Gut drei Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer fand in der Bundesrepublik Deutschland eine heftige Debatte statt, die unter dem Namen „Historikerstreit“ Eingang (nicht nur) in die deutschen Geschichtsbücher finden sollte. Gestritten wurde über die Frage, ob es sich bei „Auschwitz“ – der Ortsname der Vernichtungsfabrik steht hier symbolisch für die millionenfache Ermordung europäischer Juden – um einen Völkermord handelt, der sich von den mannigfachen anderen Genoziden in der Menschheitsgeschichte im Grunde nicht nennenswert unterscheidet – „mit alleiniger Ausnahme des technischen Vorgangs der Vergasung“ (Ernst Nolte). Oder ob der Holocaust bzw. die Schoah als ein historisch einzigartiges Verbrechen zu betrachten, „Auschwitz“ also mit nichts Anderem vergleichbar sei. Jürgen Habermas prägte das Wort von der „Singularität“ der Nazi-Verbrechen. Von unserem Gastautor Werner Jurga
Diese Sicht der Dinge scheint sich im damaligen Historikerstreit durchgesetzt zu haben. Und so gilt bis heute ein Vergleich von „Auschwitz“ bzw. des Naziterrors insgesamt mit anderen historischen Ereignissen gemeinhin als ein Versuch, den Holocaust zu historisieren, zu relativieren und dadurch zu verharmlosen.
Dagegen wird die stetige Warnung vor jedwedem Extremismus, egal ob von links oder rechts, selten beanstandet. „Unsere Historie hat bewiesen, dass Radikalismus von links oder rechts in den Abgrund führt“, heißt es jetzt bspw. in einem Kommentar hier bei den Ruhrbaronen, in dem der Verfasser („Junge Union Dortmund“) vor „linken Bedrohung“ warnt, die sich seines Erachtens aus rot-rot-grünen Koalitionen ergeben könnte.
Der Publizist Henryk M. Broder, um ein ganz anderes Beispiel zu nennen, führt seit einiger Zeit einen erbitterten Streit gegen Wolfgang Benz, den Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung. Broder nimmt Anstoß daran, dass Benz den Antisemitismus mit der Islamophobie vergleicht.
Die „Singularität von Auschwitz“ wird von Broder instrumentalisiert, um dem führenden deutschen Antisemitismusforscher nicht nur Ahnungslosigkeit zu unterstellen, sondern implizit auch Antisemitismus. Der Antisemitismus-Experte als Antisemit.
Dabei ist sich Broder durchaus darüber im Klaren, dass das Tabu, Auschwitz nicht mit anderen Phänomenen vergleichen zu dürfen, weil der Holocaust und wie auch der Antisemitismus überhaupt einzigartige Abscheulichkeiten sind, in sich nicht schlüssig ist. Denn um zu dem Urteil zu gelangen, dass sich das Ereignis A substanziell von den Ereignissen B,C,D usw. unterscheidet, muss A vorher mit B,C,D usw. verglichen worden sein. Anders formuliert: Unvergleichlichkeit lässt sich erst nach dem Vergleich attestieren.
So nimmt denn Broder auch – z.B. in seinem in der „Welt“ erschienenen Essay „Sind Muslime die Juden von heute?“ – zur Kenntnis, dass Benz und Kollegen „aufrichtig versichern, sie würden das eine mit dem anderen nicht gleichsetzen, sondern nur vergleichen. Und Vergleiche anzustellen sei eine wissenschaftlich bewährte und zulässige Methode.“
Doch diese Kenntnisnahme bleibt ziemlich konsequenzlos, wie der folgende Satz deutlich macht: „Das stimmt. Grundsätzlich kann man alles mit allem vergleichen. Die Wehrmacht mit der Heilsarmee, einen Bikini mit einer Burka und die GEZ mit der Camorra.“
Oder – an anderer Stelle, weil Broders Polemiken so viel Spaß machen: „Praktisch läuft der Vergleich – ausgesprochen oder insinuiert – darauf hinaus, dass die Moslems die Juden von heute sind und die so genannte Islamophobie ’strukturell‘ dem Antisemitismus verwandt ist. Was auch nicht ganz falsch ist, wenn man bedenkt, dass ein Nilpferd mit einem Menschen einiges gemeinsam hat: Es isst, schläft, verdaut und pflanzt sich heterosexuell fort.“
Doch wie sehr auch Broder gegen das Vergleichen polemisiert: entkleidet man seine Sprüche der blanken – wenn auch unterhaltsamen – Polemik, bleibt inhaltlich kein Ertrag übrig. „Vergleiche anzustellen sei eine wissenschaftlich bewährte und zulässige Methode“, zitiert er seine Gegner, wobei er offen lässt, ob der Konjunktiv („sei“) ausschließlich der indirekten Rede geschuldet ist, oder ob er selbst diese Feststellung in Zweifel zieht. Wie auch immer: der Vergleich ist nicht irgend eine, sondern die entscheidende wissenschaftliche Methode herauszufinden, was A von B,C,D usw. unterscheidet, und was eben nicht.
