Mit „Artists4Ceaesfire“ melden sich „deutsche Kulturschaffende“ in einer Petition zu Wort, die immerhin den Vorteil hat, mich nach langer Zeit an eine gute Freundin meiner längst verstorbenen Großmutter zu erinnern. Sie und ihr Mann – beide haben in den 90ern das Zeitliche gesegnet – mochte ich als Kind und Jugendlicher sehr, gehörten sie doch einer Sorte aufrechter Sozialdemokraten, die es heute nicht mehr gibt, und vor denen man auch rückblickend den Hut ziehen muss. Von unserem Gastautor Thomas von der Oten-Sacken.
Ihr Mann war der einzige aus der größeren Bekanntschaft meiner Großmutter, der während der Nazizeit im Zuchthaus saß und für mich waren die beiden – gerade angesichts des Rumgedruckses und -gemaches, das kam, wenn man in der eigenen Familie rumfragte, was die damals eigentlich so gemacht hatten, eine Art Vorbild.
Salbaderte im Radio oder Fernsehen irgend ein Politiker schwülstig herum, pflegte diese Freundin meiner Großmutter den schönen Satz zu sagen: „Hinter solch großen Worten verbergen sich meist ganz kleine Gedanken“.
Besser lässt sich dieses weitschweifige und schwülstige Manifest kaum kommentieren, das sich wie das Rohmaterial für den Liedtext einer christlichen Deutschrockband, die für den nächsten Kirchentag probt.
Dabei fragt man sich, ob es all des Schwulstes bedarf nur um zu erklären, dass die Lage der Zivilbevölkerung in Gaza furchtbar ist und es dringend Maßnahmen bedarf, dies zu ändern. Das nämlich sagen momentan neben den Regierungen der USA, der EU auch alle arabischen Staaten, zig UN Agenturen und Hilfsorganisationen und man liest es weltweit jeden Tag in den Schlagzeilen.
Was also ist der Mehrwert dieses Aufrufes, außer dass irgendwer mal wieder seinen Namen in gedruckter Form sieht? Was die Forderung auf die das alles hinausläuft?
Die ist so dürftig, dass es eigentlich peinlich sein müsste, sie überhaupt zu stellen:
„Wir sind fest davon überzeugt, dass die deutsche Regierung alle diplomatischen Möglichkeiten ihrerseits ohne Kompromisse ausschöpfen muss, um zu einem beidseitigem, sofortigen und permanenten Waffenstillstand aufzufordern und sich für diesen auch konsequent und mit Nachdruck aussprechen sollte.“
Ja, mehr ist das nicht. Irgendwelche Künstlerinnen und Künstler sind überzeugt, dass ihre Regierung den Job, machen soll, zu dessen Behufe sie gewählt und von Steuergeldern gezahlt wird, nämlich Diplomatie zu betreiben.
Und das nicht für Frieden – eigentlich das Lieblingswort dieser Leute -, sondern einen Waffenstillstand, also nur eine Kampfpause.
Wieso nicht Frieden, gerechte Zweistaatenösung oder irgend so eine andere Floskel? Gute Frage? Vielleicht weil sie wissen, dass das mit der Hamas nicht zu machen wäre, man denen damit also auf die Füße treten mag.
Lese ich das noch einmal, tue ich der Freundin meiner Großmutter sogar ein wenig Unrecht, dieser Aufruf zeichnet sich dadurch aus, dass sich hinter ganz großen Worten nicht einmal ein ganz kleiner Gedanke verbirgt.
Der Artikel erschien bereits in der Jungle World