Antisemitismus-Resolution des Bundestages: Fördert Claudia Roth Häuser, die angekündigt haben, Judenhass zu produzieren?

Claudia Roth by PantheraLeo1359531 CC-BY 4.0

Eigentlich sollten sie aus der Förderung des Bundes fliegen. Kurz vor Kassenschluss zahlt Claudia Roth ihnen wohl doch 1,8 Mio aus, was kümmert die Antisemitismus-Resolution des Bundestages. Sieben Kulturinstitute, drei davon aus NRW, hatten zuvor erklärt, sie würden BDS präsentieren, Holocaust hin, Massaker her.

Das „Bündnis internationaler Produktionshäuser“, ein Verein mit sieben Mitgliedern, darunter PACT Zollverein Essen, das Forum Freies Theater in Düsseldorf sowie das dortige Tanzhaus NRW, war im Kulturhaushalt des Bundes bereits von fünf Millionen auf Null zurückgestellt, dann brach die Ampel entzwei und das Beziehungsgeschäft an. Vier Tage vor dem Holocaust-Gedenktag vermeldete der WDR, es solle nun doch 1,8 Millionen Euro Förderung aus dem Haushalt von Claudia Roth (Grüne) geben, das habe die Sprecherin des Vereins, Katrin Dod, bestätigt: „Damit könne die Arbeit erst einmal weitergehen.“ Was Dod eine „eine gute Nachricht“ nennt, griechisch Evangelium, wirft Fragen auf.

Nicht nur die naheliegende, warum eine Arbeit, für die es jahrelang 4 Mio gegeben hat und jetzt 5 Mio geben sollte, auch für 1,8 Mio weitergehen kann  –  dass ein solches Sparpotential als Richtmarke gesetzt wird im Kulturbetrieb, dürfte für alle, die weniger gut abgefedert sind, zur Horrormeldung werden  – , sondern die, welcher Wert der Antisemitismus-Resolution, die der Bundestag nach langem Verhandeln im letzten November beschlossen hat, eigentlich zukommt im antisemitischen Alltag. Von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebracht und von sämtlichen Fraktionen abzgl. der Gruppe Wagenknecht und der Die Linke beschlossen, heißt es darin:

„Auch in den Reihen von Kunst und Kultur sowie der Medien darf es keinen Raum für Antisemitismus geben. Die Ursachen und Hintergründe der großen Antisemitismusskandale der letzten Jahre in diesen Bereichen, insbesondere auf der ‚documenta fifteen‘ und der Berlinale im Februar 2024, müssen umfassend aufgearbeitet werden, und es müssen Konsequenzen gezogen werden.“

Der eigentliche Antisemitismusskandal der letzten Jahre kam ohne roten Teppich aus, er nannte sich sibyllinisch „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ und gab sich lange konspirativ, eine Bündelei der größten und einiger mittelgroßer Kulturinstitute, die, staatsfinanziert bis unters Dach, ein gemeinsames Ziel vereinte: dass sie, ohne sich um Alimente zu sorgen, BDS inszenieren können, die antisemitische Hetzkampagne gegen Israel, angeleitet von Hamas und Islamischen Dschihad, von Fatah und PFLP und so weiter. Der Bundestag hatte die internationale Boykottkampagne gegen die jüdische Demokratie bereits 2019 als „in Zielen und Methoden klar antisemitisch“ erkannt, deren hasserfüllte Hetze verkaufte die „Initiative Weltoffenheit“ dann ab Ende 2020 als „kritisch“ und „wichtig“ und „vielstimmig“, BDS werde „marginalisiert“ und „delegitimiert“ und „beiseitegedrängt“. Man müsse sich, forderten die Intendanten und Kulturdirektoren, für deren „alternativen Weltentwurf“ öffnen, um „demokratische Qualität“ zu heben. Hätte sich dieses Wording durchgesetzt, ein unsäglich blödes Blabla über Barbarei, es wäre zum Goldstandard geworden für den gesamten Kulturbetrieb: Judenhass als Förderrichtlinie.

