Auf Schalke sucht man eine dem Abstiegskampf würdige Mentalität

Ein Haus in Gelsenkirchen | Foto: Roland W. Waniek

Die Lage der Liga entspannt sich kaum: Manuel Neuer heult zu laut in der Öffentlichkeit rum, Hertha und Schalke sind knietief im Abstiegskampf und Niclas Füllkrug ist immer mehr eine Art Lebensversicherung für den SV Werder Bremen. Ein Team, das gerade richtig Bock macht ist die Eintracht aus Frankfurt. Thommy Junga und Peter Hesse haben sich das mal näher angeschaut.

Peter Hesse: Wenn ein Team gerade richtig Spaß macht, dann ist es Eintracht Frankfurt. Vor allem Randal Kolo Muani, Jesper Lindström, Mario Götze und Daichi Kamada sorgen für viel offensive Dauer-Power, die hinten in der Defensive von Sebastian Rode und Makoto Hasebe sauber gehalten wird. Mit der Ex-Dortmunder Achse Knauff, Rode und Götze spielt die Eintracht einen dem BVB sehr ebenbürtigen Fußball. Ist das Zauberei? Oder wie viel Plan steckt dahinter?

Thommy Junga: Bei der Eintracht wirkt es manchmal so, als würden die jede Saison die Datenbanken im Stile von Money Ball ausquetschen. Da wird mit großer Streuung geschossen. Seitdem in Frankfurt nicht nur in den Banken der Rubel rollt, hat man gefühlt bei Transfers acht Versuche frei – und da sind dann meist vier bis fünf Treffer dabei. Da sind dann schon mal Hauges und Alarios dabei, die nicht ganz so einschlagen, aber mit Knauff und Muani eben auch echte Volltreffer. Auch der Götze-Transfer hatte eine gewisse Fallhöhe, der Mut wurde jedoch belohnt und Götze mauserte sich wieder zum Nationalspieler. Sportvorstand Markus Krösche hatte schon in Paderborn ein gutes Auge, jetzt findet das eben auf einem anderen Niveau statt. Auch bei der Station in Leipzig hat er bewiesen, dass er einen Kader ausgewogen und belastbar planen kann. Das ist alles andere als Zufall.

Mario Götze hat es in Frankfurt wieder zum Nationalspieler geschafft. Quelle: Wikipedia, Foto: Michael Kranewitter, Lizenz: CC-by-sa 3.0/at

Peter Hesse: Eins der großen Sorgenkinder der Liga ist der „Big City Club“ aus Berlin. Nach dem Rauswurf von Fredi Bobic ist vor allem eines klar: die alte Tante Hertha steckt knietif im Abstiegskamp und die von Windhorst flankierten Millionen hatten den Effekt von Konfetti. Wenn es um das Thema Hauptstadtfußball, hat sich Union Berlin schon wieder als ernstzunehmender „Bayernjäger“ positioniert. Warum läuft bei der Hertha nichts?

Thommy Junga: Wir haben ja gerade noch über den Leipziger Ex-Vorstand Krösche gesprochen. Der wurde bei der großen Rochade Nachfolger von Bobic in Frankfurt. Mit viel Tamtam und Vorschusslorbeeren wurde Ex-Nationalstürmer Fredi Bobic bei der Hertha installiert. Mit Korkut, Magath und Schwarz verpflichte er eine wilde Trainermischung, ähnlich inkonsistent lesen sich die Spielertransfers seiner Amtszeit. Da ist irgendwie nie ein Team entstanden. Das wirkt alles sehr blutleer. Wie immer gilt: es kommt nicht auf die Summen an, die du zur Verfügung hast, sondern darum, wie du sie einsetzt. Das macht die Konkurrenz aus Köpenick derzeit einfach besser.

Peter Hesse: Schalke müht sich und hat in der letzten Woche gegen den 1. FC Köln ein Unentschieden hinbekommen. Zwar trat der Tabellenletzte im Vergleich zum bitteren 1:6 fünf Tage zuvor gegen Leipzig beherzter auf, setzte aber im Spiel nach vorne kaum weitere Akzente. Wie können die Königsblauen aus dem tiefen Tal der Tränen entkommen?

Thommy Junga: Auf Schalke fahren sie gerade mit dem U-Boot per Schleichfahrt durch das Tal der Tränen. Viele Wintertransfers mit teilweise extrem kurzer Eingewöhnung, viel Trubel um Einzelschicksale, Querelen in der Führungsebene und einige langwierige Ausfälle von Stammspielern. Keine allzu guten Voraussetzungen für die Rückrunde, zumal bisher kaum spielerische Fortschritte zu erkennen sind. Trainer Thomas Reis wird sich jetzt an den Durchhalteparolen messen lassen müssen, die Mannschaft braucht jetzt trotz der neuen Gesichter eine fußballerische Identität und eine dem Abstiegskampf würdige Mentalität.

Peter Hesse: Niclas Füllkrug trifft für den SV Werder Bremen gleich zweimal gegen Wolfsburg und ist im Fischbrötchen-Sektor der Held des Tages. Somit kehrt bei Werder Bremen etwas mehr Stabilität und Tabellenplatz 10 zurück. Ist Füllkrug so eine Art Lebensversicherung für Grün-Weiß?

Niklas Füllkrug ist derzeit der wichtigste Spieler bei Werder Bremen | Quelle. wikipedia / silesia711 / CC BY-SA 4.0

Thommy Junga: Stichwort Mentalität. Nicklas „Lücke“ Füllkrug mag vielleicht nicht der talentierteste Fußballer der Liga sein, aber jedes seiner kleinen Defizite macht er durch Einstellung wett. Seine Tore sind häufig Tore des unbedingten Willens, seine Spielweise, geprägt von Laufbereitschaft und Pressingattacken hilft der Mannschaft ungemein. Ein moderner und variabler Spieler mit dem angeborenen Riecher – die sind selten geworden. Da kommen so Völler-Vibes auf. In Bremen werden sie insgeheim sehr froh sein, dass Füllkrug bei der WM nicht im Halbfinale das 3:2 geköpft hat. Wird schon so schwierig genug werden ihn nach der Saison zu halten.

Peter Hesse: Nach einem 2:0 über Jahn Regensburg führt der SV Darmstadt 98 derzeit die zweite Liga an, der HSV, Heidenheim und auch Kaiserslautern sind dahinter. Die roten Teufel vom Betzenberg fuhren gleich mit dem großen Besteck von 8000 Fans nach Hannover und nahmen drei Punkte mit nach Hause. Wer von diesen vier Mannschaften wird im Mai den Sprung in die erste Liga schaffen?

Thommy Junga: Heidenheim hätte es jetzt langsam mal verdient, Trainer Frank Schmidt wäre eine spannende neue Klangfarbe in der ersten Liga. Ein Trainer, dem ich das unbedingt gönnen würde seine jahrelange Arbeit mit einem Aufstieg zu krönen. Der HSV scheint etwas reifer als in den letzten Spielzeiten – ist aber auch immer für eine schwache Woche gut. Ob es für den FCK reicht, ob hinten raus der notwendige lange Atem reicht, ist zumindest zu bezweifeln. Bei der jetzigen Konstellation ist schon sehr viel Konstanz gefragt, für einen Aufsteiger unheimlich schwierig. Darmstadt war in seiner Form zuletzt beeindruckend und hat die Konkurrenz aus Hamburg und Lautern noch zuhause. Das kann natürlich ein echtes Pfund sein. Vergessen wir aber bitte nicht Paderborn, die könnten mit einer kleinen Serie noch eingreifen. Nix ist also fix.

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