Wer sich auf LinkedIn kritisch mit der Energiewende auseinandersetzt, muss damit rechnen, dass grüne Meldemeister so lange Jagd auf ihn machen, bis der Account gesperrt wird.
Kontakte knüpfen, sich für neue Jobs ins rechte Licht rücken und alle anderen am eigenen Erfolg teilhaben lassen: Auf LinkedIn geht es professionell und eher gesittet zu. 6,8 Millionen Nutzer hat das seit Ende 2002 zu Microsoft gehörende soziale Netzwerk. Weltweit sind es fast eine Milliarde. Lange ging es bei LinkedIn nur um Geschäftskontakte, aber in letzter Zeit begannen immer mehr Mitglieder auch über Politik zu diskutieren. Auch das geschieht dort sachlicher und gesitteter als in anderen Netzwerken. Ist X ein Club voller betrunkener Rocker aus rivalisierenden Gangs auf Speed, ist LinkedIn eher die Kantine eines DAX-Konzerns. Wenn es heiß hergeht, lockert man vielleicht die Krawatte, zieht dem Kontrahenten jedoch nie die Plastikflasche mit dem stillen Wasser über den Schädel. Eigentlich.
Denn bei bestimmten Themen verlieren die Mitglieder die Contenance und setzen in Diskussionen nicht mehr nur auf die Macht des eigenen Arguments: Grüne Meldemeister denunzieren LinkedIn-Mitglieder, die sich in ihren Beiträgen zum Beispiel kritisch mit der Energiewende auseinandersetzen. Dabei geht es nicht um sogenannte „Hate-Speech“ und niemand nennt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) öffentlich einen Schwachkopf. Doch an der Energiewende, die schon 2019 von einem Kommentator des Wall Street Journal zur „dümmsten Energiepolitik der Welt“ gekürt wurde, lassen viele kaum ein gutes Haar. Paul R.*, der lange bei einem Versorgungsunternehmen arbeitete, mag seinen Namen nicht nennen. Zu seinen Beiträgen, die zur Sperrung führten, sagt er: „Ich sehe die Energiewende in der derzeitigen Ausführung sehr kritisch. Besonders stören mich die sehr ideologischen, grünen Beiträge, die aus meiner Sicht sehr einseitig und nicht kritisch sind.“ Es sei wichtig, die Menschen mit Daten und Fakten aufzuklären, damit sie nicht blind diesen ideologischen Beiträgen folgen.
Auch das Konto unseres Autors Daniel Bleich wurde von LinkedIn gesperrt. Eine detallierte Begründung wurde Bleich nicht gegeben. Es gab nur einen unspezifischen Text, dass Probleme mit seinem Konto vorlägen. Als Ingenieur für elektrische Energiesysteme äußerte sich Bleich bei LinkedIn regelmäßig kritisch über das Vorgehen der Bundesrepublik zur Erreichung einer CO2-neutralen Energieversorgung und ordnete das Vorgehen mit seiner Erfahrung bei einem großen Netzbetreiber ein. Zeitgleich verweist Bleich stets auf die Notwendigkeit eines respektvollen, konstruktiven und angemessenen Umgangs, auch bei abweichenden Positionen.
Günter Scherer, der 40 Jahre lang als Manager in der Energiewirtschaft tätig war, beschreibt seine Texte auf LinkedIn ebenfalls nicht als Hate-Speech: „Meine Beiträge und Kommentare beschäftigen sich hauptsächlich mit kritischer, bisweilen pointierter Begleitung der ‚Energiewende‘.“
Von seiner Sperrung bei dem sozialen Netzwerk war er ebenso überrascht wie von der Begründung, die er dazu auf Nachfrage von LinkedIn erhielt: „Ihr Konto wurde aufgrund einer hohen Anzahl von Meldungen von Mitgliedern zu Ihrem Konto und Ihren Beiträgen vorübergehend eingeschränkt.“
Betroffen von einer langen und begründungslosen Sperre war auch Karsten Kilian, Professor für International Business sowie Marken- und Medienmanagement an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, der ebenfalls regelmäßig eine kritische Positionierung zur „Energiewende“ einnimmt. Rückfragen zu seiner Sperre wurden zunächst mit zahllosen Standardmails beantwortet und blieben später völlig unbeantwortet. Kilian beschrieb das Vorgehen und die Erfahrungen auf seiner reichweitestarken LinkedIn-Seite später als kafkaesk.
Freigeschaltet wurden Bleich, Scherer; Kilian und andere, die von den Sperrungen nach den Meldungen betroffen waren, erst, nachdem die Ruhrbarone sich an die Pressestelle von LinkedIn wandten. Gegenüber diesem Blog räumte das Unternehmen ein, dass die Sperrungen der Konten ein Fehler gewesen seien. Ein LinkedIn-Sprecher: „Wir sind darauf fokussiert, LinkedIn sicher, vertrauenswürdig und professionell zu halten und haben klare Richtlinien dazu, was auf unserer Plattform erlaubt ist und was nicht. Unsere Teams und Technologien arbeiten zusammen, um diese Richtlinien gleichmäßig und fair auf alle unsere Mitglieder anzuwenden. Wir erkennen an, dass wir nicht immer alles richtig machen, und stellen die Möglichkeit bereit, eine zweite Überprüfung vornehmen zu lassen.“
Nur in den Richtlinien ist nicht davon die Rede, dass Kritik an der Energiewende oder den Grünen ein Problem darstellt. In ihnen geht es unter anderem um belästigende Inhalte, Anstiftung zu Gewalt oder den Verkauf illegaler Waren. Was LinkedIn auf seinen Seiten nicht sehen will, ist nachvollziehbar und vernünftig. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Verbreitung von Fakten, die das Weltbild von Öko-Aktivisten stören könnten, finden sich dort nicht.
Auf Nachfragen dieses Blogs, ob es häufiger vorkomme, dass bei bestimmten Themen Nutzer versuchen, andere aus LinkedIn zu drängen und wenn ja, um welche Themen es sich handelt, erhielten wir keine Antwort. Aber es ist naheliegend, dass LinkedIn wie andere soziale Netzwerke Beschwerden nicht von fachkundigen Mitarbeitern beurteilen lässt, sondern zumindest in einem ersten Durchgang auf KI-Systeme setzt, die automatisch sperren, wenn viele Nutzer einen Beitrag melden. Die Europäische Union (EU) bedroht mit dem Digital Services Act (DSA) Unternehmen, die illegale Beiträge veröffentlichen. Ihnen droht eine Strafe von sechs Prozent des Jahresumsatzes. Wenig überraschend, dass erst gesperrt und später dann, wenn sich die betroffenen Nutzer melden oder Medien nachfragen, genauer hingeschaut wird.
Die Überlastung der Unternehmen und ihre Sorge vor den drakonischen Strafen der EU nutzen Aktivisten offenbar aus, um Meinungen zu unterdrücken, die sie stören. Was bleibt ihnen auch anderes übrig? Viele Argumente, um die „dümmste Energiepolitik der Welt“ zu verteidigen, haben sie ja auch nicht.
*Der Name ist der Redaktion bekannt.