Antisemiten können nicht überzeugt werden, dass Juden mit Corona nichts zu tun haben

The Rumour Bild: Thomas Derrick Lizenz: Gemeinfrei

Von unserer Gastautorin Anastasia Iosseliani 

Geehrte Leserinnen und Leser!

Zuallererst will ich Ihnen allen Chag Pessah sameah, frohe Ostern und allgemein frohe Feiertage wünschen!

Als nächstes muss ich, wieder einmal, über wachsenden Antisemitismus schreiben, denn wie verschiedene Medien berichtet haben, gibt es immer mehr antisemitische Straftaten weltweit. Ich weiss, ich bin das Thema auch leid und würde lieber Schlagzeilen lesen, wie «Antisemitismus ist weltweit auf dem Rückzug – Die neue sudanesische Präsidentin beglückwünscht Israel zum Unabhängigkeitstag». Aber die Realität ist nun mal, auch aufgrund der Covid-19-Krise, eine andere. Das Tragische ist, dass der Antisemitismus keine Krise, ausser einer Krise des Denkens, braucht, um zu wachsen.

Jetzt aber, auch aufgrund der Krise, wächst und gedeiht Antisemitismus wie Unkraut. Nicht nur verbreiten Rechtsextreme und Islamisten und Fanatiker unterschiedlicher Couleur uralte Vorurteile, wie ARD extra in «Die Corona-Lage» berichtet hat, über Jüdinnen und Juden. Ihre Agitation fällt auf fruchtbaren Boden und dies führt dazu, dass die Hassverbrechen gegenüber uns Juden und allem vermeintlich Jüdischem ansteigen.

Dies ist ein Trend, der sich, leider, seit Jahren beobachten lässt und durch die Covid-19-Krise nochmals angefeuert wird. Denn allen Fakten zum Trotz, nämlich das zum Beispiel Covid-19 wie auch SARS davor aus China stammt, können Antisemiten und jene Menschen, die aufgrund eines tiefvorhandenen antisemitischen Ressentiments für antisemitische Denke empfänglich sind, nicht davon überzeugt werden, dass wir Juden nichts mit Covid-19 zu tun haben. Es ist wie damals bei der Pest und den dazugehörigen Pest-Pogromen. Nur habe ich früher effektiv gehofft, dass die Menschen weiter sind, immerhin leben wir in einer Zeit, in der man Smartphones hat und davon redet, den Mars zu kolonialisieren, und nicht davon, die Nachbarin als Hexe zu verbrennen, weil diese garstigen, grünen Smoothies aus Sellerie zubereitet. Aber ich wurde eines besseren belehrt und während die Nachbarin weiterhin widerliche Smoothies aus Sellerie und Algen zubereiten darf, ohne auf dem Scheiterhaufen zu enden, müssen wir Juden schon seit Jahren, in Deutschland seit 1972, hinter Panzerglas beten und widerliche antisemitische Verschwörungstheorien feiern Urstände wie zum Beispiel die von uns Juden als Brunnenvergifter und Verseucher der Erde, früher durch die Pest, heute durch Covid-19, oder auch Ritualmorde, wie das Werk von Giovanni Gasparo zeigt, über den ich schon früher hier berichtet habe. Das ist so unglaublich das für viele Nicht-Juden klingt, unsere Normalität.

Weil es eben Menschen gibt wie Stephan Baillet, das ist der Attentäter von Halle, der uns Juden an Yom Kippur, dem heiligsten Tag im jüdischen Kalender, meucheln wollte. Aber die Attitüde der Mehrheitsgesellschaft ist immer noch die gleiche: Man nimmt Antisemitismus nicht ernst und relativiert die Ängste von uns Juden, weil man eben selber nicht von Antisemitismus betroffen ist. Stattdessen verbreitet man, im schlimmsten Fall, selber noch antisemitische Verschwörungstheorien und hetzt damit das Elend weiter an. Was sich dann in einer Zunahme von antisemitischen Hassverbrechen und der weiteren Verbreitung von antisemitischen Ressentiments manifestiert. Und so lange diese antisemitischen Ressentiments weiterhin innerhalb der Bevölkerung zirkulieren wie ein Virus, kann man mit weiterhin Attentätern von Kalibern wie Mehdi Nemmouche und Stephan Bailllet rechnen. Denn selbst wenn diese Männer als Einzeltäter gehandelt haben, so haben sie sich nicht im luftleeren Raum ohne Einfluss von aussen radikalisiert. Sie standen, selbst im stillen Kämmerlein am Computer und am Smartphone, unter stetem Einfluss von denen, die auch ihre antisemitische Denkweise geteilt haben, sie wurden von diesen Menschen beeinflusst und ermutigt und sind deshalb am Ende zur Tat geschritten.

So lange antisemitische Ressentiments eine antisemitische Denkweise anfeuern und Menschen sich weiterhin ihre Welt zurechtzubiegen versuchen, anstatt sich der Komplexität der Welt und ihrer Fakten zu stellen, und weiterhin zu einer Krise des Denkens beitragen, werde ich weiterhin solche Beiträge wie diesen hier verfassen müssen. Ich fürchte, dies kann noch lange dauern…

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Maluski
Maluski
4 Jahre zuvor

Sehr geehrte Frau Iosseliani,
ich möchte Ihnen ein wenig Mut zusprechen, denn durch Corona werden keine neuen Antisemiten geschaffen.

Allerdings zeigen sehr viele Menschen, dass in ihnen geweckte Ängste, hier Corona, diese leicht steuerbar machen.

Es ist nun ein kleiner Schritt um missliebige Menschen, Gruppen etc mit dem Virus in Verbindung zu bringen.

Schon haben Sie eine Erklärung warum es Antisemiten etc auch in 2020 leicht hätten, ein ganzes Land zu Denunzianten und gegenüber Verfolgung "Anderer" oder "Entarteter" gleichgültig werden zu lassen.

Was wird passieren? Wir wissen es nicht, aber mit Sicherheit ist die Buntheit vergangener Zeiten momentan in tristes Grau gewechselt. Wände eines Kerkers sind auch grau.

Jessica Rieling
Jessica Rieling
4 Jahre zuvor

Corona gibt es in Deutschland, Frankreich, USA, China, Israel, Spanien, Iran, Südkorea usw. Viele Länder sind betroffen. Das ist ein weltweites Problem und als solches sollte man es sehen und angehen. Ich verstehe nicht, warum Israel oder die Juden für Corona verantwortlich sein sollen. Sie würden sich doch nicht selbst schädigen. Dann würde es doch kein Corona in Israel geben. Israel ist aber genauso betroffen wie der Rest der Welt (vgl. Quelle: worldometers.info).

thomas weigle
thomas weigle
4 Jahre zuvor

@Jessica Rieling Antisemiten mit rationalem Denken zu kommen, ist meist vergebliche Mühe. Das Corona-Beispiel zeigt Antisemiten nur, dass "der Jude" zu allem fähig ist, selbstverständlich ohne Rücksicht auf eigene Verluste.

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