„Grundwerte teilen“

Als Hamas und andere Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 gezeigt haben, wie vielstimmig sie tatsächlich sind und wie wenig beiseitegedrängt, fiel der „Initiative Weltoffenheit“ nichts dazu ein, sie löste sich nolens volens auf. Zwei ihrer Mitglieder haben dies, von den Ruhrbaronen gefragt, explizit getan  –  Barbara Mundel, Intendantin der Münchner Kammerspiele, und Michael Grosse, Generalintendant des Theater Krefeld und Mönchengladbach  –  , andere wie das Haus der Kulturen der Welt, das Deutsche Theater, die Berliner Festspiele und die Kulturstiftung des Bundes reagierten eher verschämt. Wer auf keinerlei Distanz gegangen ist zu seiner Liebelei mit der Barbarei, soweit die sich gegen Juden richtet und gegen jüdische Demokratie: das Bündnis internationaler Produktionshäuser e.V.

Zum infernalischen Massaker? Ein maliziöses Statement von ihm, „wir verurteilen“, „vollkommen inakzeptabel“, „unser Mitgefühl gilt“. Dass es Juden sind, die verstümmelt, vergewaltigt, entführt worden sind, wird nicht einmal erwähnt, der Blick gleitet über sie hinweg zu „allen Menschen, die von der Gewalt in der Region betroffen sind“. Wenige Wochen später erklärt Amelie Deuflhard, the brain of the Bündnis, dass die Forderung, BDS auf allen Bühnen zu produzieren, auch jetzt „genau die richtige Resolution“ sei. Im April 2024 schließlich  –  weiterhin hält Hamas weit über 100 Israelis in Geiselhaft  –   geben die sieben Produktionshäuser ihre künftige „Einladungspolitik“ bekannt, es ist dieselbe wie vor dem Massaker, nur gilt sie jetzt explizit „im Kontext der Debatte um (!) den israelisch-palästinensischen Konflikt“.

Gleich im ersten Satz wird darin der Terror der Hamas und die Pflicht des israelischen Staates, seine Bürger vor Terror zu schützen, auf Augenhöhe gesetzt: Beides, erklären die Produktionshäuser, „eskaliert“. Es gebe  –  und geht zu wie beim Sport, Volker Beck hat dies „Beiderseiteritis“ genannt   –  es gebe „zwei Gruppen“, erklären die Sieben, jede habe „für sich schlüssige Argumente“, man müsse beide zu „Dialogen einladen und Begegnungen ermöglichen“, wobei es beiderseits „rote Linien“ gebe: Was Israel betreffe, dürfe dessen „Existenzrecht“ nicht infrage gestellt werden, darüber hinaus gelte die Regel, „keine Kollektivschuld ‚der Juden‘ an der staatlichen Politik Israels“ und „keine Rechtfertigung und Verklärung der Hamas“.

Damit ließe sich diskutieren, möchte man meinen, die Produktionshäuser folgern das gerade Gegenteil daraus, sie wollen weiterhin  –  „gerade jetzt“  –  Leute ins Programm heben,

„deren Grundwerte wir teilen und die gleichzeitig mitunter Haltungen vertreten, die wir nicht teilen  –  wie zum Beispiel die Unterstützung von Boykott-Bewegungen“.  

Als gäbe es Dutzende davon. Es gibt nur eine und wird keine anderen geben, nicht einmal gegen Trumps Amerika: Der Plural in dieser Policy, der das Bündnis der sieben Kulturinstitute gehorcht, ist heillos verlogen, „im Kontext der Debatte um“ geht es allein um BDS. Und BDS ist darauf programmiert, alle „roten Linien“ zu reißen, die das Bündnis scheinbar gezogen hat: BDS wird von Hamas angeleitet, BDS leugnet das Existenzrecht Israels, BDS hat das Massaker verklärt, BDS rechtfertigt das Morden als „Widerstand“ usw.

