In ganz Europa kam es im Sommer zu antisemitischen Ausschreitungen. Während sich Israel militärisch gegen die andauernden Raketenangriffe der Hamas wehrte, gingen deren Anhänger auf die Straße. Auch im Ruhrgebiet gab es zahlreiche antisemitsche Demonstrationen und Ausschreitungen: In Dortmund marschierten Islamisten gemeinsam mit Neonazis und Funktionären der Linkspartei. In Essen wurde eine proisraelische Demonstration angegriffen und ein Anschlag auf die Alte Synagoge von der Polizei verhindert. In vielen Städte wurde Parolen wie „Kindermörder Israel“ oder „Jude, Jude, feiges Schwein – komm heraus und kämpf‘ allein.“ skandiert.
Am Samstag, den 22. November, wird sich ein Kongress in Essen mit den antisemitischen Demonstrationen des vergangenen Sommers auseinandersetzen.
Den Veranstaltern ist es gelungen, hochkarätige Referenten aufzubieten: Katharina König, Ahmad Mansour, Tilman Tarach, Bassam Tibi und Floris Biskamp und viele andere werden sich mit dem Thema Antisemitismus in der Alten Synagoge in Essen auseinander setzen:
Programm
Einlass: 10 Uhr
• Eröffnungspodium (10.30 bis 12 Uhr)
Nach einer Begrüßung durch die Veranstalter, und der Vorstellung der Kongressresolution, werfen wir einen Blick auf die Ereignisse dieses Sommers und geben einen Ausblick darauf, was Besucherinnen und Besucher im Laufe des Tages erwartet. Jan Riebe wird als Vertreter der Amadeo Antonio-Stiftung sprechen und die Aktionswochen gegen Antisemitismus vorstellen, gefolgt von Lars Rensmann, der eine Einschätzung der jüngsten Entwicklungen vornehmen wird.
Jan Riebe ist Diplom-Sozialwissenschaftler und seit 2008 für die Amadeu Antonio-Stiftung tätig. Zuletzt erschienen: „Im Spannungsfeld von Rassismus und Antisemitismus. Das Verhältnis der deutschen extremen Rechten zu islamistischen Gruppen.“.
Prof. Lars Rensmann ist Politikwissenschaftler und lehrt an der John Cabot University in Rom. Er publiziert unter anderem zu den Themenkomplexen Antisemitismus in europäischen Gesellschaften und Kritische Theorie. Er ist unter anderem Autor von „The Frankfurt School and Antisemitism.“ und “Politics and Resentment: Counter-Cosmopolitanism and Antisemitism in the European Union.”
• Vortrag: Einführung in die Kritik des Antisemitismus (12.30 bis 13.45)
Die vermeintlich “israelkritischen” Proteste des Sommers, die sich in zahlreichen deutschen und
europäischen Städten abspielten waren von einer hohen Gewaltförmigkeit geprägt: Anschläge auf Synagoge und jüdische Geschäfte bestimmten das tagesaktuelle Geschehen. Von Berlin bis Paris, von Hamburg bis Den Haag wurde auf Demonstrationen und Kundgebungen Sympathie für die Terrororganisation Hamas bekundet und in mehreren Städten wurden Menschen, die als Juden identifiziert oder für solche gehalten wurden, Ziel gewalttätiger Angriffe. Ziel unseres Kongresses soll es deshalb auch sein, auf die Aktualität antisemitischer Einstellungen nennenswerter Bevölkerungsteile aufmerksam zu machen. Zu diesem Zweck wird Stephan
Grigat eine Einführung in die Genese des historischen und modernen Antisemitismus leisten.
Dr. Stephan Grigat ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Lehrbeauftragter an der Universität Wien. Weiterhin ist er wissenschaftlicher Direktor für dieNGO „Stop the Bomb“, die auf die Problematik einer nuklearen Aufrüstung der Islamischen Republik Iran aufmerksam machen möchte. Zuletzt erschienen sein Band: „Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung.“
Block: Antisemitismus in muslimisch sozialisierten Milieus (15 bis 17 Uhr)
1.Vortrag: Bassam Tibi über historischen und modernen Antisemitismus im Islam
Schon aus der historischen Frühphase des Islam sind Pogrome und Massaker an Juden bekannt. Heute ist es nicht nur die Charta der Hamas, die eliminatorischen Antisemitismus verbreitet. Doch islamischer Antisemitismus wird in der “westlichen Welt” nur allzu gerne banalisiert oder gar entschuldigend in Schutz genommen. Derweil eilen “Hitlers islamistische Erben” (Yehuda Bauer) im Nahen Osten von Erfolg zu Erfolg.
Prof. Dr. Bassam Tibi hat Sozialwissenschaften, Geschichte und Philosophie studiert und ist em. Professor für Internationale Beziehungen. Er lehrte unter anderem in Harvard sowie an der Cornell University. Er gilt als Begründer der Islamologie. Tibi beendete seine Laufbahn 2010 als “Resnick Fellow for the Study of Antisemitism” am US Memorial Holocaust Museum in Washington. 2012 erschien sein Buch “Islamism and Islam”, in dem er sich ausführlich mit islamischem Antisemitismus auseinandersetzt.
