Arye Sharuz Shalicar (IDF): „Irgendwann muss man dann natürlich seine Sicherheitsinteressen in die eigenen Hände nehmen“

Arye Sharuz Shalicar (Foto: IDF)
Arye Sharuz Shalicar (Foto: IDF)

Seit gestern Morgen, 4.00 Uhr, schweigen die Waffen im Südlibanon: Bisher hält der Waffenstillstand zwischen Israel und der – vom Mullah-Regime im Iran finanzierten – islamistischen Terrormiliz Hisbollah.

Gestern haben die Ruhrbarone mit IDF-Sprecher Arye Sharuz Shalicar, der auch in seiner aktuellen Podcast-Folge Waffenstillstand! Waffenstillstand? über die aktuelle Lage im Norden Israels spricht, telefoniert.

Waffenruhe zwischen IDF und Hisbollah

Ruhrbarone: Zuletzt haben wir Ende Dezember telefoniert, einen Tag vor dem Exitus von Hassan Nasrallah. Kurz darauf ist die IDF, nach fast einem Jahr Beschuss Israels durch die Hisbollah, in den Libanon gegangen. Seit heute Morgen herrscht jetzt Waffenstillstand zwischen Israel und der Terrormiliz Hisbollah. Wie ist die aktuelle Situation in Nordisrael?

Arye Sharuz Shalicar: In Israel ist man in der Frage gespalten. Es gibt diejenigen, die erleichtert sind, die sich freuen, dass das im Norden jetzt wieder Ruhe und dass der Beschuss aus dem Libanon jetzt erst einmal aufgehört hat, dass eventuell Menschen wieder zurück in ihre Wohnungen können im Norden. Also das alles ist natürlich positiv.

Ruhrbarone: Waffenstillstände mit der Hisbollah und der Hamas waren bisher nie von langer Dauer. Bis zum 8. Oktober 2023 gab es auch einen Waffenstillstand mit der Hamas…

„Die Hamas steht jetzt zum ersten Mal nach knapp 14 Monaten wieder alleine da“

Arye Sharuz Shalicar: Negativ ist, dass man im Gefühl hat, dass sich die Hisbollah natürlich sich nicht in eine Friedensorganisation umwandeln, sondern sich jetzt neu organisieren wird. Die Zeit, in der Ruhe ist, nutzen wird: Um sich für den nächsten Schlagaustausch aufzurüsten.

Deshalb gibt es viele Menschen, die diese Sache auch pessimistisch sehen. Aber im Endeffekt geht es nicht darum, wer es wie sieht, sondern was das Richtige ist, was man als Staat und als Militär macht. 

Das Richtige derzeit ist natürlich, dass wir im Libanon zu einer Ruhe der Situation beitragen. Und das kommt, weil wir natürlich zwei andere Realitäten haben, die der Hauptfokus sind. Und das ist einmal der Iran als Geldgeber. Als Unterstützer von all diesen Terrormilizen, als angehende Atommacht. Als Raketenhochburg ist der Iran natürlich der wesentliche Hauptfaktor hier in der Region. Also statt uns mit diesen kleineren Terrororganisationen den ganzen Tag rumzuschlagen, sollten wir den Kern des Problems beim Namen nennen.

Israelische Flagge (Rosh Hanikra/Israel - Grenze zum Libanon); Foto: Peter Ansmann
Israelische Flagge (Rosh Hanikra/Israel – Grenze zum Libanon); Foto: Peter Ansmann

Ruhrbarone: Wo siehst du den positiven Aspekt dieses Waffenstillstands?

Arye Sharuz Shalicar: Es gibt noch die 101 die Geiseln im Gazastreifen, auf die kann man sich jetzt konzentrieren. Was an diesem dieses Abkommen eigentlich auch sehr positiv ist: Die Hamas steht jetzt zum ersten Mal nach knapp 14 Monaten wieder alleine da.

Ruhrbarone: Eigentlich hatte die Hisbollah damals angekündigt, den Beschuss Israels fortzusetzen, bis Israel die Verteidigung gegen die Hamas einstellt. Die Hisbollah hat jetzt gegenüber ihren Waffenbrüdern in Gaza das Wort gebrochen.

Arye Sharuz Shalicar: Ja, sie haben ihr Wort gebrochen. Am Ende haben wir sie auch sehr stark angegriffen und die Hisbollah sehr stark geschwächt. Wenn du guckst, was die israelische Armee in den letzten Monaten geschafft hat, dann hast du hier drei Situationen, die man vor drei Monaten so nicht hatte. 

Die eine Situation ist, dass man im Hisbollah-Hauptquartier in Beirut extrem zugeschlagen hat. Gegen die Terrorführung und Terror-Infrastruktur im Hisbollah Hauptquartier im Bezirk Dahieh. Die zweite Sache ist die Grenzsituation Syrien-Libanon, also die Hauptschmuggelroute der Hisbollah. Auch dort haben wir eine neue Realität herbeigeführt, indem wir dort bestimmte Dinge angegriffen haben. 