Ach das, flötet das Bündnis der sieben Produktionshäuser in seinem Text, das seien lediglich „Haltungen“, über die sich diskutieren lasse, viel wichtiger sei, dass man dieselben „Grundwerte“ teile. Und dass man den „gemeinsamen Common Ground“ bewohne, man müsse „Widerstand gegen rechte Ideologien und Gewalt leisten“.

Bundestag ernst nehmen wollen

Seit 10/7 ist furchtbar klar: Mehr Hass als das, was Hamas bietet, ist nicht im Angebot derzeit, mehr Faschismus und Vernichtungslust nicht vorstellbar seit dem Unvorstellbaren, das Hamas angestellt hat. Das Bündnis Internationaler Produktionshäuser arbeitet sich dem entgegen, es fällt Hamas um den Hals. Was es im April 2024, ein halbes Jahr nach den größten Massakern an Juden seit dem Holocaust, als seine Politik vorgelegt und seitdem nicht widerrufen und nicht überarbeitet hat, ist in Argumentation und Ton exakt die Melodie, die von der „Initiative Weltoffenheit“ blockgeflötet wurde. Sie stürmen einem Faschismus entgegen, der ihnen zuwider ist und nennen es, von Claudia Roth souffliert, „Weltoffenheit“.

Da ist nichts „umfassend aufgearbeitet“, wie der Bundestag es gefordert hat, nichts ist mit „Ursachen und Hintergründen“, wie von ihm erbeten, nichts mit „Konsequenzen“, wie von ihm verlangt. Und nichts damit, dass die Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), was Antisemitismus sei und was nicht, „als maßgeblich“ herangezogen werde. Weltweit haben 45 Staaten und weit mehr als tausend Verbände  –  ua die Deutsche Fußball Liga (DFL)  –  diese Definition anerkannt, Amelie Deuflhard und Anemie Vanackere nicht. Die eine Intendantin von Kampnagel Hamburg, die andere von HAU Berlin, zwei der sieben Produktionshäuser, die Claudia Roth jetzt offenbar weiter zu fördern gedenkt, sie haben per offenem Brief erklärt: Was Antisemitismus sei, beruhe auf „unsicheren Definitionen“, man müsse „intersektionale Verflechtungen in den Blick nehmen“, um ihn zu erkennen.

Soll heißen: Judenhass sei ein Spiegelstrich im Katalog der Diskriminierungen, „darunter Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus, Ableismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit und Klassismus“  –  die Liste stammt von den Produktionshäusern selber, hinzu kommen „Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Nationalität, Behinderung, Religion, Kultur, Aufenthaltsstatus, Alter, Klasse, Aussehen oder weitere Zugehörigkeiten und Zuschreibungen.“

Judenhass versenkt, Hamas gerettet.

Darauf 1,8 Mio. „Gerade jetzt“, rufen die sieben Produktionshäuser, „jetzt“, wo Hamas erfolgreich gewütet und Judenhass auf ein weltweit neues Niveau getrimmt hat, „gerade jetzt“ müsse man mitschwimmen auf der antisemitischen Welle und sie „zum Anlass für Dialog und Auseinandersetzung nehmen, wenn wir die demokratische Kunst- und Meinungsfreiheit ernst nehmen wollen“.

Den Bundestag ernstnehmen, hieße wissen, dass der nicht nur ein Betätigungs- oder Organisationsverbot der BDS-Bewegung in Deutschland geprüft haben will, sondern auch „rechtssichere, insbesondere haushälterische Regelungen“, die sicherstellen, „dass keine Projekte und Vorhaben insbesondere mit antisemitischen Zielen und Inhalten gefördert werden“.

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TRANSPARENZHINWEIS

Der Autor verantwortet Konzept und Programm der Christuskirche Bochum, einer der drei großen Kulturkirchen im Land, sie ist so gut wie fördermittelfrei.

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Siggi
Siggi
1 Tag zuvor

Danke für die Recherche. Sehr Übel und sehr traurig……

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