Markus Beisicht steht im Hintergrund und feixt. Nur schwer kann der Chef der rechten Pro NRW-Truppe seinen Triumph verbergen. Die bräunlichen „Islamkritiker“ sind an diesem 9. Juni nach Köln-Deutz gekommen, um das christliche Abendland vor der islamistischen Gefahr in Gestalt des kölschen Salafisten Pierre Vogel zu erretten. Dabei erhalten sie Verstärkung von ungewohnter Seite: Ein Mann im T-Shirt der linksradikalen Tierrechtsbewegung „Antispeziesistische Aktion“, der sich selbst als „bekennenden Homosexuellen“ vorstellt, ergreift das Wort.
Damit hat Beisicht den Jackpot im Meinungskrieg abgeräumt: Zuspruch vom (vermeintlich) politischen Gegner. Daniel K., eigenen Angaben zufolge Lehrer, tastet sich ran: „Ich bekenne mich eigentlich zu linken Werten und wollte mir heute mal angucken, ob ich nicht (…) hier viel besser aufgehoben bin, als anderswo!“ Als offen Homosexueller habe er in Deutschland mehr Angst vor Islamisten als vor Nazis, sagt der Mittdreißiger. Er berichtet von Bedrohungen und Versuchen „islamistischer Eltern“, Einfluss auf den Schulunterricht zu nehmen.
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Islamismus die größte Gefahr ist, und dass der Rechtsextremismus das ist, was alle einfach blind bekämpfen, ohne zu reflektieren, und im Gegensatz zu ‚Der Freiheit‘ schäme ich mich nicht, heute mir das hier angehört zu haben!“
Links zwischen den Fronten
Jubel, „Bravooo!“. Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als dass sich hier ein „Linker“ (nach eigener Aussage Antifa-Aktivist, Tierrechtsbewegter, Grünen-Wähler) zwischen die verhärteten Fronten zweier konkurrierender rechtspopulistischer Parteien stellt. Hintergrund: Mit der Gründung der Partei „Die Freiheit“ 2010 durch ehemalige Politiker der CDU und der Piratenpartei, bekam Pro NRW Konkurrenz. Zunächst sah es so aus, als ob es zu einer Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien kommt. Doch schon früh distanzierten sich die Freiheitler von den Pros, sie warfen ihnen eine zu große Nähe zum Rechtsextremismus vor. Was nicht falsch ist, wenn man bedenkt, dass der Pro-Gründer Markus Beisicht eine Karriere in der rechtsradikalen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ vorweisen kann. Auch aus der NPD rekrutiert Pro NRW ihre Mitglieder, so etwa der ehemalige NPD- und DVU-Funktionär Andreas Molau.
Während Daniel K. spricht, platzt Markus Beisicht vor Freude fast der Kopf. Der „eigentlich Linke“ hat sich bewusst für die radikalere Variante der „Islamkritik“ entschieden – ein Punktsieg der Partei beim Buhlen um Unterstützung. Die Freiheit hält unterdessen eine eigene Veranstaltung ab, räumlich von der Pro-Demo getrennt. Nach einem Loblied auf die niederländischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn (der ironischerweise von einem Tierrechts-Aktivisten erschossen wurde) und Geert Wilders, wünscht sich Daniel K., „dass in Deutschland eine Bewegung entsteht, wo man auch linke liberale Werte integriert in den Kampf gegen Islamismus“.
„Der Islam“ und „Wir“
Ist „Querfront“ ein zu scharfer Begriff? Wikipedia bezeichnet sie als „eine rechtsextreme Bündnisstrategie, die Gemeinsamkeiten zwischen den politischen Lagern betont oder zu konstruieren versucht, mit dem Ziel, die politische Macht eines Nationalstaats zu übernehmen.“ Im Grunde wird hier nichts anderes gefordert. Die „politische Macht eines Nationalstaats“ zu übernehmen steht hier für den Wunsch, „den Islam“ aus „unserem“ Land zu verdrängen. Denn die aktuellen Regierungen, so das Weltbild der Rechten, seien von einem „linksgrünen“ Zeitgeist beherrscht, sie trieben den „Multikulturalismus“ absichtlich voran, und sorgten so für den Untergang des Abendlandes. Knackiger: Deutschland schafft sich ab.
