfalls ist die Entscheidung also nicht übertragbar auf andere rauchende Mieter, und darf nicht als Signal an Vermieter missverstanden werden, unter dem Vorwand des Rauchens ihre Mieter aus den angestammten vier Wänden klagen zu wollen. Wir werden mögliche Betroffene unterstützen. Netzwerk Rauchen betont, dass Rauchen weiterhin eine normale Nutzung der Mietsache bleibt, dass keine Gesundheitsgefährdung besteht und das Gefühl subjektiver Belästigung als Anzeichen für eine gegenüber früher gestiegene Intoleranz zu werten ist.“
https://netzwerk-rauchen.de/component/content/article/1-aktuelle-nachrichten/664-mieter-friedhelm-adolfs-kaempft-weiter.html
@ der, der auszog #12
Das ist nicht nur am Düsseldorfer Bahnhof so. Das darf ich mir jeden Tag auf dem Essener Bahnhof anhören. Allerdings mit einer kleinen Abweichung: Die Stimme aus dem Lautsprecher knattert, daß das Rauchen nur in den gekennzeichneten Raucherzonen erlaubt ist.
Aber die Durchsage kommt tatsächlich alle 5 Minuten – also öfter als über eine mal wieder anstehende Verspätung informiert wird – obwohl überall Nichtraucherzeichen hängen und Schilder „Rauchen nur in den gekennzeichneten Bereichen“ und über den „gekennzeichneten Bereichen“ Schilder „Raucherzone“ hängen.
Anscheinend ist man der Meinung, daß Raucher nicht lesen können.