Auch 30 Jahre nach ihrem Wegfall ist die Mauer noch immer in den Köpfen vieler

1986 an der Mauer in West-Berlin. Foto(s): privat

Als am 9. November 1989 in Berlin die Mauer fiel, da war das für mich, wie für Millionen andere Zeitgenossen auch, ein Ereignis, das mir die Freuden-Tränen in die Augen trieb. Ich war damals 18 Jahre alt und kurz davor mein Abi zu machen. Als Schüler hatte ich gerade einmal drei Jahre zuvor, die damals bei uns übliche Klassenfahrt nach West-Berlin gemacht, im Zuge des Aufenthalts auch den Ostteil besucht. Als 15-Jähriger waren die Erlebnisse in der damals noch geteilten Stadt für mich total beeindruckend.

Schon die Reise über die Transitstrecke mit dem Bus war ein Abenteuer der dunkleren Sorte. Grimmig dreinblickende DDR-Grenzer stellten gefühlt unseren kompletten Bus auf den Kopf. Grelle Scheinwerfer tauchten die Grenzanlagen in ein bedrohliches Licht. Bilder, die mir noch heute, über dreißig Jahre später, gut in Erinnerung sind.

Auch der erste Anblick der Mauer in Berlin ist mir, nicht nur dank der vor mir liegenden Bilder von damals, noch vor Augen. Die leicht verblichenen Fotos vermitteln Eindrücke von inzwischen fast unendlich weit entfernt erscheinenden Zeiten. Wer heute einmal an diesen Orten steht, der erkennt sie nicht wieder.

Ende der 1980er-Jahre war das jedoch in diesem Lande der von fast allen längst akzeptierte Normalfall. Als Kind der 70er wurde ich mit den zwei deutschen Staaten groß. Die Mauer gehörte für meine Generation zu Berlin.

Und trotzdem waren mir durch meine Eltern und Großeltern auch die Geschichten rund um die erfolgte Teilung Deutschlands und den Mauerbau stets präsent. Meine Großeltern mussten teilweise flüchten, hier im Westen ganz neu anfangen. Nur kamen mir diese Zeiten auch damals schon unglaublich weit entfernt vor.

Jetzt, dreißig Jahre nach dem Mauerfall, mit fortschreitendem Lebensalter, relativiert sich vieles. Gut 40 Jahren Teilung stehen inzwischen auch schon wieder rund 30 Jahre Wiedervereinigung gegenüber. Das stimmt einen in diesen Tagen nachdenklich. Vieles ist am Ende eben doch relativ.

Und doch ist es für mich immer noch etwas Besonderes, wenn dem Jahrestag des Mauerfalls gedacht wird. In diesem Jahr ganz besonders, wird es doch der 30. Jahrestag sein.

Noch immer besteht eine gewisse Trennung der Ost- und West-Hälfte des Landes in den Köpfen. Auch in meinem, wie ich gerne zugebe.

Im Alltag kommt dem im Regelfall keine große Bedeutung zu. Wer hier im Ruhrgebiet lebt, der denkt nicht so häufig über Ost- West-Konflikte innerhalb Deutschlands nach. Hier bestimmen im Tagesgeschäft andere Themen das Leben.

Erst wenn man über Themen wie Wiedervereinigung und Mauerfall nachdenkt, bemerkt man, dass man auch im Jahre 2019 in vielen Fällen noch nach Ost- und West-Deutschland unterscheidet, dass die Mauer in den Köpfen immer noch ein Stück weit besteht, auch wenn sie natürlich nicht mehr den Schrecken vergangener Tage hat. Ganz weg ist sie auch 30 Jahre nach der emotionalen Grenzöffnung vom 9. November 1989 noch immer nicht.

Wer hätte das damals gedacht, als Helmut Kohl im Zuge der Wiedervereinigung die ‚blühenden Landschaften‘ ausrief und die Einheit Deutschlands aus der sprichwörtlichen Portokasse bezahlen wollte?

Ich schätze mal, ich bin längst nicht der Einzige hier, der die Einheit Deutschlands noch immer nicht in Gänze vollzogen hat und auch im Jahre 2019 noch auf der Suche nach den versprochenen blühenden Landschaften ist, in denen es niemandem schlechter gehen sollte als zuvor…

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thomas weigle
thomas weigle
5 Jahre zuvor

Für die, die das alles nicht mehr erleben durften. Die schikanösen Gepäck-und Fahrzeugkontrollen auf den Transitstrecken nach dem freien Teil Berlins durch "die Organe" des Menschenhändlerstaates DDR waren mit dem Inkrafttreten des Verkehrsvertrages 1972 Geschichte. Nur bei begründeten Verdacht auf Schmuggel oder Fluchten durften Fahrzeuge durchsucht werden. Der "Kasernenhofton" der "Organe", wie Strauß das mal treffend nannte, wurde mit dem von ihm ausgehandelten Milliardenkredit 1983 als Vorbedingung für diesen, ebenfalls deutlich zurückgenommen.
Ein Abenteuer war die Fahrt über die Transitstrecken zuvor, v.a. dann, wenn sich die "Pankower Machthaber" über die "Bonner Ultras" ärgerten, wurden die Kontrollen wirklich zum Ärgernis, v.a. wurden sie in die Länge gezogen oder gar stunden-manchmal tagelang eingestellt und die Ampeln auf Rot gestellt. Normal war, dass viele an den GÜSTs bis 72 samt Gepäck die Fahrzeuge verlassen mussten und in den damals noch Baracken intensiv gefilzt wurden.
Bis zuletzt aber richteten die "Vopos" Langsamfahrstellen" bis tw. runter auf 20km/h ein, um leichtsinnige Westler ordentlich und nach Gutdünken bei Geschwindigkeitsübertretungen zur Westkasse zu bitten.
Selbst in den Transitzügen nach und von Westberlin, wurde bis 72 das Gepäck gerne untersucht, obwohl diese Züge nach dem Mauerbau keinen Verkehrshalt in der Zone hatten. Zudem hatten diese "Zitteraale" genannten Züge grüne Welle. Sie durften keinesfalls außerplanmäßig auf freier Strecke zum Halten kommen. Kam es doch dazu, "zitterten" die dafür verantwortlichen Reichsbahner vor den peinlichst genauen Untersuchungen der Stasi.

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