2.Vortrag: Floris Biskamp über die antisemitischen Ausschreitungen junger Muslime in Europa
Waren in den letzten Jahren antiisraelische Demonstrationen vor allem eine Domäne weiter Teile des linken politischen Spektrums, dominierten im Sommer 2014 mehr denn je muslimisch geprägte Milieus die Szenerie, vielerorts kamen die Demoanmelder dabei nicht aus islamischen Massenorganisationen, sondern – oft spontan – aus der Nachbarschaft. In Essen wurde eine Kundgebung, die durch einen Jugendverband der NRW-Linkspartei organisiert worden war, zu einem Schaulaufen für Sympathisanten unterschiedlichster terroristischer Organisationen. Im Vorfeld der Demonstration hatten Personen aus offenkundig islamistischen
Motiven heraus versucht, einen Anschlag auf die Alte Synagoge vorzubereiten. Floris Biskamp wird genauer auf die spezifische Situationen des diesjährigen Sommers und die Implikationen, die sich aus der Veränderung in der Zusammensetzung der Protestierenden ergeben, eingehen.
Floris Biskamp ist Soziologe und schreibt derzeit seine Dissertation über „Orientalismus und Wahrheit. Die Debatten um „Islamophobie“ vor dem Hintergrund Kritischer Theorie und postkolonialer Dekonstruktion“. Er ist Mitherausgeber von „Islam und Islamismus. Perspektiven für die politische Bildung“ (mit Stefan E. Hößl).
• Vortrag: Die Operation Protective Edge, die UN und die strategische Situation Israels
(17.30-18.30 Uhr)
Einige Monate nach Ende der israelischen Militäroperation Protective Edge haben sich im mittleren Osten erhebliche politische Verwerfungsprozesse abgespielt. Zugleich muss die einzige stabile Demokratie in der Region nach den bewaffneten Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen auch einer Veränderung der eigenen diplomatischen Position Gewahr werden. Ob allerdings das Vorgehen gegen die Hamas im Gaza-Streifen die erwünschten Effekte erzielen konnte, kann bisher nur Gegenstand von Spekulationen sein. Tilman Tarach wird kurz auf die historischen und insbesondere auch aktuellen Aspekten des Israel-Gaza Konfliktes wie auch die sich daraus ergebenden Folgen für Israel eingehen und versuchen, diese komplizierte Gemengelage ein wenig aufzulösen.
Dr. Tilman Tarach ist Jurist und Autor des Buches „Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die ‚Protokolle der Weisen von Zion‘ und die Verlogenheit der so genannten Linken im Nahostkonflikt.“. Er schreibt unter anderem für die Jüdische Allgemeine, Jerusalem Post und die Jungle World.
Abschlusspodium: Perspektiven auf den antisemitischen Dauerzustand (9.15 bis 21.00 Uhr)
Zum Abschluss unseres Kongresses möchten wir auf die verschiedenen Vorträge des Tages zurückblicken und versuchen, eine Perspektive für den zukünftigen Umgang mit ähnlich gelagerten Vorgängen wie in diesem Sommer zu eröffnen. Wie kann eine öffentlichkeitswirksame und sinnvoll gestaltete Antwort auf antisemitisch und antizionistisch motivierte Ausschreitungen aussehen, welche Rolle werden bestimmte Akteurinnen und Akteure in diesem Rahmen spielen, und was ist von gewissen politischen Playern zu
erwarten? Über diese und andere Fragen wollen Katharina König, Ahmad Mansour und Konstantin Bethscheider miteinander diskutieren. Die Moderation der Diskussionsrunde wird Olaf Kistenmacher übernehmen.
Katharina König sitzt als Abgeordnete der Linkspartei im Thüringer Landtag und fungiert dort als Sprecherin ihrer Fraktion für Jugendpolitik und Antifaschismus, zudem ist sie Mitglied des thüringischen Untersuchungsausschusses, der sich mit der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beschäftigt.
Ahmad Mansour ist Psychologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für demokratische Kultur. Er unterstützt und berät zahlreiche Projekte, die sich mit Islamismus, Salafismus und präventiver Jugendarbeit unter muslimischen Jugendlichen beschäftigen, unter anderem im Rahmen des HEROES-Projektes. Von 2012-2014 war Mansour zudem Teilnehmer der Deutschen Islam-Konferenz.
Konstantin Bethscheider ist Philosoph und in der ideologiekritischen Gruppe Association Antiallemande assoziiert. Er ist Mitarbeiter der Kampagne “Stop the Bomb” und Junior Fellow im Mideast Freedom Forum Berlin. Bethscheider hat in verschiedenen Publikationen auf die Notwendigkeit einer Kritik an der gegenwärtigen Praxis und Theoriebildung, gerade Linker, im Bezug auf sich als “Israelkritik” tarnenden Antisemitismus hingewiesen.
Dr. Olaf Kistenmacher ist Historiker und Mitglied im Villigster Forschungsforum. Er und hat unter anderem zu Antisemitismus in der historischen und aktuellen politischen Linken und zur Geschichte des Nationalsozialismus publiziert. Demnächst erscheint „Arbeit und ‚jüdisches Kapital‘. Antisemitische Tendenzen in der Tageszeitung der KPD, ‚Die Rote Fahne‘, während der Weimarer Republik.“