Arye Sharuz Shalicar (IDF): „Die Message ist, dass wir es ernst meinen“

Wieder Pressesprecher der IDF: Arye Sharuz Shalicar(Foto: IDF / Arye Sharuz)
Wieder Pressesprecher der IDF: Arye Sharuz Shalicar (Foto: IDF / Arye Sharuz)

Ende August veröffentlichte Arye Sharuz Shalicar, der von Oktober 2023 bis Mai 2024 Pressesprecher der IDF war, seine (bis vor Kurzem) letzte Folge im Podcast Nahost Pulverfass. Der Podcast, auf dem Arye Sharuz am 24.09.2024 eine neue Folge (Ich bin wieder da!) veröffentlichte,  sollte beim gestrigen Telefonat mit ihm ursprünglich thematisiert werden: Seit dem 25. September 2024 ist Arye Sharuz Shalicar wieder als Sprecher der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) aktiv.

Die Ruhrbarone haben gestern mit Arye Sharuz Shalicar telefoniert und bekamen Antworten auf Fragen: Zu den fortlaufenden Angriffen auf Israel und zum aktuellen Stand beim Kampf gegen den islamistischen Terror. Um den Podcast und andere Themen geht es dann im zweiten Teil des Gesprächs, der am 30.09.2024 hier im Blog veröffentlicht wird.

„Israel hat sich wirklich zurückgehalten“

Ruhrbarone: Schalom Arye. Ich wollte dich heute eigentlich sprechen, weil dein Podcast seit gestern wieder aktualisiert wird. Aber jetzt gibt es ja wohl erstmal andere Neuigkeiten, wie man heute lesen konnte, bist du bist jetzt wieder Pressesprecher der IDF?

Arye Sharuz Shalicar: Ja, seit dem 25. September. Wegen der aktuellen Situation gerade, wegen der Operation im Norden.

Ruhrbarone: Wie ist denn die aktuelle Lage im Norden, in Nordisrael?

Arye Sharuz Shalicar: Die aktuelle Lage im Norden Israels ist nach wie vor angespannt und das seit fast einem Jahr. Seit dem achten Oktober wurden 49 Israelis durch Angriffe der Hisbollah getötet. Weil seit fast einem Jahr Raketen, Drohnen, was auch immer, aus dem Libanon nach Israel abgefeuert werden. Es gab viele Waldbrände im Norden. Das alles ist natürlich eine schwierige Situation. Der Staat Israel hat den Norden jetzt stärker im Fokus, stärker als in den ersten Kriegsmonaten. Israel hat sich jetzt, parallel zur Situation im Gazastreifen und den Geiseln, auch offiziell zum Ziel gesetzt, dass man alles tun wird, damit die Menschen, die aus dem Norden Israels vertrieben bzw. evakuiert wurden, zurück in ihre Häuser gehen und dort in Sicherheit sein können.

Ruhrbarone: Als ich im Mai in Tel Aviv war, sind aus meinem Hotel gerade die Leute aus dem Norden, die dort evakuiert waren, in ihre alten Wohnungen zurückgekehrt. Wie ist die aktuelle Situation der Geflüchteten?

Arye Sharuz Shalicar: Im Großen sind nach wie vor über 60.000 Israelis, die aus dem Norden Israels sind, nicht in ihren eigenen Häusern. Also offensichtlich leben die immer noch in irgendwelchen Wohnungen, Kibbutzim, Hotels und das seit fast einem Jahr. Sie wurden also aus ihren eigenen Wohnungen in Israel vertrieben.

Israelische Flagge in Rosh Hanikra/Israel - an der Grenze zum Libanon (Foto: Peter Ansmann)
Israelische Flagge in Rosh Hanikra/Israel – an der Grenze zum Libanon (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Diese humanitäre Katastrophe in Israel oder die Lage in Nordisrael sind irgendwie keine Themen bei der UN, oder?

