Apokalypsewahn und Gewalt: Eher Feierabendterroristen als RAF

Eines der verwendeten Logos der Revolutionären Zellen Grafik: RZ Lizenz: CC BY-SA 3.0


Im Spiegel sagte der Ökoaktivist Tadzio Müller eine neue RAF voraus. Wahrscheinlicher ist, dass  eine grüne Variante der Revolutionären Zellen weiter an Bedeutung gewinnt.

Nachdem am 2. Juni 1967 der Berliner Polizeibeamte und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Karl-Heinz Kurras, den Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte, sagte Gudrun Ensslin ihren jungen Genossen zu: „Das sind immer dieselben Faschisten, die werden auch uns alle töten. Wir müssen anfangen, uns zu bewaffnen.“ Später gehörte Gudrun Ensslin gemeinsam mit Andreas Baader, Ulrike Meinhof und dem heutigen Neonazi Horst Mahler zur ersten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF). Bis zu ihrer Auflösung 1998 sollten die Gruppe 30 Menschen ermorden. 24 ihrer Mitglieder starben durch Selbstmord, bei Feuergefechten mit der Polizei oder Hungerstreiks.

Am Anfang der RAF stand kein politisches oder militärisches Konzept. Es begann mit dem Wahn, bald umgebracht zu werden. Dieser Wahn brachte gerade Gudrun Ensslin, die sich noch wenige Jahre zuvor für die Rehabilitierung ihres Schwiegervaters, dem Nazi-Dichter Will Vesper, eingesetzt hatte, dazu, mit der Waffe in der Hand in den Krieg zu ziehen.

Der Glaube an den baldigen Todes prägt auch große Teile der Klimabewegung. Eine ihrer wichtigsten Gruppen nennt sich Extinction Rebellion, Rebellion gegen das Aussterben. Der Klimawandel wird als Bedrohung des eigenen Lebens wahrgenommen. Wer ihn nicht mit allen Mitteln versucht zu stoppen ist nach dieser Logik nicht nur für den Tod der Aktivisten verantwortlich, sondern für das Ende der Menschheit. Und zahlreicher andere Arten.

Das Gefühl der Bedrohung und der eigenen Verantwortung geht weit über das hinaus, was die Mitglieder der RAF und ihre Unterstützer empfanden. Sie kämpfen in ihrer Überzeugung nach denen den Kapitalismus, den Imperialismus und für die Interessen von vietnamesischen Reisbauern und Arbeitern an den Bändern bei Ford in Köln.

Die Klimaaktivisten sehen sich dagegen als Kämpfer gegen die gesamte industrialisierte Welt und für das Überleben der Menschheit. Wer sich einer solchen Bedrohung gegenübersieht und glaubt, eine so weitgehende Verantwortung wie die Rettung des Planeten übernommen zu haben, wird nicht dauerhaft bereit sein, sich an der bestehenden Rechtsordnung und demokratische Strukturen zu orientieren. Die Macht des Wahns wird zumindest bei einigen dazu führen, auch zur Gewalt zu greifen. Und wenn Politiker wie Annalena Baerbock im Wahlkampf mit dem Satz „“Die nächste Regierung ist die letzte, die noch aktiv Einfluss auf die Klimakrise nehmen kann“ um Stimmen warb, wird eine solche Endzeitideologie sogar demokratisch geweiht. Wenn heute der Koalitionsvertrag vorgestellt wird, werden die Aktivisten von Fridays for Future, Extinction Rebellion und ihre Beiboote sicher zu dem Schluss kommen, dass diese von der damaligen grünen Kanzlerkandidatin benannte letzte Chance vor der Bewahrung des Untergangs vertan wurde.

Daher passt es schon, was der Aktivist Tadzio Müller dem Spiegel sagte: „Wer Klimaschutz verhindert, schafft eine grüne RAF.“ Müller spricht von Anschlägen unter anderem auf Gaskraftwerke, Geländewagen und Autobahnbaustellen. Doch was er dem Spiegel gesagt hat ist keine krude Prophezeiung, sondern eher die Beschreibung der Wirklichkeit: Fast jede Nacht brennen überall in Deutschland Autos und es gab bereits zahlreiche versuchte und durchgeführte Angriffe auf Fahrzeuge und Anlagen des Energieversorgers RWE. Müller ist es zu verdanken, dass sie nun nicht mehr als zufällige Einzelfälle gesehen werden, sondern als das was sie immer schon waren: Ökoterrorismus, der bislang allerdings auf Anschläge auf Personen verzichtet hat.