Im Süden Libanons, in unmittelbarer Grenznähe, wurde mit Bodentruppen das Gebiet, soweit es geht, von Terrorinfrastruktur gesäubert: Terrortunnel mit Zement begossen, Waffenlager und Raketenabschussrahmen zerstört und somit die Hisbollah extrem geschwächt.

Ruhrbarone: Zuletzt hatten wir Ende September telefoniert. Einen Tag vor dem Ableben vom damaligen Hisbollah-Anführer Nasrallah. Danach ist viel passiert. Israel ist im Libanon einmarschiert, wobei es viel Protest gab seitens Teilen der Weltpresse und Öffentlichkeit. Jetzt habt ihr quasi in zwei Monaten das durchgesetzt, was die UNO-Resolution 1701, seit dem Jahre 2006, glaube ich, fordert. Nämlich, dass der Südlibanon, frei von Hisbollah-Terroristen ist. Ist das ein Beweis dafür, dass die israelische Strategie richtig war? 

Arye Sharuz Shalicar: Wir haben der Welt ungefähr ein halbes Jahr Zeit gegeben, um im Libanon die Hisbollah in ihre Schranken zu weisen. Es ist nichts passiert. Nichts. Weder die libanesische Regierung, noch UNIFIL, noch António Guterres in der UN, niemand hat reagiert. Irgendwann muss man dann natürlich seine Sicherheitsinteressen in die eigenen Hände nehmen.

Ruhrbarone: Wie ist die Stimmung bei den Leuten in Nordisrael, die jetzt wieder in ihre Häuser zurückkehren, haben die Angst oder sind die erstmal jetzt beruhigt?

Arye Sharuz Shalicar: Also da gibt es verschiedene Ansichten. Es gibt diejenigen, die wahrscheinlich in den nächsten Tagen und Wochen zurückgehen werden. Wenn jetzt die nächsten Tage wirklich ruhig bleiben, wird man mit Hoffnung wieder zurückkehren. Es gibt aber auch viele, die jetzt schon angekündigt haben, dass sie eben nicht zurückgehen werden, weil sie der jetzigen Realität kein Vertrauen schenken. Weil man auch im Jahr 2006 erzählt bekommen hat, dass man zurück in seine Häuser gehen kann, dass der Beschuss aus dem Libanon jetzt vorbei ist, dass UNIFIL da ist, um für Ordnung zu sorgen. 

Am Ende haben wir nach 18 Jahren gesehen, dass dort niemand für Ordnung gesorgt hat und die Hisbollah nur noch um einiges stärker in den jetzigen Krieg eingetreten ist als 2006.

Ruhrbarone: Ist denn ein Waffenstillstand, wie es ihn jetzt mit der Hisbollah gibt, auch für Gaza möglich. Mit der islamistischen Terrororganisation Hamas?

Arye Sharuz Shalicar: Supereinfach! Also da ist eigentlich nur eine Sache, sie sollten ganz klar offen kommunizieren: Sie sind bereit, alle 101 Geiseln zu freizulassen und dass sie die Waffen strecken, sich ergeben. Aber sich Ergeben bedeutet auch, dass sie in Gazastreifen komplett raus sind, dass sie absolut keine Ansprüche auf nichts mehr haben. 

Wenn das die Aussage von ihnen ist, dann gibt es einen Tag danach Waffenruhe. 

Der Fokus auf den 101 Geiseln ist jetzt der brennende Punkt. Vielleicht haben wir jetzt eine Gelegenheit durch diese Waffenruhe im Libanon, dass eventuell auch ein neuer frischer Wind in Sachen Hamas weht.

IDF: Support our Soldiers (Foto: Peter Ansmann)
IDF: Support our Soldiers (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Es gibt aktuell Proteste im Moment in Israel von Angehörigen der Geiseln, die sagen, die Regierung müsste mehr machen damit die Geiseln freikommen. Was fordern die genau?

Arye Sharuz Shalicar: Zum einen natürlich kann man es den Familienmitgliedern nicht verübeln. Ganz gleich, was sie sagen, weil das sind ihre Liebsten, die mittlerweile seit 418 Tagen dort in irgendwelchen Terrortunneln, in irgendwelchen Wohnungen von irgendwelchen Terroristen festgehalten werden. Denen da sonst was angetan wird. Natürlich ist man nach 418 Tage ein Stück weit verbittert und enttäuscht, dass die Realität immer noch nicht ihre Liebsten zurückgebracht hat. Als israelische Armee, weil ich ja immer noch im Reservedienst bin, kann ich dir sagen, dass die Armee natürlich auf zwei Dinge gesetzt hat: Das eine ist militärischer Einsatz, um Geiseln mit eigenen Händen zu befreien. Und das ist dreimal gelungen.