Derselbe Broder weist – allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang – darauf hin, dass wenn man den Holocaust als Maßstab nehme, jedes andere Unrecht zwangsläufig verblassen muss. Gemessen an Auschwitz ist die Berliner Mauer nicht der Rede wert. Gemessen an Auschwitz erscheint überhaupt alles Jammern und Klagen, alles Protestieren und Sich-Wehren als weinerlich bis hysterisch. Auschwitz kann nicht der Maßstab sein; die Meßlatte hinge in diesem Fall zu hoch.
Ich halte an der Auffassung fest, dass der Holocaust ein beispielloses Verbrechen, wenn Sie so wollen: ein singuläres Ereignis, darstellt. Ich erlaube mir diese Meinung, weil ich „Auschwitz“ gedanklich mit anderen schrecklichen Verbrechen verglichen habe und meine, dessen Unvergleichlichkeit an einer Reihe von Punkten festmachen zu können. Was immer man auch von den Studien über Antisemitismus und Islamophobie von Benz und anderen halten mag: es ist prinzipiell geboten zu vergleichen. Denn Vergleichen ist das Gegenteil von Gleichsetzen. Gleiches ist nicht miteinander zu vergleichen.
Manche Vergleiche sind freilich – die beiden von Broder konstruierten Beispiele machen es offenkundig – von vornherein absurd. Der gestern hier, ansonsten immer und überall bemühte Vergleich zwischen Faschismus und Kommunismus gehört nicht dazu. Es macht durchaus Sinn, die Parallelen, Ähnlichkeiten und Unterschiede von Rechts- und Linksextremismus ganz genau zu untersuchen. Die Gleichsetzung des „Radikalismus von links oder rechts“, wie sie von der Jungen Union Dortmund hier zum Besten gegeben wurde, ist unzulässig, jedoch keineswegs unüblich. Der Kalte Krieg ist beendet, die Totalitarismus-Theorie lebt weiter.
Dass die jungen Bengel von der CDU sie für Wahlkampf-Mätzchen nutzen, muss einen nicht sonderlich kümmern. Auch dass zu vermuten ist, dass sie diesen Unsinn selbst glauben, ist an und für sich nicht zu beanstanden. Ich frage mich allerdings schon, was in den Köpfen vorgeht, die so arglos über die „Abgründe in unserer Historie“ plappern, in die uns der „Radikalismus von links oder rechts“ geführt habe. Sie wissen doch, was in Auschwitz passiert ist. Sind sie wirklich so unsensibel?
Die Jung-Unionisten dürften annehmen, der Holocaust sei Vergangenheit, und so etwas werde sich niemals wiederholen. Wer weiß? Aber dass sich auf dieser Welt noch auf unabsehbare Zeit Völkermorde ereignen werden, darf als sicher gelten. Und was die Gegenwart betrifft: Ruanda ist nicht der einzige Schauplatz.
Man darf Auschwitz mit anderen Gräueln vergleichen; man sollte es sogar tun. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Daniel Goldhagen, der mit seiner Studie „Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust“ für weltweite Debatten sorgte, hat es in seinem jüngsten Buch gemacht. Es heißt „Schlimmer als Krieg: Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist“ und ist äußerst lesenswert.
Foto: Wikipedia/Bundesarchiv
Der administrativ organisierte Massenmord an der Juden in den Jahren 1942 bis 1945 in Deutschland durch die damaligen Dienstherren deutscher Verwaltungen, Sicherheitsbehörden, Wehrmacht, SS und anderen Bürgern bleibt auf europäischem Boden bis heute ein singuläres Ereignis, das bis heut glückerweise im demokratischen Europa keine Wiederholung gefunden hat.
Gleichwohl bleibt dieser Massenmord an einer bewusst ausgegrenzten Gruppe von Menschen eine stete Mahnung, dass dies immer wieder passieren kann, weil es tatsächlich passiert ist.
Ohne auf Details Ihres Artikels eingehen zu wollen, führt der administrativ durchgeführte Massenmord an den Juden zu der Frage, das ein solcher immer wieder passieren kann, da jede neue Generation von Menschen erneut verführt werden kann.
