Artikel 38: Die Mitgliederbefragung der SPD ist eine Degradierung der Abgeordneten

Der Bundestag Foto: Robin Patzwaldt
Der Bundestag Foto: Robin Patzwaldt

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU ist ausgehandelt, nun liegt es an den Mitgliedern der SPD, ob die Große Koalition kommt oder nicht. Mal abgesehen davon, dass nun 472.000 SPD-Parteibuchinhaber, also noch nicht einmal 0.8 Prozent der Wahlberechtigten entscheiden, welche Regierung dieses Land bekommt oder nicht, ist schon die Idee einer solchen Befragung ein Schlag ins Gesicht der Väter und Mütter des Grundgesetzes:

Dort steht in Artikel 38:

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

Die SPD Mitgliederbefragung macht aus dem Ideal des unabhängigen Abgeordneten, der die Kanzlerin nach eigenem Ermessen wählt oder auch nicht, zu   einem Befehlsempfänger der Parteibasis – das steht im direkten Widerspruch zu repräsentativen Demokratie. Wer keine unabhängigen Abgeordneten will, kann sie durch kleine  Automaten ersetzen, die die Hand heben wenn die Partei es will.

Das Elend ist, dass die SPD damit Maßstäbe gesetzt hat, denen andere Parteien über Kurz oder Lang folgen werden – damit wird die Unabhängigkeit der Abgeordneten, die leider in der Realität nicht dem Ideal des Grundgesetzes entspricht, vollends geopfert. Die Mitgliederbefragung ist eine Degradierung der Abgeordneten, sie macht sie zum verlängerten Arm der Hinterzimmer der Ortsvereine.

 

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Arnd
Arnd
10 Jahre zuvor

Das stimmt so nicht, es steht den einzelnen freien Abgeordneten immer noch frei, sich unabhängig von einem möglichen Scheitern des Mitgliedervotums für eine Zusammenarbeit mit der CDU/CSU zu entscheiden.
Mich bringt beispielsweise die Vorstellung zum Grinsen, das Mitgliedervotum würde scheitern und es wird eine CDU/CSU-Minderheitenregierung gebildet, in der 10 SPD-Abgeordnete als Minister und parlamentarische Staatssekretäre sitzen, die natürlich brav mit der Regierungsfraktion stimmen.

Natürlich werden diese Abgeordneten dann von ihrer Partei nie wieder für den Bundestag aufgestellt, aber bis zur nächsten Wahl nehmen sie ihre Mandate frei und unabhängig wahr.

Im Übrigen lassen auch andere Parteien Koalitionsvereinbarungen gelegentlich unter Mitwirkung von Nicht-Abgeordneten abstimmen. Daher ist das Verfahren der Genossen zwar extrem aufwändig und breit angelegt, aber keine Degradierung der Abgeordneten.

joerg
joerg
10 Jahre zuvor

Ich halte diese Bewertung für falsch. Es ist nicht das Votum der Mitglieder, das in Art. 38 eingreift, sondern der Koalitionsvertrag als solcher.

Thorsten Stumm
10 Jahre zuvor

Naja, wenn man dieser Logik folgt, dann dürften auch keine Delegierte auf Parteitagen darüber entscheiden, sind noch weniger Menschen….dann dürfte es auch keinen Fraktionszwang geben bei Abstimmungen….wie sagte mein Politiklehrer immer: Verfassungswunsch und politische Verfassungsrealität im Wettstreit….

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#1 | Arnd: Man könnte das mit dem Individualgewissen so auffassen, wenn – ja wenn nicht die Mitgliederbefragung *ganz offiziell* als richtungsgebende Entscheidung über die Freiheit des Abgeordneten gestellt würde, was zweifelsfrei verfassungswidrig ist. Und was, wie das Ergebnis der GroKo-Verhandlungen ebenso deutlich zeigt, die politischen Weichenstellungen für die nächsten Jahre unbotmäßig behindert.

Und wenn die SPD-Abgeordneten wirklich so wenig über den Willen ihrer Basis wissen, gehören sie auch nicht in den Bundestag, weil ihnen anscheinend das eigene Mandat auf dem Weg zum warmen Sessel abhanden gekommen ist. Punkt.

Andi
Andi
10 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin (#2):
Wenn man das konsequent denkt, wäre es für Wähler aber uninteressant eine Partei zu wählen, denn man wüßte ja dann nie so genau wie die Abgeordneten sich verhalten werden sprich ob Fraktionen einheitlich handeln und berechenbare Mehrheiten über einen längeren Zeitraum hinweg möglich sind. Und für Parteimitglieder wäre es aus dem gleichen Grund uninteressant solche Kandidaten beim nächsten Mal wieder aufzustellen.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

PS, Arnd: Als Dortmunder kenne ich natürlich so einige SPD-Mitglieder auch persönlich, deswegen finde ich allein schon die Idee unerträglich, dass derartig un-/halbgebildete, reaktionäre Betonköpfe aus dem Hinterwald die nächste Regierung definieren könnten. Ich bin nicht nur deswegen auch ein erklärter Gegner von „direkter Demokratie“ und populistischen „Folksbefragungen“.

