Wer im nördlichen Ruhrgebiet beheimatet ist, der musste sich im Laufe der vergangenen Jahre mehr und mehr an den Gedanken gewöhnen, in einer rückständigen und verarmten Region des Landes zu leben. Insbesondere auch der Kreis Recklinghausen bietet da inzwischen vielerorts ein trauriges Bild.
In Waltrop machen sie aus der Not jetzt eine Tugend und feiern den prekären Zustand, in dem sich die Stadt inzwischen in vielerlei Hinsicht befindet, mit einem großen Fest im örtlichen Stadtpark.
In Lumpen gehüllte Menschen, die auf ärmlich anmutenden Kohlegrills ihre Schweine grillen, die auf holprigen Wegen von Hütte zu Hütte ziehen und versuchen ein paar Münzen von vorbeiziehenden Fremden zu ergattern, das ist die passende Kulisse für eine Stadt, die sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer weiter vom Wohlstand der Durchschnittsdeutschen entfernt hat. Und nein, dabei handelt es sich an diesem Wochenende auch nicht um Szenen aus der örtlichen Innenstadt, es ist das ‚Mittelalterlich Gaudium‘, das bis vor kurzem in Dortmund-Mengede beheimatet war, das die Szenerie bilde, denn dieses findet aktuell zum zweiten Mal im Moselbach-Park statt.
Und es war irgendwie logisch, dass die Veranstalter des ‚Mittelalterlich Gaudium‘ damals gerne aus Dortmund nach Waltrop zogen und ihre Veranstaltung dort zu einem Erfolg wurde. Schließlich hat Waltrop ansonsten seinen Bürgern kaum noch etwas zu bieten.
Das einst überregional geschätzte Waltroper Parkfest kämpft schon seit Jahren mit deutlich sinkenden Besucherzahlen und auch der einst kultige ‚Pyjamaball‘, für den einst bis zu 15.000 Karnevalsjecken in die 30.000-Einwohner Stadt pilgerten ist zu einer Art ‚Schlagerparty‘ mit nur noch einem Bruchteil der Besucher verkommen.
Es war daher naheliegend, dass die Stadt, die neben einer vielerorts verwahrlosenden Infrastruktur auch mit einem immer größeren Anteil von leerstehenden Geschäften in der Innenstadt zu kämpfen hat, jedwedes Interesse von auswärtigen Veranstaltern sehr wohlwollend aufnahm.
Mit dem Gaudium und den örtlichen Planern haben sich also zwei Partner gefunden, die in ähnlicher Not waren. Die Mittelalterfreunde benötigten dringend eine neue Heimat, und die Stadt Waltrop eine neue Attraktion, die zumindest Teile des zuletzt weggebrochenen Kulturlebens in der Stadt ersetzt.
Und die Idee der Organisatoren geht bisher beiderseits auf. Auch in diesem Frühsommer ließ sich das Fest, dass von Donnerstag bis Sonntag gefeiert wird, am Eröffnungstag wieder vielversprechend an. zur offiziellen Eröffnung bin ich extra für unsere Leser einmal quer durch den Moselbachpark gepilgert und habe ein paar frische Eindrücke von dort mitgebracht.
Wer also bis zum Sonntag einmal Lust und Zeit hat sich ungeniert und öffentlich in Rückständigkeit und Armut zu tummeln, der sei bei freiem Eintritt (wie sich das für eine Pleite-Stadt wie Waltrop gehört) in den Moselbachpark eingeladen. 😉