Ein Mittel zur Vermeidung ist die stete Erinnerung.
Pflegen wir diese Erinnerung und versuchen ohne Polemik der Opfer zu gedenken.
Ich habe auf ARTE vor einer Woche die Dokumentation von Herrn Claude Lanzman über die Shoa gesehen. Mich hat sie noch mehr berührt als vor 20 Jahren.
Hören wir einfach den Opfern und den Tätern zu.
Wenn die Muslime die Juden von heute sein sollen, warum brüllt dann nicht die Mehrheit von ihnen auf, wenn führende und/oder politisch mächtige Vetreter und Angehörige ihrer Religion auch heute wieder die totale Vernichtung der Juden respektive Israels fordern?
Ich hoffe, ich finde die richtigen Worte…
Ich finde einen „Vergleich“ auch angebracht, in der Hinsicht, dass es bei all solchen Taten und Ereignissen gewisse Parallelen gibt. In den Köpfen der ausführenden Menschen.
Ich lese momentan ein Buch über das Sonderkommando in Auschwitz und mir werden die genauen, detaillierten Mechanismen in Auschwitz, von technischen bis hin zu psychologischen, immer klarer. Gleichzeitig lese ich ein Sozialpsychologie-Fachbuch, in dem es unter anderem um Konformität, Gruppenprozesse wie Gruppendruck, Einstellungen, Vorurteile, Selbstrechtfertigung und solche Themen geht, die auch im Hinblick auf derartige Gräueltaten eine immense Rolle spielen.
Auch wenn die Ausmaße von Auschwitz immer unvorstellbar bleiben werden, wird mir doch immer klarer, dass viele psychologische Prozesse eine Rolle gespielt haben, die bei uns allen gleich ablaufen. Es scheint mir tatsächlich weniger schwierig zu verstehen, wie all das passieren konnte, als man denkt – wenn man weiß, wie solche Prozesse ablaufen.
Es ist auch in der Hinsicht nicht verwunderlich, wenn dem Ganzen ein Stempel der Einzigartigkeit aufgedrückt wird. Alles andere würde ja bedeuten, dass man sich weiterhin mit der Gefahr solcher (oder ähnlich motivierter) Taten konfrontiert sähe. Das bedeutet eine Bedrohung für alle. Da scheint eine gewisse Verteufelung und Einzigartig-Machung tatsächlich zur Verharmlosung zu führen, wie zu Beginn des obigen Textes angemerkt. Das machen wir ja mit allem, deshalb verdirbt uns der Hunger in Afrika nicht den Tag. Damit lässt es sich leichter leben. In der Psychologie nennt man das „Unrealistischer Optimismus“ bzw. „Glauben an eine gerechte Welt“.
Leider führt das auch zu der Annahme, solche Dinge könnten nie mehr passieren.
Ich halte es daher für wichtig, weniger nach Unterschieden als nach Gemeinsamkeiten und Parallelen zu fragen, die zu solchen Geschehnissen führen. Um sie zu verhindern, auch im Kleinen.
Eine Totalitarismus-Debatte wie schön.
Natürlich ist der JU Spruch von den Abgründen des Radikalismus von Rechts und Links in unserer Geschichte Unsinn, die DDR war nicht das Dritte Reich.
Abgründe linken Radikalismus tun sich aber sehr wohl auf, wenn man den Blick auf den Stalinismus, Maoismus oder Rote Khmer etc. und die dort begangenen Massenmorde wirft.
Diese Verbrechen dieser Realsozialisten in seinen unterschiedlichen Ausformungen als geringfügig im Vergleich zur Shoah durch die Nationalsozialisten zu bezeichnen, erscheint mir (west-)eurozentrisch und nicht wenig chauvinistisch.
@ Wolfram Obermanns (#4)
Die Verbrechen Stalins (bspw. an den Kulaken), Maos („Kulturrevolution“) und der Roten Khmer (Ermordung etwa eines Drittels der Bevölkerung) „als geringfügig im Vergleich zur Shoah durch die Nationalsozialisten zu bezeichnen“ – ob nun eurozentrisch oder chauvinistisch, jedenfalls nicht ernst zu nehmen.
In der Tat: „Abgründe linken Radikalismus“. Diese Massenmorde sind nicht in ihrer Motivation, sondern in ihrer schrecklichen Dimension – durchaus mit dem Holocaust im von mir genannten Sinne vergleichbar.