Helmut Junge
Helmut Junge
10 Jahre zuvor

Stefan, die Mitgliederbefragung ist m.W. von der Parteispitze beschlossen worden. Aber die Bundestagsabgeordneten müssen sich nicht daran halten. Einzige Strafe die sie im Falle der Nichtbefolgung des Mitgliedervotums erwartet, ist ein schlechtes Image bei den Mitgliedern. Sonst nichts.
Die Verfassung aber gäbe den Abgeordneten durchaus das Recht, ohne oder gegen ein Mitgliedervotum zu entscheiden.
Nur, wenn das jemand wagt, ist ein sicherer Listenplatz bei der nächsten Wahl vermutlich fraglich. Dann hilft auch keine Verfassung.

Arnd
Arnd
10 Jahre zuvor

@Stefan: Das Idealbild des unabhängigen Abgeordneten ist sicher ein gutes und teilweise wünschenswertes, andererseits würde ein Parlament aus komplett unabhängigen Abgeordneten (also ohne den juristisch nicht existierenden „Fraktionszwang“) in der täglichen Arbeit erhebliche Probleme haben, auch die Kompromissfindung wäre erheblich erschwert.
Und wie gesagt, grundsätzlich sind die Abgeordneten unabhängig. Sie bleiben die gesamte Legislaturperiode im Bundestag, auch wenn sie aus ihrer Partei austreten oder die Partei wechseln. Das einzige handfeste Druckmittel, über das die Parteien verfügen (neben dem sozialen Gruppendruck) ist die Drohung mit der Nichtaufstellung für die nächsten Wahlen.

68er
68er
10 Jahre zuvor

Und die SPD will den Arbeitern ihre Villen im Tessin wegnehmen:

https://www.hdg.de/lemo/objekte/pict/KontinuitaetUndWandel_plakatStaeckTessin/

Und die LINKEn fressen kleine Kinder.

Luedinghausener
10 Jahre zuvor

Ich zitiere hier mal Art21GG: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen.(…)

All jene Bedingungen sehe ich bei der SPD als erfüllt an… Die innere Ordnung auch zur Mitgliederbefragung wurde insoweit herbeigeführt, als das der Vorstand in Leipzig erst wieder zur Wahl stand und die Befragung nicht von den Delegierten zurückgewiesen wurde… die wären ja auch blöd gewesen, ihre eigene Mitwirkungsmöglichkeiten zu beschneiden. Zu kritisieren ist nur, die Herbeiführung der Entscheidung diesen Mitgliederentscheid durchzuführen, denn diese basierte auf einer Vorstandsentscheidung und nicht einem Pateitagsbeschluss.

@Klaus Lohmann: Ich bin deshalb im Oktober selbst zu einem un-/halbgebildeten, reaktionären Betonköpf aus dem Hinterwald geworden. Geht ganz einfach und tut nicht weh!

Wer spricht denn hier mal von der Unabhängigkeit und Freiheit des Wählers selbst an der Willensbildung der Parteien teilzunehmen?

Man könnte jetzt auch noch über ein paar Bier eine Reform des Parteienstaats ausarbeiten und über noch mehr direkte Demokratie nachdenken. Ich wäre dabei! Aber solange Menschen ihre Stimme lieber nur alle 4 Jahre – im Wortsinne – „abgeben“ wollen, um keine persönliche Verantwortung wahrnehmen zu müssen – warum soviel Aufwand?

Diese scheiß Bequemlichkeit geht mir auf den Sack. Unsere „repräsentative“ Demokratie ist aber genau auf diese Prinzip geeicht. Unabhängigkeit? Ja klar! Kommt ganz drauf an, welcher Lobbyist gerade in der Tür steht, welcher Mainstream in der Fraktion gerade angesagt, welche Laune die Kanzlerin gerade hat.

Nee, lasst mal… der unabhängige Abgeordnete… davon gibt es im Bundestag vielleicht eine Handvoll. Der Rest funktioniert nach Regeln die andere festlegen, als die Wähler glauben. Da ist es besser, man beteiligt sich daran, diese Regeln zu ändern! Und das nicht nur alle 4 Jahre in der Hoffnung das andere einem die Arbeit abnehmen!

Murphy42
Murphy42
10 Jahre zuvor

Immer wieder lustig, wie Stefan Laurin mit seinem liberalem Halbwissen Sätze in seine Tastatur hackt und sie über diesen Blog der Allgemeinheit zuführt.
Diese Abegeordneten Nummer ist blanker Unsinn. der Koalitionsvertrag hat die Parteien als Vertragspartner, nicht die Abgeordneten. Und natürlich können die Parteimitglieder über einen Vertrag, den die eigene Partei abschliesst, abstimmen. Wenn es eine Degradierung ist, dann höchstens der des Parteivorstands, den die Mitglieder gewählt haben um ihre Interessen zu vertreten.
Die Gewissensfreiheit der Bundestagsabgeordneten wird weder durch den Koalitionsvertrag noch durch die Mitgliederbefragung eingeschränkt. Diese Gewissensfreiheit äußert sich im wesentlichen durch die freie Entscheidung und Wahl bei Beschlüssen des Bundestages. Und so muss denn eine Bundestagsabgeordnete oder -abgeordneter zur Wahrung ihrer/seiner Gewissensentscheidung die geheime Abstimmung beantragen und das Rückgrat haben und entsprechend abstimmen.
Im übrigen empfehle ich Stefan das Buch vom Marco Bülow, Wir Abnicker, dort wird sehr gut beschrieben, was die eigentlich Gefahr für die Meinungs- und Gewissenfreiheit der MdBs ist.