Daniel K. trifft den Nerv seiner Zuhörer. „Das was früher als Nazis bezeichnet wurde, bezeichnet man heute als ‚multikulturelle Bereicherung‘!“ Das kommt an. Gejohle, und immer wieder „Bravooo!“ Nur beim Hinweis, dass er „im Moment“, die Grünen nach wie vor wählen werde, bekommt er ein kleines, wohl eher ironisches „Buuuh!“
Ein Segen für Rechtspopulisten
Damit dürfte der Debatte, wo linke emanzipatorische Islamkritik aufhört und wo rechte rassistische Hetze anfängt, ein weiteres Kapitel hinzugefügt worden sein. Es ist ein seltsames Bild, das der Mann im Antifa-Look da zwischen (ehemaligen)Rechtsradikalen und dubiosen Vertretern von Gruppen wie der „German Defence League“ abgibt. Nun sollte man den 3-Minuten-Auftritt einer Einzelperson im linken T-Shirt nicht überbewerten. Es stellt sich aber die Frage, ob es in Teilen der linken Szene politische Versäumnisse gibt, die manche Menschen in die Arme rechter Bauernfänger treibt. Das Ausbleiben einer emanzipatorischen, einer linken Religionskritik aus falschen Motiven, die rechter Polemik etwas entgegensetzt, ist ein Segen für Rechtspopulisten. Das wird deutlich, wenn Daniel K. etwa meint: „Man kann nicht einerseits (…) den Papst kritisieren, aber andererseits die Religion des Islamismus, die noch viel frauenfeindlicher und homophober ist, so naiv unterstützen (…)“. Beisicht grinst.
Update: Bei dem „Antifaschisten“ handelt es sich Recherchen zufolge nicht um „Carsten“, sondern um „Daniel“ K. Er ist Politiklehrer an einem Dortmunder Gymnasium. Er ist, laut Antifa-Angaben, mutmaßlich Betreiber der Facebook-Seite „Linksliberale Islamkritik“
Seit wann wurde Pim Fortuyn von einem Tierrechtsschützer ermordet? Das ist das Neueste was ich gelesen habe.Bisher war ich der Meinung das ein Islamist ihn ermordet hätte!?! Und seit wann haben die ein Herz für Tiere?
@Marin „Volkert van der Graaf (* 9. Juli 1969 in Middelburg), der dem umstrittenen Politiker auf dem Parkplatz des staatlichen Rundfunks in Hilversum fünfmal in den Kopf geschossen hatte, war als militanter Veganer und Tierrechtler bei verschiedenen radikalen Tierrechts- und Umweltorganisationen tätig gewesen. Er hatte an der landwirtschaftlichen Uni in Wageningen studiert und war Gründungsmitglied bei der Vereniging Milieu-Offensief und der Animal Liberation Front in Zeeland. Bis zu seiner Tat an Pim Fortuyn war er regional als Querulant und Prozesshansel bekannt geworden. Unter anderem hatte er 250 Klagen gegen die Gemeinde Ede angestrengt und Bauern und insbesondere Viehzüchter in der Region wegen angeblicher Verstöße gegen Umweltauflagen mit Verfahren überzogen.[3] Van der Graaf verweigerte zunächst die Aussage zu seinen Motiven und sagte später im Prozess 2003 aus, „Muslime schützen“ zu wollen
https://de.wikipedia.org/wiki/Pim_Fortuyn
Carsten K., promovierter Lehrer, ist bereits bei der EuroMayDay-Parade 2011 aus der linken Demonstration geflogen, weil er dort extrem rechte Positionen vertrat. Trotz eindeutigen Aufforderungen weigerte er sich zunächst, die Veranstaltung zu verlassen und störte so lange weiter, bis die Polizei eingreifen musste. Früher in Tierrechts-Zusammenhängen aktiv, hat er sich dort durch seine Positionen weiter isoliert. Es ist zwar konsequent, aber für viele, die ihn von früher kennen, trotzdem ein kleiner Schock, dass er jetzt offen bei den extrem rechten Rassisten von Pro NRW mitspielt. Als „Linken“ oder „Antifaschisten“ hat ihn wegen seiner Positionen allerdings schon seit geraumer Zeit kaum jemand noch angesehen, auch wenn er – wie andere Querfrontler natürlich ebenso – darum bemüht war, dieses Image trotz der eigenen rassistischen Positionen weiter aufrecht zu erhalten.