„Totalitarismus“ zielt aber auf etwas Anderes. Im Kalten Krieg entstanden markiert er den westlichen Faschismus-Vorwurf an den Osten, vergleichbar der Propaganda der anderen Seite, die über „Formen bürgerlicher Herrschaft“ sinnierte oder Mauer und Stacheldraht als „antifaschistischen Schutzwall“ fehl deklarierte.
Die Geschichte der Völkermorde sind jedoch in den Kategorien des Ost-West-Konflikts überhaupt nicht zu erfassen. Denn Genozide (z.B. der Holocaust) ereigneten sich sowohl vor als auch nach der (relativ kurzen Periode des) Ost-West-Konflikts.
Und wenn man versuchen sollte, Massenmorde, die in diesem Zeitraum stattgefunden haben, durch diese völlig ungeeignete Brille zu betrachten, erscheinen die „Abgründe linken Radikalismus“ in unerwartet anderem Licht. So war die chinesische „Kulturrevolution“ u.a. gegen die „revisionistische Entwicklung“ in der Sowjetunion gerichtet. Das Pol-Pot-Regime in Kambodscha, also die Terror-Herrschaft der Roten Khmer, wurde von der westlichen Welt, auch von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt, vom sowjetischen Lager, auch von der DDR, jedoch verurteilt und schließlich von (sowjetisch orientierten) Vietnam gestürzt.
Auch verglichen mit den Leichenbergen in Kambodscha wären die Menschenrechtsverletzungen in der DDR „als geringfügig zu bezeichnen“. Aber noch einmal: solches Vergleichen macht m.E. keinen Sinn. Unrecht mit dem Verweis auf viel größeres Unrecht anderswo zu anderer Zeit zu relativieren, ist zynisch.
Das mag sein. Aber die, die es selbst getroffen hat,hätten sich in dem Moment natürlich ein Verfolgungssystem gewünscht, das ihnen eine größere Überlebenschance geboten und weniger Grausamkeit zugemutet hätte.Für die Betroffenen gibt es also die Relativität des Leidens sehr wohl und damit auch die Relativität des Unrechts, dass ihnen angetan wird.
@ Werner Jurga
Das die Menschenrechtsverletzungen der DDR eine andere Qualität als die der Nationalsozialisten, Stalinisten, Maoisten oder Roten Khmer etc. haben, da sind wir uns einig.
Die Motive der jeweiligen Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind jeweils verschieden. Auch hier stimmen wir überein.
Ihre, wie ich Sie bisher verstehe, Versuche diese z. T. zu rechtfertigen sind aber mehr als peinlich.
Die Kulturrevolution z. B. hatte vor allem einen Zweck, den Machterhalt des Despoten Mao. Die Behauptung, die Ermordung von Millionen Chinesen diente der Bekämpfung einer revisionistischen Entwicklung in der SU, ist einfach nur grotesk.
Die implizite Annahme der Krieg Vietnams gegen Kambodscha wäre ein Befreiungskrieg gewesen, stellt eine üble Geschichtsklitterung dar und zeugt von wenig Kenntnis über die schon länger bestehenden Konflikte zwischen den beiden Staaten.
Und die Machtergreifung mit anschließender Abschlachtung der eigenen Bevölkerung durch die Roten Khmer wäre ohne Unterstützung, insbesondere aus Peking, nicht machbar gewesen.
Diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren genuin linkstotalitär motiviert.
Im Übrigen steht nirgendwo geschrieben Totalitarismus wäre ein Kennzeichen des Ost-West-Konfliktes. In dieser Zeit ist der Begriff geboren worden, sein Erklärungsanspruch reicht aber explizit über die Zeit 1945-1989 hinaus.
Weil dem so ist, erscheint ein Vergleich der Shoah mit anderen Massenmorden nicht nur nicht abwegig, sonder geradezu geboten. Eine Essenz daraus ist, daß in Zukunft weder ein nationalistisch rassistisch, noch ein realsozialistisch (nationalistisches) Regime akzeptabel ist. Aktuell bedeutet dies, solange gestörte Geister wie Fr. Wagenknecht bei der Linken als vorstandstauglich gelten, solange sind sie für einen Demokraten unwählbar.
An dieser Stelle besteht dann tatsächlich ein gewisser logischer Anschluß an die fragwürdige Behauptung der JU.
@ Wolfram Obermanns (#7)
Angenommen, ich versuchte, „Verbrechen gegen die Menschlichkeit z.T. zu rechtfertigen“ – das müsste Ihnen doch nicht peinlich sein. Wie dem auch sei: um Ihnen weitere Fremdscham zu ersparen, lassen Sie sich beruhigen: Sie haben mich bisher falsch verstanden.