Arye Sharuz Shalicar: Nein, seit einem Jahr hat sich eigentlich niemand weltweit darum geschert, dass Israel seit dem achten Oktober 2023 aus dem Libanon beschossen wird. Ohne Grund. Ohne, dass Israel irgendwas im Libanon provoziert hätte. Israel hat immer wieder reagiert, hat natürlich auch in diesem hin und her versucht der Welt klarzumachen, dass die Situation eskalieren könnte und dass wir uns noch zurückhalten.

Die Welt soll die Hisbollah in die Schranken weisen. Aber niemand hat was getan. Oder wenn man was versucht hat, hat es offensichtlich nicht funktioniert.

Da fragt man sich natürlich, wo war die UN in den letzten zwölf Monaten? Und wo waren diejenigen, die jetzt, international laut aufschreien, weil Israel sich zu Wehr setzt. Wo waren die in den letzten 12 Monate, als Israelis getötet wurden, Israel beschossen wurde, Israelis vertrieben wurden.

Ruhrbarone: Du hast ja gerade jetzt die Grenzen angesprochen. Es gibt ja UN Resolutionen, 1559 und 1701, in denen es um den Rückzug aller paramilitärischen Verbände, also auch der Hisbollah, aus dem Süden des Libanons geht.

Arye Sharuz Shalicar: Aus dem Gebiet südlich vom Litani-Fluss. Es geht insbesondere um den Bereich Süd-Libanon. Aber wie du sagst, 1559 und 1701, die Hisbollah hat eigentlich, laut diesen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, nichts südlich vom Litani-Fluss verloren.

Nicht nur, dass die Hisbollah dort unterwegs ist. Die haben dort auch jedes zweite, dritte Haus als Munitionslager oder als Raketenabschussrampe oder was auch immer umfunktioniert.

Hauptquartier der IDF in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)
Hauptquartier der IDF in Tel Aviv (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Trotz der UN-Resolutionen.

Arye Sharuz Shalicar: Das ist ein ganz klares Kriegsverbrechen. Und alles, was die Hisbollah macht, ist im Endeffekt gegen die UN-Resolution. Kritik von der UN darauf? Weiß ich nicht, musst du mir sagen.

Ruhrbarone: Es gibt ja Kritik am Einsatz, weil gesagt wird, es soll kein zweites Gaza geben, was auch immer das heißen mag. Wieso ist die UN so blind in diesem Punkt?

Arye Sharuz Shalicar: Das Thema UN ist ein Thema für sich. Ich versuche, aus israelischer Armeeperspektive, wirklich konzentriert, die Situation hier noch mal zu verdeutlichen. Im Endeffekt hat sich Israel in den letzten elfeinhalb Monaten sehr zurückgehalten und das, obwohl teilweise über 100.000 Israelis vertrieben und dutzende Israelis durch den Beschuss aus dem Libanon getötet wurden. Israel hat sich wirklich zurückgehalten und das in erster Linie, weil man versucht hat, einerseits den Fokus natürlich auf die Geiseln und die Hamas im Gazastreifen zu legen und zweitens, weil man der Diplomatie eine Chance geben wollte. In der Hoffnung, dass die Hisbollah eventuell von der Welt in die Schranken gewiesen wird und sie das Feuer einstellen.

Doch die Diplomatie hat nicht funktioniert, Geduld hat nicht funktioniert und irgendwann muss man auch aus historischer Perspektive sagen, genug ist genug und wir müssen uns jetzt zur Wehr setzen und die Hisbollah zurückschlagen.

Arye Sharuz Shalicar im Oktober 2023 (Foto: IDF / Arye Sharuz)
Arye Sharuz Shalicar im Oktober 2023 (Foto: IDF / Arye Sharuz)

Ruhrbarone: Jetzt kann die Hisbollah Israel nicht erobern, die haben keine Panzer, die haben keine Flugzeuge. Die haben aber um die, man spricht von 140.000, Raketen. Kann sich Israel im Augenblick einen Zweifrontenkrieg leisten, solange die Lage im Terrornest Gazastreifen nicht geklärt ist?