Sorry,Irrtum meinerseits.Wen ich da im Kopf hatte,war Theo van Gogh.
Spannende Parallelen und Unterschiede aus Frankreich, wo die Ränder heftiger erstarkt sind:
https://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/uebersicht/als-kohle-in-frankreich-noch-geld-bedeutete-1.17177466
Tja, Horst Mahler war auch mal bei der RAF. Heutzutage leugnet er den Holocaust, um im Gerichtssaal vor versammelter Presse ein Publikum zu haben, um den Holocaust zu leugnen.
Ein anderes Mitglied der späten RAF ist mittlerweile konvertiert und Salafist.
Manchmal ist Gesinnung wie eine Weltkugel, wer die Mitte des menschlichen Miteinanders verlässt und ins Extreme reist, ob nun 180° nach links oder 180° nach rechts, landet früher oder später an einem Punkt, an dem das alles sehr ineinander verschwimmt!
Vielleicht wäre es besser, ProNRW und die Salafisten gemeinsam in einer Gummizelle zu sperren, mit all ihren Messern und Mohammed-Karikaturen – und einen Tag später muss man wohl nur noch eine einzige Mahlzeit durch die kleine Klappe reichen. Und wenn man nicht reinschaut, weiß man nicht einmal, wer sie dann wirklich isst.
Willi Herren ist ja auch bei den Salafisten aufgetreten, in Köln ist halt alles möglich.
Guten Abend Genosse Niewendick! Wie steht es um die Arbeit bei der Partei „Die Linke“??? Ich weiss der Herr Laurin wird das sicherlich wieder zensieren, aber warum wird nicht deine Parteimitgliedschaft mal angegeben???? Schämst du dich ein „Linker“ zu sein????
Genosse Niewendick hat die Partei „Die Linke“ vor einiger Zeit verlassen.
@boese: So, einmal drin gewesen. Jetzt weißt Du wie es ist. Merk es Dir, wird nicht mehr vorkommen 🙂
@ Kamerad Boese,
Danke für den fixen Lacher am Abend. Wenn sie die Umstände meiner Abtrünnigkeit näher interessieren:
https://www.bszonline.de/index.php?option=com_content&view=article&id=2488:mein-abschied-von-der-linken&catid=42:urbi-et-orbi&Itemid=88
Lotta Continua!
Extrem links – extrem rechts, da gibt es mehr Überschneidungen als man so denkt. Das Beispiel Mahler wurde ja schon genannt.
Wenn man sich die verschwurbelten Pamphlete der RAF so ansieht, in denen unter heftigen rethorischen Verrenkungen Israel Faschismus vorgeworfen wird, wundert einen gar nix mehr.
Und die Illusion, daß jemand ein besserer Mensch ist, weil er sich als Tierschützer bezeichnet, dürfte bei genauer Betrachtung auch schnell verfliegen.
Da braucht es nicht erst Brigitte Bardot, die allen Ernstes die Front Nationale unterstützt, weil die angeblich auch für Tierschutz sind.