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
10 Jahre zuvor

Die Grünen praktizieren doch auch sowas. Die Piraten auch. Machen die Linken nicht auch etwas ähnliches?
Also neu ist das nicht. Und das greift genau so wenig in die Freiheit der Abgeordneten wie angeblicher Fraktionszwang.
Wer sich gegen die Mehrheit seiner Parteifreunde stellt, geht halt nur immer das Risiko ein, nicht wieder aufgestellt zu werden.

Da wir mit unserem Wahlsystem Parteien und keine Kandidaten wählen (sicher 90% der Erstwahlkreise werden durch das Parteibuch, nicht den Kandidaten entschieden), ist es nur konsequent, möglichst viele Parteimitglieder nach ihrer Meinung zu den Visionen für die nächste Legislaturperiode zu fragen.

(wie man übrigens schon immer erfahren hat: der stärkere der Koalitionspartner hält sich eigentlich nie an Koalitionsverträge oder beruft sich darauf, dass die Ziele schwammig formuliert sind. Es wird daher sicher während der Legislatur irgendwann die Frage auftauchen, ob man die Koalition verlässt. Nimmt man vorher mehr Menschen mit, ist man bei solch einer Frage auch stabiler. Will sagen: lass eine Koalition lieber am Anfang zerbrechen als mittendrin)

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Natürlich sind alle hier vorgetragenen Szenarien möglich, denn ‚rein theoretisch‘ muss sich kein gewählter Abgeordneter bei der Wahl des Kanzlers und der Regierung von irgendwem vorschreiben lassen, wen er wählt, weder vom Wähler, noch von einer Fraktion, noch von den Mitgliedern der SPD Basis. Aber das ist, wie gesagt Theorie. Die Praxis sieht anders aus.

Was in die Irre führt, ist der Begirff ‚Koalitionsvertrag‘, denn das Wort verleitet anzunehmen, dass es sich bei einen solchen Werk um eine Art Geschäftsvertrag handelt, der die unterzeichnenden Parteien an die formulierten Vereinbarungen bindet. Aber ein Vetrag im eigentlichen Sinne sind solche Koalitionsvereinbarungen eben nicht. Sie sind das genaue Gegenteil, nämlich reine Absichtserklärungen an die niemand gebunden ist. Wären sie bindend, würden sie gegen die Verfassung verstoßen, denn laut Grundegsetz verfügt jeder Abgeordneter über ein sogenanntes freies Mandat, das heißt, dass er nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist. Abgeordnete sollen sich als Vertreter des Volkes verstehen und nicht als Vetreter beispielsweise einer Partei, Lobby oder Interessengruppe.

Genau das ist in Artikel 38 GG, auf das sich Stefan bezieht, geregelt. Auf der Seite der Sozialdemokraten steht allerdings ganz was anderes:

„Die SPD-Mitglieder haben nach den Verhandlungen das letzte Wort: Es wird eine bindende Mitgliederbefragung über einen schwarz-roten Koalitionsvertrag via Briefwahl geben.“ Das wiederspricht dem Artikel 38, denn wie gesagt, das Mitgliedervotum ist für niemanden bindend, weil jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist. Was Nahles auf der Seite behauptet ist also schlichtweg Quatsch, aber vermutlich durch das Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt, das jedem erlaubt, auch Blödsinn zu verbreiten.

Was die SPD gerade fabriziert, ist die Wiederbelebung des ‚imperativen Mandates‘, bei dem der Abgeordnete an inhaltliche Vorgaben der von ihm Vertretenen gebunden ist. Imperative Mandate gab es in den Rätedemokratien in der Frühzeit der Sowjetunion und in abgewandelter Form dann auch in den späteren Staaten des Ostblock, wie beispielsweise der DDR, nur mit dem Unterschied, dass man die Abgeordneten der SPD heute in Deutschland nicht wird absetzen können, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten.
Gott sei Dank gibt es das Grundgesetz und genau jenen Artikel 38. Aber was interessiert derzeit einen Sozialdemokraten das Grundgesetz? Hauptsache man kann jetzt mal so richtig auf die Kacke hauen und sich basisdemomkratisch wohlfühlen, wo man doch sonst nicht viel zu sagen hat.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#11 | Luedinghausener: Stimmt, das hatte ich in der Aufzählung meiner „Lieblingseigenschaften“ von Dortmunder SPDlern doch fast vergessen – die Arroganz von Emporkömmlingen einer Ex-Arbeiterpartei selbst gegenüber den eigenen Wählern, von denen dank „guter“ Parteiarbeit der letzten 20 Jahre ja nur noch die Hälfte existieren.

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
10 Jahre zuvor

aus Unterhaltungszwecken hoffe ich natürlich, dass die SPD-Basis dagegen stimmt.
irgendwer daraufhin zurücktritt.

Aber Teile der SPD-Fraktion dennoch eine Koalition eingehen, weil sie Neuwahlen und damit den möglichen Verlust ihrer Mandaten befürchtet…

da in den Koalitionsvertrag eh so viele feuchte Sicherheits-Träume drinstehen, hät ich auch nichts dagegen, wenn wirs wie Belgien machen und paar Jahre auf ne Regierung verzichten.

trackback

[…] der Mitgliederbefragung über den Koalitionsvertrag in der SPD macht sich Ruhrbaron Stefan Laurin Sorgen um die Demokratie – oder viel mehr beklagt er: “die „Degradierung der Abgeordneten(…) zum verlängerten […]