Müller nutzt in seinen Interviews gerne starke Bilder. Die Mechanismen der Aufmerksamkeit sind ihm wohlbekannt. Eine grüne RAF ist unwahrscheinlich. Das Modell einer mehr oder weniger straff organisierten Terrortruppe, die im Untergrund lebt, hat sich nicht bewährt. Dauerhaft gelang das nur dem NSU. Und dass es die Nazis nicht gefasst wurden, lässt sich ohne die Hilfe zahlreicher Unterstützer und der Duldung durch Teile der Sicherheitsbehörden kaum plausibel erklären.

Ökoterrorismus wird, auch wenn er zunehmen sollte, von einzelnen Personen oder Kleingruppe ausgehen. Den Tag über werden die Täter ein mehr oder weniger normales Leben unterhalb des Radars der Sicherheitsbehörden führen. Nicht die RAF, eher der „Feierabendterrorismus“ der meisten Mitglieder der Revolutionären Zellen wird das Vorbild sein. Und es wird auch nicht zu jedem Anschlag eine ausführliche Erklärung geben, wie sie die RAF immer verfasste. Schon in den 80er Jahren wurde in Szenepublikationen davor gewarnt, zu viel Text zu produzieren. Denn jeder Satz ist eine Spur, die von der Polizei genutzt werden kann.

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Tolduso
Tolduso
3 Jahre zuvor

Nichts liebt diese Klientel mehr als die wortreiche Selbstinszenierung, keine Sorge.

https://medium.com/extinction-rebellion/extinction-rebellion-isnt-about-the-climate-42a0a73d9d49

yohak
yohak
3 Jahre zuvor

" Schon in den 80er Jahren wurde in Szenepublikationen davor gewarnt, zu viel Text zu produzieren. Denn jeder Satz ist eine Spur, die von der Polizei genutzt werden kann."

Korrekt. Und genau deshalb ist es falsch, zu behaupten:

"dass die Nazis nicht gefasst wurden, lässt sich ohne die Hilfe zahlreicher Unterstützer und der Duldung durch Teile der Sicherheitsbehörden kaum plausibel erklären."

Denn einer der Unterschiede zwischen RAF und NSU besteht darin, daß die NSU nie irgendwelche Bekennerschreiben veröffentlichte, sondern stattdessen einfach still, heimlich und im Verborgenen einen Mord nach dem anderen verübte. Dadurch gab es bei der NSU weder ein öffentliche Aufmerksamkeit wie bei der RAF noch entsprechende Anhaltspunkte für die polizeiliche Fahndung.

Wilhelm- Dita Wurm
3 Jahre zuvor

Erinnert mich an die späten 60er und 70er Jahre und sehe dieselbe Problematik wie damals, wobei es hier nicht um eine verquere Ideologie geht, die in Wahrheit noch nicht mal ein Patentrevoluzzer verstanden hat, sondern um eine gerechte Agitation durch die Tat, welche offensichtlich gerechtfertigt, notwendig und geboten ist. Wie Tadzio Müller sehe, ich aber auch kleinbürgerliche Hetze, medialen Hass und eine willfährige Justiz, die den Widerstand letztendlich brechen wird. Heute politisch Bewegte werden sich tapfer in die Hose kacken und sich dann beugen, wie 1976 in Stammheim. Wenn dann wieder die TAZ links bewegt über einen der Prozesse berichtet, fabuliert sie vielleicht wieder von den naiven Träumen, die dieser gerade Verurteilte geträumt haben, mag. MEIN Wunsch an diese militanten künftigen grünen" Raftfellos"; lasst es sein. Möge doch Christian mit seinem Porsche und der Bundesbürger mit dem SUV fröhlich in den Weltuntergang fahren, das ist besser als grüne RAF oder auch nur Widerstand.

Dieter Wurm
Dieter Wurm
3 Jahre zuvor

Erinnert mich an die späten 60er und 70er Jahre und sehe dieselbe Problematik wie damals, wobei es hier nicht um eine verquere Ideologie geht, die in Wahrheit noch nicht mal ein Patentrevoluzzer verstanden hat, sondern um eine gerechte Agitation durch die Tat, welche offensichtlich gerechtfertigt, notwendig und geboten ist. Wie Tadzio Müller sehe, ich aber auch kleinbürgerliche Hetze, medialen Hass und eine willfährige Justiz, die den Widerstand letztendlich brechen wird. Heute politisch Bewegte werden sich tapfer in die Hose kacken und sich dann beugen, wie 1976 in Stammheim. Wenn dann wieder die TAZ links bewegt über einen der Prozesse berichtet, fabuliert sie vielleicht wieder von den naiven Träumen, die dieser gerade Verurteilte geträumt haben, mag. MEIN Wunsch an diese militanten künftigen grünen" Raftfellos"; lasst es sein. Möge doch Christian mit seinem Porsche und der Bundesbürger mit dem SUV fröhlich in den Weltuntergang fahren, das ist besser als grüne RAF oder auch nur Widerstand.

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