Das liegt auch daran, dass ich mich missverständlich ausgedrückt habe. Selbstverständlich war die chinesische “Kulturrevolution” nicht gegen die „revisionistische Entwicklung“ in der Sowjetunion gerichtet, vielmehr hatte Mao dieses Morden so „legitimiert“, um die Gefühlswelt des nationalistischen Mobs besser in eine Ideologie der „revolutionären Volksmassen“ pressen zu können.
Was die Beseitigung des Pol-Pot-Regimes durch Vietnam betrifft, müssen Sie sich schon entscheiden, ob Sie mir „üble Geschichtsklitterung“ oder Kenntnisarmut vorwerfen. Aber um zu konstatieren, dass das – Ihrer Terminologie folgend – „linkstotalitäre“ Vietnam das Mörderregime der Roten Khmer gestürzt hat, reicht doch mein Halbwissen durchaus aus.
Ich verstehe – ganz im Ernst – nicht, warum Sie so scharf gegen mich polemisieren. Liegt es am ursprünglichen Anlass meines Beitrags? – Glauben Sie mir: die Sache geht auch mir nicht ganz ohne Probleme in die Tasten. Sie bestehen darin, verschiedene Entsetzlichkeiten zueinander in Beziehung zu setzen, ohne sie – in einem moralischen Sinne – zu relativieren. Ich halte den Hinweis von Arnold Voss (#6) in diesem Zusammenhang für sehr hilfreich.
Oder bezichtigen Sie mich des Relativismus gegenüber „linkstotalitärer“ Menschenrechtsverletzungen, weil Sie annehmen, ich wolle der Frau Wagenknecht das Wort reden? Also noch mal und wie gesagt: im Ernst: ich verstehe Ihre Stoßrichtung gegen meine Argumentation wirklich nicht. Ich kann damit ganz gut leben und mir liegt auch nichts daran, inhaltliche Differenzen in einer harmonistischen Soße ertränken zu wollen. Nur: ich sehe sie halt nicht.
Die Unvergleichbarkeit ist ein Zeichen des Respekts gegenüber den Opfern und damit Merkmal aller Massenmorde und Genozide. Denn welcher Lebende hat das Recht, den Vergasten von Auschwitz, den Geschlachteten von Ruanda, den Erfrorenen aus den Gulags und den Verhungerten des Großen Sprunges nach vorn, den Dezimierten der spanischen Eroberung Amerikas, den in die Wüste verbannten Herero oder den vielen, vielen, die ich hier ausgelassen habe, zu sagen, ihr Leid sei weniger tragisch als das des Nächsten? Sprechen wirvon Genozid, so sprechen wir von der absoluten menschlichen Katastrophe – es gibt keine Steigerung davon. Ein Vergleich erübrigt sich somit.
Als die Causa Bodo Thiesen durch’s Internet waberte, habe ich auch mal ein paar Gedanken dazu geschrieben, die in eine ähnliche Richtung gehen, wie dein obiger Standpunkt. Insofern also meinerseits Zustimmung. Und (wo sind eigentlich die Trackbacks hin?) ’n Link: https://rotwang.blog.de/2009/07/06/beispiel-singulaer-6462729/
hallo werner,
dir ist, so glaube ich, ein denkfehler unterlaufen. henryk m. broder spricht sich nicht per se gegen vergleiche aus. er ist aber eben der ansicht, dass prof. benz, wenn er die sogenannte islamophobie mit dem antisemitismus vergleicht, die falschen schlüsse aus diesem vergleich zieht: dass nämlich aktuelle vermeintliche islamophobische tendenzen in der gesellschaft an antisemitische stimmungen erinnern.
@ Philipp Engel
Dass Broder nicht per se gegen Vergleiche ist, hatte ich erwähnt. Zur Broder-Benz-Kontroverse halte ich die Beiträge von Mathias Brodkorb für sehr hilfreich. Hier nur ein Beispieel:
https://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=4347:in-der-sparring-arena-von-henryk-m-broder&Itemid=618
Noch ein Vergleich:
Gaza und Dresden
[…] nichts passiert, was auch nur in Ansätzen irgendwie mit dem Holocaust vergleichbar wäre. Auschwitz ist einzigartig und doch mit anderen Gräueltaten zu vergleichen. Die Loveparade in Duisburg […]
[…] ist auch nicht etwas besonders „Heiliges“; Auschwitz war etwas besonders Schreckliches. Es ist schwer, dies mit anderen Grausamkeiten, die Menschen Menschen angetan haben und antun, vergleichen zu […]