Tolleranz
Tolleranz
10 Jahre zuvor

Die „Väter und Mütter des Grundgesetzes“ sind doch sicherlich schon längst tot, das hier wird sie also nicht mehr interessieren. Aber ein netter Versuch.
Klar, hier liegt gewissermaßen ein doppelter Legitimationsprozeß vor, aber da die herkömmliche parlamentarische Variante nicht über jeden Zweifel erhaben ist (oder etwa doch? In diesem Fall ziehe ich meine Wortmeldung zurück und drucke mir sofort Artikel 38 zum auswendiglernen aus.), ist doch ziemlich egal, ob das nun so läuft oder eben anders.
Übrigens, daß einem bei der Vorstellung, der Bauer von irgendwo könnte tatsächlich über die politische Entwicklung des Landes mitbestimmen (also nicht nur indirekt über Parteien, Parlament etc.), anders wird, ist verständlich. In der Schweiz (wo meiner Meinung nach so vieles besser läuft als hier, Herr Laurin als Neu-Liberaler wird das womöglich ähnlich sehen) klappt das aber ganz gut.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@Tolleranz: Wir haben ein eindeutiges Wahlergebnis, welches durch 61 Millionen Wahlberechtigten eine Präferenz zugunsten einer regierungsfähigen CDU und damit deren Rolle als Koalitions*schafferin* definiert.

Wenn nun ca. 50.000 SPD-Mitglieder in der Lage wären, das Wahlergebnis und das resultierende Mandat durch einen Mitgliederentscheid ad absurdum zu führen, *dann* müsste unser Grundgesetz kräftig nachgefeilt werden. Nur dann.

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

Stefan,
wenn Du das Faß des Art.38 GG aufmachst und auf das dort verankerte (weisuings-) freie Mandat eines jeden Abgeordneten hinweist, dann mag die Mitgliederbefragung der SPD dafür für Dich ein geeigneter Anlaß sein.
Unabhängig davon, was an Argumenten dagegen vorzubringen ist -sh.einige vorangegange Beispiele-, bitte ich doch darum, sich bezüglich dessen, was ein (weisungs-)freies Mandat im Sinne des Art.38 GG ist und was dem nach der herrschenden Lehre nicht entgegensteht, etwas gründlicher zu befassen und vor allem dabei das gesamte Spektrum zu beleuchten, in dem sich ein Abgeordneter bewegt -von seiner Wahl, seiner Tätigkeit im Parlament bis hin zu seiner Wiederwahl-.
Und dann kommt jedermann auf Alltägliches, auf ganz Simples und gelegentlich auf Außergewöhnliches, das aufzeigt, daß es den f r e i e n nur seinem Gewissen verpflichteten Abgeordneten nicht gibt und noch nie gegeben hat;insofern ist das freie Mandat eine Fiktion.

Noch zwei konkrete Anmerkungen:
1.
Wir können uns trefflich darüber streiten, ob es politisch klug ist, ob es politisch unbedenklich ist, ob es gut für Deutschland, gut für die SPD, gut für die Demokratie ist oder ob zu allem Gegenteiliges festgestellt werden kann, aber nicht darüber, ob die SPD mit ihrem Mitgliederentscheid verfassungswidrig handelt. Wer soll hier mit welcher Absicht in die Ecke der „Verfassungswidrigkeit“ gestellt werden?

((Als SPDler, der die große Koaltion ablehnt und der nach dem vorliegenden Entwurf des Koalitionsvertrages nicht in der Lage ist, den SPD Wählern nach den im Wahkampf gemachten Aussagen zu erklären, warum die SPD jetzt trotzdem bereit sein sollte, Frau Merkel erneut als Kanzlerin zu wählen, denn darum geht es zunächst und in erster Linie,weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls dazu nicht in der Lage.
Deshalb hat es mir schon „gut getan“, wenn Bernhard Schlink, Jurist und Schriftsteller, so wie ich 4o Jahre in der SPD, in einem Artikel im „SPIEGEL“ -Der SPIEGEL/48/2013, S.28- den „lieben Genossinnen und lieben Genossen“ erklärt, warum die SPD nciht mit der UNION koalieren sollte.))

2.
In der herrschenden Lehre ist es unbestritten, daß die politische Bindung eines Mandatsträgers an seine Partei verfassungsrechtlich n i c h t dem Prinzip des freien Mandates entgegensteht.Das BVerfG hat dazu mehrfach auf ein verfassungsrechtliches Spannungsverhältnis zwischen Art. 21 GG, der die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Parteien in der repräsentativen Demokratie garantiert, und dem Art.38 hingewiesen. Ich erspare mir dazu weitere verfassungsrechtliche Betrachtungen;etwa zu den Begriffen „Parteibezogenheit“ des Mandates, „Rahmengebundenheit“ des Mandates, „generelles Mandat“ , „gruppenbezogenes“ Mandat. Dazu gibt es in jedem „guten“ Kommentar zum GG umfangreiche Abhandlungen.

3.
Problematischer ist bezogen auf das freie Mandat der sog.Fraktionszwang, der jedenfalls dann nach herrschender Lehre verfassungswidrig ist, wenn der Abgeordnete von seiner Fraktion gegen seine Überzeugung zu einem bestimmten Verhalten g e n ö t i g t wird.
Nur welcher Abgeordnete wird denn erklären, er sei zu einem bestimmten Verhalten, z.B. bei einer Abstimmung, gegen seinen Willen g e n ö t ig t worden?
„Man“ beugt sich aus eigenem Entschluß, aus welchen Gründen auch immer, dem Mehrheitswillen der Fraktion und damt gibt es dann verfassungsrechtlich kein
Problem.

