Für Samstag rufen die Gruppierungen „Palästina Solidarität Duisburg“ und „Palästina Antikolonial“ zu einer Kundgebung gegen „anti-palästinensischen Rassismus“ in Dortmund auf. Die Kundgebung richtet sich unmittelbar gegen ein Konzert, welches ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen möchte. Aus diesem Grund sieht die Beratungsstelle ADIRA die Kundgebung als antisemitisch motiviert an.
Es soll ein Solidaritätsakt sein: Für den Abend des 2. Dezember ist ein Konzert mit den Bambergern Symphonikern, dem israelischen Dirigenten Lahav Shani und dem israelischen Violinisten Pinchas Zuckermann im Konzerthaus Dortmund geplant. Die Veranstalter möchten damit Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung anlässlich des Angriffs auf Israel und dem weltweit aufflammenden Antisemitismus setzen. Doch für die Gruppierungen „Palästina Solidarität Duisburg“ und „Palästina Antikolonial“ ist dieses Anliegen offenbar ein Problem: Laut Ankündigungen in Sozialen Netzwerken rufen diese zur gleichen Zeit zu einer Kundgebung gegen „anti-palästinensischen Rassismus“ an den Dortmunder Katharinentreppen auf, da sie das Konzert „nicht unkommentiert“ lassen wollen. Ihrer Ansicht herrsche „kein Konflikt, sondern Kolonialismus, ethnische Säuberungen und ein Genozid vor“. „Es ist die gleiche aggressive Rhetorik, die wir seit Wochen bei anti-israelischen Protesten beobachten können“, sagt Micha Neumann, Leiter von der Beratungsstelle ADIRA in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde. „Israel wird dämonisiert, als Kolonialstaat dargestellt und dem Staat einen Genozid unterstellt. Beides ist faktisch falsch und eine Verdrehung der Tatsachen.“ Diese Dämonisierung ist nach der Arbeitsdefinition Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance, die auch von der Stadt Dortmund verwendet wird, als antisemitisch einzustufen. Allein schon einem Konzert gegen Antisemitismus wird unterstellt, Ausdruck von Rassismus zu sein. Zugleich wird hier eine Schuldumkehr vorgenommen, denn von dem Angriff auf Israel durch die Hamas verlieren die Gruppierungen kein Wort – ein klassisches Motiv des israelbezogenen Antisemitismus.
Für ADIRA besitzt die angekündigte Kundgebung zusätzlich eine neue Qualität im Vergleich zu anderen antiisraelischen Protesten: „Hier geht es nicht mehr ausschließlich gegen den Staat Israel, sondern ganz konkret gegen ein Konzert, das in Dortmund stattfindet. Damit sollen Kultureinrichtungen attackiert werden, die sich gegen Antisemitismus einsetzen“, sagt Neumann. Da es sich gleichzeitig um ein Konzert mit israelischen Künstlern handelt, wird ersichtlich, dass es den Organisatoren der Kundgebung auch nicht um Protest gegen die Regierung Israels geht, sondern unterschiedslos gegen alle Israelis. Auch diese Gleichsetzung ist antisemitisch. Zugleich bagatellisieren und negieren die aufrufenden Gruppierungen die Erfahrungen von Betroffenen, denn sie beschreiben den vom Konzerthaus Dortmund beschriebenen „aufflammenden Antisemitismus“ als friedliche Solidarität – ganz so, als es hätte es in den letzten Wochen keine Zunahme von antisemitischen Vorfällen gegeben. Micha Neumann dazu: „In unserer Arbeit machen wir die Erfahrung, dass die vielen Vorfälle und auch Anfeindungen eine enorme Herausforderung für die jüdische Community darstellen – auch weil es oft an Solidarität mangelt. Da ist das Konzert ein wichtiges Signal und einfach auch mal ein schönes Erlebnis für Betroffene von Antisemitismus in Dortmund. Dass dieses nun von israelfeindlichen Gruppen angegangen wird und die Erfahrungen von Antisemitismus in Frage gestellt werden, stellt einen Versuch der Einschüchterung von Jüdinnen und Juden in Dortmund dar und offenbart somit den antisemitischen Charakter der geplanten Kundgebung.“ Hinzu kommt, dass die beiden aufrufenden Gruppen „Palästina Solidarität Dortmund“ und „Palästina Antikolonial“ einschlägig bekannt sind und in der Vergangenheit regelmäßig in Duisburg bzw. Münster durch Versammlungen in Erscheinung getreten sind, auf denen antisemitische Äußerungen getätigt wurden. „Als Beratungsstelle fordern wir die Dortmunder Zivilgesellschaft dazu auf, die Kundgebung im Auge zu behalten und appellieren an die Behörden, jegliche antisemitische Aussagen zu unterbinden – so wie es auch in der Vergangenheit praktiziert wurde.“, so Micha Neumann „Es kann nicht sein, dass ein Konzert gegen Antisemitismus derart angegangen wird. Die Kundgebung macht deutlich, worum es diesen Gruppen geht, die vermeintlich für die leidenden Menschen in Gaza einstehen möchten: Um die Verbreitung von Israelhass und die Schaffung unsicherer Orte für Jüdinnen und Juden“, macht die Beratungsstelle ADIRA deutlich.
Vielleicht wäre den Antisemitengangs aus Duisburg eine Veranstaltung des Schauspielhaues Dortmund lieber, das im Gegensatz zur Veranstaltung im Konzerthaus jeden Bezug zu Israel vermeidet und sich auf die Seite von Wischi und Waschi stellt, in dem es zu einem Solidaritätskonzert zum Gedenken an die zivilen Opfer der globalen Kriegszustände und insbesondere der Ereignisse im Nahen Osten am Samstag, 9. Dezember lädt.