Arye Sharuz Shalicar: Man kann davon ausgehen, dass die Hisbollah vor dem achten Oktober um die 200.000 Raketen verschiedenster Sorten hatte, von Kurz- bis Langstrecke und dass mittlerweile zehntausende davon von Israel zerstört wurden, dass aber noch genug Firepower da ist. Den Mehrfrontenkrieg, du hast Zweifrontenkrieg gesagt, ich sage Mehrfrontenkrieg, in diesem befindet sich Israel doch schon seit dem siebten, achten Oktober: Weil Israel im Endeffekt aus Gaza beschossen wurde, aus dem Libanon beschossen wurde oder wird, aus Jemen, aus dem Irak, sogar aus dem Iran und Syrien. Zusätzlich ist da aktuell noch der Antiterrorkampf in Judäa und Samaria, sprich der Westbank oder dem Westjordanland, der auch parallel stattfindet.

Das sind sieben Gebiete, aus denen in den letzten zwölf Monaten auf Israel geschossen oder Terror ausgeübt wurde.

Israel im Krieg: Hinweis auf einen Schutzraum am Flughafen Ben Gurion (Foto: Peter Ansmann)
Israel im Krieg: Hinweis auf einen Schutzraum am Flughafen Ben Gurion (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Der Krieg in Gaza geht seit fast einem Jahr. Ist Israel in der Lage diesen Mehrfrontenkrieg zu führen?

Arye Sharuz Shalicar: Offensichtlich. Ja, es ist natürlich unschön, es ist natürlich nicht erwünscht. Aber es geht im Endeffekt darum, unser Land und die Bürger und Bürgerinnen dieses Landes zu verteidigen. In diesem, durch Terroristen verursachten Krieg, die alle natürlich unter der Schirmherrschaft des iranischen Mullah-Regimes agieren, da bleibt uns leider keine andere Wahl, als uns zu verteidigen.

„Die Message ist, dass wir es ernst meinen“

Ruhrbarone: Jetzt kam es vor einer Woche im Libanon zu Zwischenfällen mit Pagern und Funkgeräten, bei denen  eine Reihe von Hisbollah-Terroristen verletzt oder getötet wurden. Der Urheber dieser Aktion ist bisher unbekannt. Inwieweit ist durch diese Vorgänge jetzt die Handlungsfähigkeit der Hisbollah beeinträchtigt?

Arye Sharuz Shalicar: Naja, also die Hisbollah-Führung und besonders auch die Radwan-Einheit und auch andere wichtige Kommandeure der Terrormiliz, der verschiedensten Einheiten innerhalb der Hisbollah-Terrormiliz, sagen wir mal z.B. der Raketeneinheit und des Geheimdienstes der Hisbollah und so weiter und so fort. Da sind sehr viele hochrangige Terroristen eliminiert worden in letzter Zeit.

Ich denke, die Message ist dort angekommen. Die Message ist, dass wir es ernst meinen.

Die Message ist, dass wir genug Informationen haben, nachrichtendienstliche Informationen, um genau zu wissen, wo wir zuschlagen müssen und sollten und im Endeffekt auch die Firepower besitzen, um tatsächlich auch deren Raketenarsenal anzugreifen. 

Das Traurige bei diesen Angriffen auf diese Raketen ist, dass man sehr oft, und es gibt etliche Videos, die das belegen, Sekundärexplosionen, das heißt, dass immer wieder klar wird, wie viel Munition, wie viele Raketen, wie viele Drohnen und alles, was explosiv ist, wie viel davon gebunkert wird von der Hisbollah. Natürlich mit voller Absicht in zivilen Wohngebieten, also in Häusern von Zivilisten.

Arye Sharuz Shalicar zur aktuellen Lage im Nahen Osten, Teil 2 –

„Wir befinden uns in einem Selbstverteidigungskrieg“

Autor, Podcaster, Politologe: Arye Sharuz Shalicar in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)
Autor, Podcaster, Politologe: Arye Sharuz Shalicar in Duisburg (Foto: Peter Ansmann)

Weitere Beiträge zu Arye Sharuz Shalicar im Blog der Ruhrbarone:

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