Im übrigen:
„Laßt die Kirche im Dorf“;
denn wenn es zu einem Nein der SPD-Mitglieder auf der Basis des sog.Koalitionsvertrages zur Bildung einer großen Koaltion kommt, geht weder Deutschland, geschweige denn Europa unter, wird es im täglichen Leben der Bürger grundsätzlich so weiter gehen wie bisher, wird die Demokratie keinen Schaden nehmen,warum sollte sie das denn, wird es so oder so mit oder ohne Neuwahlen zur Wahl eines Kanzlers,einer Kanzlerin kommen -und nur darum geht es zunächst!!- und , dessen bin ich sicher, trotz aller Verwerfungen und Erschütterungen in der SPD, wird diese weiterbestehen; Risiken für die SPD? Ohne Frage! Chancen für eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung von Grund auf? Ja, auch die könnte es geben. Viellecht wird ja das Land in seiner demokratischen Verfassheit ein wenig aufgerüttelt, wird befreit von lähmenden Ritualen, wie wir sie jetzt wieder enmal erleben. Das kann vielen Bürgern nicht gefallen, die ihre Ruhe haben wollen. Nur diese Ruhe kann der Demokratie auf Dauer gefährlicher werden, als ihr „Durchrütteln“ durch ein so ungewöhnliches Ereignis wie das der Mitgliederbefragung der SPD.

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

Nachtrag:
Koalitionsverträge?

Unsere Verfassung kennt sie nicht.

Wenn die Koalitionsvereinbarung, wie das jahrzehntelang der Fall war, in erster Linie eine Vereinbarung zwischen Fraktionen war, eine bestimmte Person zum Kanzler zu wählen, dann hat sie durchaus die Qualität eines verfassungsrechtlich bindenden Vertrages, und zwar resulierend aus Art.63 (1) GG.

Was heute geschieht, sh.die aktuelle Situation, ist doch nichts anderes als die Verabredung von politischen Zielen, die man gemeinsam zu erreichen
v e r s u c h e n will. Diese Verabredung erfolgt unter den Bedingungen von heute, und diese sind morgen ganz andere. Und dann?
Und die jetzige Koalitionsvereinbarung strotz gerade zu von „Unbestimmtheiten“, von „Absichtserklärungen“, und oftmals solchen mit vielen „Wenn und Aber“.

Man mag das trotzdem für sinnvoll halten. Ich halte das Ganze grundsätzlich in seiner gegenwärtigen Ausprägung für sinnlos.

Luedinghausener
10 Jahre zuvor

@Walter Stach – deine Argumentation finde ich sehr schlüssig! Ich habe schon an anderer Stelle in meinem Blog Stelle ausführlicher auf Stefan geantwortet… aber für dich habe ich noch einen Leitartikel von Stephan Hebel in der FR, den ich um einiges stärker als das von dir angeführte Spiegel Stück halte:
https://www.fr-online.de/bundestagswahl—hintergrund/leitartikel-koalitionsverhandlungen-das-ende-der-alternative-rot-gruen,23998104,25137148.html

trackback

[…] Artikel 38: Die Mitgliederbefragung der SPD ist eine Degradierung der Abgeordneten (Ruhrbarone) – […]

Erdgeruch
Erdgeruch
10 Jahre zuvor

Dann gibt es halt schwarz-Grün und dann wird Barbara Steffens Bundesgesundheitsministerin und verbietet das Rauchen generell.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#26 | Stefan: Mit den lächerlichen Placebos des Koalitionsvertrages bekommen wir die doch so oder so.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Ich verstehe die Diskussion hier nicht. Politik ist Strategie und Taktik. Schon immer. Die SPD hat versucht aus ihrem miesen Ergebnis das Beste zu machen und das ist ihr ohne Zweifel gelungen.

Das Mitgliedervotum hatte die Funktion die Partei zu beruhigen und die CDU bei den Koalitionsvereinbarungen unter Druck zusetzen. Die Rechnung ist bis jetzt aufgegangen und sie wird es bis zu Ende tun, denn die Mitglieder werden mehrheitlich für diese Koalition stimmen.

Ich als Wähler habe mir diese Koalition nicht unbedingt gewünscht, aber die Wahlen haben sie möglich gemacht. Wir haben nun mal eine Parteiendemokratie und das Grundgesetzt ist dabei in keinster Weise verletzt worden.

Ich erwarte unter diesen Bedingungen allerdings, das ich weiß wo die Reise ungefähr hingehen soll. Auch das bietet mir diese Koalitionsvereinbarungen. Das die Reise dann woanders enden könnte als geplant, muss mir keiner erklären, bzw. ist dieses Argument gegen sie so richtig wie banal.

Die hier aufgeschriebene Kritik an diesem Vorgehen ist nicht mehr und nicht weniger als das Gejammere derer, die sich was anderes gewünscht haben, es aber nicht durchsetzen konnten, und das unter dem Deckmantel einer Abgeordnetenfreiheit die es nicht gibt. Politisch gänzlich frei sind einzig und allein Diktatoren, weil sie weder dem Wähler noch einer Wiederwahl verpflichtet sind.