Nicht wenige Nazis waren Vegetarier (Hitler z. B.) und aktive Tierschützer. Nur ein scheinbarer Widerspruch, eignet sich (mißverstandener) Darwinismus doch prima, um jeglichen Humanismus platt zu machen. Da liegt die Schlußfolgerung nahe, daß die extreme Form des Tierschuztes eine gewisse Verwandtschaft mit Menschenverachtung hat.
Und wenn dann Peta so eine Kampagne startet wie „Holocaust auf Deinem Teller“, hat das einen ganz üblen Beigeschmack.
[…] „Antifaschist“ als Redner auf Pro NRW-Demo (Ruhrbarone) – […]
… das zeigt eigentlich nur einmal mehr, dass das Eintreten für Tier“rechte“ überhaupt nichts mit dem Links-Rechts-Schema zu tun hat.
Allerdings nervt mich diese seltsame Extremismus-Theorie mal wieder: Mahler war nie wirklich „links“, wer seine alten RAF-Texte liest, merkt schlicht, dass er schon damals Fascho war und das nur selber nicht wusste.
Hitler war übrigens, allen Gerüchten zum Trotz, kein Vegetarier. Er hat lediglich nur sehr wenig Fleisch gegessen und das auch nur aus gesundheitlichen Gründen („gesunder geist in gesundem [Volks-]Körper“ usw…) – nichtsdestotrotz gab es immer eine dezidiert rechte Ökologie…
[…] Überraschungsredner trat der sich als „links“ bezeichnende Politiklehrer Daniel Krause auf (wir berichteten). Er bekundete seine Sympathien für Pro NRW im Kampf gegen “Islamismus”. Dafür […]
[…] auf breites Interesse. Der Mann hatte auf einer Veranstaltung der extrem rechten Partei Pro NRW eine Rede gehalten. Nachdem sich das Stadtgymnasium Dortmund, wo Daniel Krause bisher unter anderem als Politiklehrer […]
Der Mann ist nicht (offen) schwul, könnte das in seiner Szene gar nicht leben, da nicht geduldet. Genauso wenig ist er „Feminist“. Beides ist nur Wählerfang.
Genauso wenig ist er ein „Linker“, kann auch das nicht sein, völlig ausgeschlossen. Linke tragen weder solche T-Hemden, noch halten sie „spontane Reden“ bei Nazi-Wahlkampfkundgebungsaufmärschen, die sie verharmlosend Demonstrationen nennen, was dann auch brav und wie gewünscht die Kommunen, Länder, der Staat nachplappern.
Die Szene versucht mit allen Mitteln anzuwerben: Linke, Anarchisten, Internetfreiheitskämpfer, Globalisierungskritiker, Occupisten, Tierrechtler, Friedensbewegende, Anti-Atomkraft- und -waffenaktivisten, Bürgerrechtler, Anti-Steuerzahlerwollende etc. pp., alles:
Aktivisten für die GROßE REICHSBEWEGUNG.
@ Martin Niewendick
Wie kommen Sie darauf, dass es sich bei dieser Person um einen „Linken“ handelt?
Man sollte überdies aufhören in rechts und links zu denken. Es geht um antiautoritär-autoritär, liberal-konservativ, offen-geschlossen, vernichtend-bejahend, und wenn sie so wollen, um hassend-liebend, dunkel-hell.
@#17: Das ist das Schöne am Gehirn: Es hat so viele Windungen, dass einem glatt schwindlig werden könnte.
[…] ist exakt die Terminologie, mit der er sich im vergangenen Jahr auf jener verhängnisvollen Kundgebung um Kopf und Kragen redete. Zwischen Pro NRWlern und Vertretern der German Defence League stellte er […]
[…] fühlen. Im Sommer vergangenen Jahres sorgte der Dortmunder Gymnasiallehrer Daniel Krause mit einem Auftritt auf einer Pro Köln-Demonstration für Furore. Der bekennende Grünenwähler bekundete in einer dreiminütigen Brandrede seine […]