„Popkultur gegen Israel?“ war der Titel der Veranstaltung, zu der gestern Abend die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in die Christuskirche eingeladen hatte. Der HipHop-Aktivist Ben Salomo und der Publizist Alex Feuerherdt diskutierten mit Philipp Janzen über die BDS-Kampagne und den stärker werdenden Antisemitismus in Deutschland.
Es war nicht einfach für die Naumann-Stiftung, einen Raum für die Diskussionsveranstaltung mit Ben Salomo und Alex Feuerherdt zu finden, sagte Martin Fischer von der Naumann-Stiftung zu Beginn der Diskussionsveranstaltung. Bei Anfragen habe es mehrere Absagen gegeben, die von Ruhrbarone-Autor Thomas Wessel geleitete Christuskirche in Bochum sei anfangs nicht die erste Wahl gewesen. Schon das zeigte die Bedeutung des Themas an: Eine demokratische Stiftung hat im Deutschland des Jahres 2024 Probleme, einen Veranstaltungsort zu finden, um mit einem jüdischen Künstler, Salomo, und einem Publizisten, Feuerherdt, über Antisemitismus in der Kulturszene zu reden. Philipp Janzen, der Moderator des Abends, kannte das Problem aus nächster Nähe. Janzen ist Mitglied der Hamburger Schule-Veteranen „Die Sterne“ und Dozent an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Israelhass und Sympathien für die antisemitische BDS-Kampagne, die unter anderem von der Hamas gesteuert wird und als Ziel die Vernichtung Israels durch wirtschaftlichen und kulturellen Boykott hat, seien mittlerweile Standard in der Musikszene, vor allem in den Bereichen HipHop und Techno.
Salomo wurde in Israel geboren und zog mit vier Jahren nach Berlin. Was Antisemitismus ist, lernte er schon als Kind kennen, als sein damals bester Freund ihn mit zwei anderen Kindern verprügeln wollte, nachdem er ihm gesagt hatte, dass er Jude sei. Im deutschen HipHop ist Salomo als jüdischer und israelsolidarischer Rapper eine Ausnahme. In der Szene würde mittlerweile Antisemitismus zum guten Ton gehören. Er sei das Bindeglied zwischen Linken und Rechten, die sonst nicht viel miteinander zu tun hätten. Neben seiner Musik tritt er in Schulen auf und diskutiert mit Kindern über Judenhass. „In 20 Prozent der Fälle habe ich schon früher einen antisemitischen Ausbruch erlebt. Doch seit dem 7. Oktober haben sich die Vorfälle verdoppelt.“ Er lege jetzt zwischen seinen Besuchen in Schulklassen Pausen ein, weil ihn die Erfahrungen belasten würden. Gemeinsam mit seiner Frau überlege er angesichts des wachsenden Antisemitismus, Deutschland zu verlassen. „Viele Juden tun das und einige, auch aus meinem Bekanntenkreis, sind nach dem 7. Oktober auch schon nach Israel gezogen.“ Israel sei trotz der Massaker der Hamas im vergangenen Jahr ein Rückzugsort. Juden hätten zu allen Zeiten und in allen Ländern die Erfahrung machen müssen, dass die Mehrheitsgesellschaften nicht auf ihrer Seite stehen, wenn der Antisemitismus zunehme. Und das sei zurzeit überall in der Welt der Fall.
Die Vorfälle bei der Ruhrtriennale 2018 und 2020, der Documenta 2022 und der Initiative GG 5.3 Weltoffenheit, der die Manager der großen staatlich alimentierten Kulturinstitutionen für ihr Recht, Antisemiten einzuladen, stritten, sind für den Publizisten Alex Feuerherdt nur einige Beispiele dafür, wie weit Israelhass und Antisemitismus Teil der Kulturszene seien. „Den Hauptgrund sehe ich im Postkolonialismus, der im Moment in diesem Milieu der heiße Scheiß ist und sich kaum vom alten Antiimperialismus unterscheidet.“ Schon der habe ein manichäistisches Weltbild gehabt, das die Welt in Gut und Böse und in Täter und Opfer eingeteilt hätte. Dazu käme eine verkürzte Kapitalismuskritik. Das seien wichtige Grundlagen für die Zunahme des Antisemitismus in einer Szene, die sich selbst als kritisch und links wahrnehmen würde. Die BDS-Kampagne sei durch und durch antisemitisch und der von ihren Unterstützern angeführte Antizionismus, der vorgebe, sich nur gegen Israel, aber nicht gegen Juden zu wenden, sei nichts anderes als eine Variante des Judenhasses.