Ich erwarte dagegen zu Recht von einem/einer Abgeordneten das er/sie mir sagt was er/sie will, bevor ich ihn/sie wähle. Genauso erwarte ich eine überzeugende Erklärung dafür, wenn sie/er als Gewählte/r nicht tun was sie angekündigt und/oder versprochen haben. Die Freiheit eines/einer Abgeordneten liegte für mich ausschließlich darin, diese Erklärung nicht oder nur ungenügend zu liefern und dafür die Folge bei der kommenden Wahl zu tragen.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin

Man kann nicht gleichzeitig den freien Abgeordneten fordern und eben solche Abgeordnete persönlich z.B. für ihr Votum für das Nichtraucherschutzgesetz öffentlich anprangern. 🙂

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#29 | Arnold Voss: Das ist jetzt ebenso unverständlich von Ihnen. Was hat Kritik an der handwerklich ungenügenden Arbeit und den schwachsinnigen Ideen einer Noch-Ministerin mit der grundsätzlichen, durch ein Quorum auch noch als „legitimiert“ bezeichneten Mitgliederabstimmung zu tun, die ein Wahlergebnis grundgesetzwidrig ad absurdum führen kann? Oder wurde hier jemals die Wahl Barbara Steffens als formal ungültig angezweifelt?

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
10 Jahre zuvor

Stefan. Demokratie war immer eine Degradierung der Herrschenden. Das ist naemlich genau die Idee.
Und die jeweils Mächtigen hatten immer etwas entgegenzusetzen und dafuer ihre Fuersprecher: Von Plato bis Putin. Aber niemals gute Argumente.
Mehr Beteiligung von mehr Köpfen und Herzen ist eine verdammt gute Idee.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
10 Jahre zuvor

Und zur Situation: Die Entscheidung dem Interessenkartell aus Parteivorstand und Abgeordneten nicht allein zu Überlassen. Das ist eine absolute demokratische
Notwendigkeit.

Arnold Voss
Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann # 30

Wenn Stefan sich mehr freie, also unabhängig von Wähler- und Parteimeinung agierende Abgeordnete wünscht, und das tut er ausdrücklich in seinem Posting, dann kann er nicht gleichzeitig Abgeordnete wegen ihrer Entscheidungen individuell angreifen, nur weil er sie nicht richtig findet. Wer sich Abgeordnete wünscht, die den Wählerwünschen widersprechen, der kann sich doch nachher nicht darüber beschweren, wenn es ihn selber trifft, oder?

Helmut Junge
Helmut Junge
10 Jahre zuvor

„Demokratie war immer eine Degradierung der Herrschenden. Das ist naemlich genau die Idee.“
Manfred, das ist ein schöner Satz. So schlicht und so einfach. Aber punktgenau.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#33 | Arnold Voss: Ach? Kritik an Abgeordneten darf dann also immer mit der Begründung abgeschmettert und verhindert werden, diese handelten doch „frei“? Gut, unter dem Aspekt einer psychiatrischen, geschlossenen Anstalt sehe ich die Regierungsviertel in Berlin oder Düsseldorf wohl noch nicht oft genug.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#32 | Manfred Michael Schwirske: „Das ist eine absolute demokratische
Notwendigkeit.“ Und das entscheiden – Sie????

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

@Manfred Michael Schwirske (#32), @Helmut (#34)

Mit dem Stichwort Platon sind wir dann auch fast schon bei der attischen Demokratie, ihrem imperativen Mandat, den Frühen Sowjeträten, dem Ostblock (#14) und schließlich bei Putin.
Nur das wir das von Platon kritisierte griechische Modell vermutlich eher mit Demokratie in Verbindung bringen, als das der Sowjets und ihrem Nachfolgegedönse, wie beispielsweise eine ‚Deutsche Demokratische Republik‘, die diese Idee des imperativen Mandates wie kein anderer Staat der Welt sogar in ihrem Namen trug…

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
10 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann. Mein provokatives Argument war. Abgeordnete sind nicht frei. Sondern auch den eigenen Interessen verhaftet.

Helmut Junge
Helmut Junge
10 Jahre zuvor

der,der,
es gab in der Antike, bzw. besser in der Zeit davor, ganz bestimmt schönere Beispiele für demokratische Gemeinschaften als die attische Demokratie, die doch immerhin auf die produktiven Kräfte von einer großen Zahl Sklaven, die kein Stimmrecht hatten beruhte. Aber wir haben uns daran gewöhnt die griechische Demokratie als Urform der Demokratie zu loben, auch wenn das auf Mißverständnissen beruht. Immerhin mußte Athen seine Demokratie abschaffen als die Mazedonier unter Alexander begannen die Welt zu erobern. Später hat man dann von Athen nichts mehr gehört.

Felix
Felix
10 Jahre zuvor

Grundgesetz?
Den Koalitionsvertrag nicht gelesen?
Zitat: Seite 184, Kapitel 8. „Arbeitsweise der Koalition“.
Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.

Desweiteren: Ausweitung von DNA-Tests, Vorradsdatenspeicherung (in SPD-Sprech auch „Mindestspeicherfrist“ genannt), PKW-Maut (nebst zugehöriger Schnüffelei) Routerzwang, E-Perso, Internetsperren, „Reformierung“ des Kartellrechts
Und da kommen Sie mit GRUNDGESETZ?

Ans Grundgesetz wird von Abgeordneten nur noch appeliert, wenn es darum geht an die Tröge der Macht zu kommen oder sich aus irgendeiner Sauerei herauszuwieseln!

Grundgesetz! Selten so gelacht!

Helmut Junge
Helmut Junge
10 Jahre zuvor

@Felix,
viele Männer meines Alters haben sich in der Auslegung einiger Artikel des Grundgesetzes sehr geirrt.
so z.B.