Die andere Option ist militärischer Druck. Das heißt aufgrund des militärischen Einsatzes, dass man die Hamas wirklich zu etwas zwingt. Das hat im November geklappt, weil wir halt massiv eingetreten sind und die Hamas ein Stück weit sich wieder neu formieren musste und deshalb der Waffenruhe für ein paar Tage dann zugestimmt hat. Aber jetzt, mittlerweile seit einem Jahr, hat der militärische Druck eben noch nicht funktioniert. Die Hoffnung ist, dass es bald auch gute Nachrichten geben wird und eine Situation eintritt, wo die Geiseln freigelassen werden, wo auch der Krieg im Süden ein Ende finden wird.

Tel Aviv, Mai 2024: Erinnerung an die Opfer des 7.10.2023 am Dizengoff-Platz (Foto: Peter Ansmann)
Tel Aviv, Mai 2024: Erinnerung an die Opfer des 7.10.2023 am Dizengoff-Platz (Foto: Peter Ansmann)

Ruhrbarone: Jetzt gibt es ja nicht nur den Druck aus Gaza oder aus dem Libanon, sondern auch Druck von bestimmten Teilen der Weltpresse und der Weltöffentlichkeit den Waffengang gegen die Terrorgruppen zu stoppen: Was läuft denn da seit einem Jahr verkehrt, dass die Täter als Opfer gesehen werden und die Welt Israel, das sich seit dem 7. Oktober 2023 verteidigt, als Täter wahrgenommen wird?

Arye Sharuz Shalicar: Das hat etwas mit dem antisemitischen Hass von bestimmten Gruppierungen in der Gesellschaft, insbesondere aus der linken Ecke und aus der radikalen muslimischen Ecke, insbesondere natürlich von Exil-Palästinensern und Libanesen, zu tun.

Am siebten Oktober 2023 wurden auf Berliner Straße Süßigkeiten verteilt und der Terror gefeiert. Da hat man direkt am Anfang schon sein wahres Gesicht gezeigt und seitdem hört es nicht auf, dass sie ihre antisemitischen und auch deutschlandfeindlichen Charakter jeden Tag zur Schau stellen.

Ruhrbarone: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat jetzt die Terroristen der Hamas belohnt: Mit Haftbefehlen gegen Benjamin Netanyahu und den früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant. Wie wird das in Israel wahrgenommen?

Arye Sharuz Shalicar: Man merkt halt hier in Israel, dass internationale Institutionen teilweise unterwandert sind und, statt für Recht und Ordnung, für Unrecht und Unordnung sorgen. Das sollte eigentlich besonders im Westen demokratische Staaten zum Nachdenken bewegen und da sollte man wirklich nicht wegschauen.

Weil das ist eine Sache, die halt wirklich alles andere als in Ordnung ist. Der internationale Strafgerichtshof, der nach dem zweiten Weltkrieg gegründet wurde um unter anderem keinen Genozid an einem Volk oder einer Rasse zuzulassen. Aus der Erfahrung des Holocaust. Juden waren daran beteiligt, dass dieser Gerichtshof überhaupt gegründet wurde.

Der bestialische Mini-Genozid, der am 7. Oktober 2023 stattgefundne hat, hat in der UN und beim Internationalen Gerichtshof nicht die großen Schlagzeilen verursacht. Aber jetzt setzt man alles daran, Israel Vorwürfe zu machen, weil es immer noch eine große Mehrheit an Staaten, die ein Problem mit dem jüdischen Staat haben.

Das ist bedauerlich und da braucht es auch ein bisschen mehr Einsatz von Deutschland auf internationaler Ebene. Es kann nicht sein, dass von allen Staaten auf der Welt, dieser mini jüdische Staat, dieser einzige jüdische Staat am Ende öfter verurteilt wird als alle anderen Staaten der Welt gemeinsam. Und dann, und dann guckt man auf die Weltkarte und man findet Israel kaum. Und das alleine hat schon viel zu sagen. Und da sollte Deutschland ein Stück weit mehr gegenhalten, so wie die Amerikaner gegenhalten.

Ruhrbarone: Du bist jetzt seit September wieder Pressesprecher der IDF, wurdest damals wieder eingesetzt wegen der Lage im Libanon. Was bedeutet die aktuelle Situatuin im Südlibanon für dich?

Arye Sharuz Shalicar: Ja, ich bin, so wie es aussieht, bin ich nächste Woche raus aus dem Reservedienst. Wenn es ruhig bleibt.

Ruhrbarone: Danke für die Informationen und dir alles Gute!


Mehr zur aktuellen Situation im Podcast von Arye:

Aktuelle Podcast-Folge: Waffenstillstand! Waffenstillstand?

Arye Sharuz Shalicar’s NAHOST PULVERFASS: Kriegsbericht aus Israel

Mehr Beiträge zu Arye Sharuz Shalicar im Blog der Ruhrbarone:

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