Art 4

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Das dazu gehörige Bundesgesetz hat dann im Prinzip das Gegenteil daraus gemacht, indem es fordete, das jeweilige „Gewissen zu prüfen“.
Manch einem jungen Mann hat das Grundgesetz damals nicht geholfen, weil die Prüfer bei ihm das Gewissen nicht ausreichend sensibel fanden.
Wenn ich das schreibe, heißt nicht, das ich Deine Auffassung nicht verstehe, sondern, dass ich mich erinnere, dass ich früher genau so gedacht habe wie Du.
Irgendwie muß ich mich an diese „Grenzfälle“ der Verfassungsauslegung gewöhnt haben. Aber gut, dass du uns darauf aufmerksam machst.

trackback

[…] mich jedoch jetzt zunehmend verwirrte – beginnend mit dem Artikel Artikel 38: Die Mitgliederbefragung der SPD ist eine Degradierung der Abgeordneten bei den geschätzten Ruhrbaronen – ist die einige Male gehörte Aussage, wonach ein solches […]

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

-22-Luedinghausen
Danke für die positive Anmerkung zu meinem Beitrag und für den Hinweis auf den Artikel in der FR.
Der Inhalt meines Beitrages hat allerdings hier bei den Rurhbaonen -leider-nicht dazu geführt, sich mit ihm konkret,kritisch auseinanderzusetzen.
Nun sieht es ja so aus, daß all diejenigen, die sich wegen eines möglichen Nein der SPD-Mitglieder Sorgen gemacht haben und u.a.versucht haben, diese mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Mitgliederentscheid als solchen zu untermauern, beruhigt sein können, denn Vieles spricht nach meiner Wahrnehmung für eine Zustimmung seitens einer Mehrheit der SPD-Mitglieder.

Marty
10 Jahre zuvor

@ Stefan Laurin,

sie setzten ihre Kritik von hinten an, statt von vorne zu beginnen.
Beginne ich auch mal von hinten:
Wo ist der Unterschied, ob ein Parteitag auf Vorschlag des Bundesvorstand einen Koalitionsvertrag zustimmt oder die Mitglieder auf Vorschlag der Parteispitzen entscheiden? Unterm Strich entscheidet eben die Partei. das kann man natürlich grundsätzlich kritisieren.

Wenn Sie für den freien Abgeordneten plädieren, sollten sie Ihre Kritik am Anfang beginnen.
Wer hat denn den Koalitionsvertrag ausgehandelt? Ausschließlich die gewählten Fraktionsgremien des deutschen Bundestages?

Nein, es waren neben Fraktionsmitgliedern eben überwiegend Parteigremien (meist Mitglieder aus den Parteivorständen) und Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen. Letztere sind ja nun wirklich nicht für den deutschen Bundestag gewählt worden.

Mit kollegialen Grüßen
Marty Ludischbo

Reinhard Weber
Reinhard Weber
10 Jahre zuvor

Was soll das Geschrei ?
In der Praxis sitzen nach dem Ausscheiden von Hildegard Hamm-Brücher wahrscheinlich nur noch erklärte Verfassungsfeinde oder landesweit bekannte Kriminelle im Bundestag. Wie schon Robert Kennedy in den sechziger Jahren bemerkte: „Gangster drängen zur Macht“. Allein die Tatsache, daß von einem bindenden Ergebnis die Rede ist oder daß ein Franz Müntefering einmal generös bemerkte, man hae eine Abstimmung „freigegeben“, zeigt die sdeutlich. Die Parteien „wirken nicht an der Willensbildung mit“, sondern haben sie monopolisiert. Die in anderen Ländern beklagte Wahlfälschung nennt sich bei uns Koalitionsvereinbarung. Dieses Machwerk und das Vorgehen der SPD wird die Zahl der Nichtwähler vergrößern, weil ohnehin eine proletarischer Klüngel am Ende die Entscheidungen für das ganze Land trifft. Wenn die Mitglieder eines Wahlverlierers die Politik des ganzen Landes entscheiden, dann ist die Demokratie abgeschafft und die Diktatur eingeführt, ganz nach dem Motto, denn die Partei(en) haben immer Recht. Wir sollten ihnen nicht noch durch Teilnahme an den Showveranstaltungen, die man Wahlen nennt, den Anschein einer Legitimation geben.

Arnold Voss
Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann # 35

Politik als geschlossene Anstalt ist eine äußerst hilfreiche Assozition. Worum es mir aber eigentlich geht, Klaus, ist der Begriff der Freiheit und der Unabhängigkeit in Verbindung mit einem gewählten Volksvertreter, genauer gesagt die besondere Relativität dieser beiden Begriffe.

Jemand der gewählt wird steht automatisch und per Definitionem in Abhängigkeit von denen die ihn wählen. Ohne die Wahlen respektive den Wähler gäbe es keine Gewählten.

Damit besteht zugleich ein Versprechenszusammenhang, denn Niemand wird einfach nur so gewählt. Anders ausgedrückt: Wenn ich Jemanden wähle und ihm zugleich völlige Unabhängigkeit und Freiheit in der Entscheidung gebe, hätte ich ihn gar nicht erst wählen brauchen.

Dieser grundsätzliche Zusammenhang gilt auch wenn es sich nicht um ein imperatives Mandat handelt, denn auch der parlamentarische Abgeordnete ist nur auf Zeit gewählt, d.h. er mus sich, sofern er im Parlament bleiben will, der Wiederwahl stellen. Die eigentlich wirksame Kritik an einem parlamentarischen Abgeordneten geschieht also mit seiner Abwahl.

Wer diese verhindern will, wird sich der Kritik während der Wahlperiode stellen müssen, selbst wenn er sich dabei immer nur herauszureden versucht. Damit besteht auch in eine parlamentarischen Demokratie, vermittelt über die Medien, ein permanente Abhängigkeit vom Wähler.

Wenn dem so ist, wo kann dann die Freiheit eines parlamentarischen Abgeordneten liegen? Doch nur darin, seine Wiederwahl, d.h. seine Existenz als Gewählter zu riskieren. Die Freiheit zur Existenzaufgabe ist für mich aber nichts anderes als totale Abhängigkeit.

Es sei denn es handelt sich um einen sehr mutigen Menschen der für seine Ziele und Überzeugungen auch Nachteile in Kauf zu nehmen bereit ist. Davon sehe ich aber kaum Jemanden in unseren Parlamenten.

Manfred Michael Schwirske
Manfred Michael Schwirske
10 Jahre zuvor

@Walter Stach. Ja, es waere gut, deine ganze Argumentation zu bearbeiten, was ich jetzt nicht schaffe. Nur eine grundsätzliche Anmerkung moechte ich machen: Der freie und unabhaengige Abgeordnete.

M.E. liegt dieser Freiheit die Vorstellung zu Grunde, dass die Freiheit darin bestehen soll, dem Willen seiner Wähler zu folgen. Das sind erstens diejenigen, die ihn nominiert haben, und zweitens diejenigen, die das Mandat erteilten. Wie direkt oder indirekt (Listenwahl) auch immer.
Diese Freiheit bezieht sich also auf dritte und vierte. Sowie auf abstrakte und strukturelle Zwänge oder auf direkte Beeinflussung und Vereinnahmung. Daher die generöse materielle Ausstattung der Abgeordneten, daher die institutionellen Hilfen (Bueros, Mitarbeiter) usw. Daher auch die Regeln gegen Bestechlichkeit.

Darum geht es. Eine Freiheit an sich im Sinne von Losgeloestsein oder Beliebigkeit zu proklamieren, ist einfach nur grotesk.

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

Ich habe heute irgend wo die Äußerung gelesen:

„CDU/CSU fragen einige Wenige in der Partei, ob sie dem Inhalt des Koaltionsvertrages und damit einer großen Koaltion zustimmen, die SPD fragt innerparteilich einige mehr“.
Kurz, prägnand : Auf „den Punkt gebracht“.

Manfred-Michael-Schwirske -47-:
Ich denke, das jetzt hier diskutierte Thema interessiert „ab übermorgen“ niemanden mehr, auch diejenigen nicht, die jetzt vorgeblich wegen dieses Mitgliederentscheides die (repräsentative) Demokratie ernsthaft gefährdet sehen.
Insofern, Manfred-Michael, sollten wir beide darauf verzichten, diesbezüglich weitere Zeit zu investieren.
Ich denke, egal wie der Mitgliederentscheid ausgehen wird -mit einiger Sicherheit pro großer Koalition, sollten wir, auch wir beide, in „unserer“ SPD Zeit investieren, um ausgehend von der dann exisiterenden politischen Realität der großen Koalition über die SPD nachzudenken. Dazu muß dann gehören, sicherlich nicht in erster Linie, zu bedenken, ob Gabriel (Parteivorsitzender? und Nahles(Generalsekretärin) nicht nur ohne fundierte, umfassende kritische Betrachtung ihes Anteiles an der Wahlniederlage davon kommen, sondern wie die Mitglieder „es gebacken kriegen“, daß Beide nunmehr trotz dieses Desasters noch mit einem Ministeramt belohnt werden; ich habe da -noch?-Probleme. Es gab ‚mal Zeiten -und im demokratischen Ausland soll es die immer noch geben-, da wären Parteivorsitzender und Generalsekräterin nach einem solchen Debakel noch am Wahlabend zurückgetreten.

Wenn ich jetzt sage „wir in der SPD“, dann deutet das an, daß ich im Gegensatz zur bisherigen Tendenz, die ich auch hier bei den Rurhbaronen deutlich gemacht habe, mich zumindest tendenziell wieder in Richtung Verbleib in der Partei bewege; sicher bin ich mir diesbezüglich aber noch ganz und gar nicht, weil mir derzeit die notwendige Grundüberzeugung in der Sache von der Richtigkeit und der Wichtigkeit eines Verbleibes in der SPD fehlt.

Laperouse
Laperouse
10 Jahre zuvor

Ihre These wird durch ihren Umkehrschluss ad absurdum geführt:
Warum ist das Demokratieprinzip zwar dann gewahrt, wenn einige Hundert Delegierte eines Parteitags über den Koalitionsvertrag und damit mittelbar über das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten entscheiden. Nicht aber wenn das Quorum 480.000 Parteimitglieder/Wähler/Staatsbürger umfasst?
Dieser Wiederspruch lässt sich nicht auflösen.

abersowas
abersowas
10 Jahre zuvor

Ich bin „nur“ Sympatisant der SPD, kein Mitglied.
Ich bewundere den Mut der Partei zu der Mitgliederbefragung.
Eine solche Befragung wäre für alle NICHT-Wähler noch besser gewesen, aber die sind anonym.
Solange es keine Wahlpflicht gibt, finde ich eine solche Befragung sinnvoll und hoffe, daß sie ein gutes Ergebnis bringt, denn dann wäre das ein Zeichen für die Zukunft. Und wird evtl. von anderen Parteien übernommen.

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