Eine virtuelle Ausstellung des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund zeichnet die Geschichte des Frauenfußballs nach.
Die Inzidenzen sind hoch und mit einem bösartigen Grinsen im Gesicht nähert sich uns die Omikron-Variante. Da es nebenbei noch kalt, dunkel und regnerisch ist gibt es also viele Gründen Zuhause zu bleiben und den Tag auf einen Monitor zu starren. Wie gut, dass man sich auch vom Schreibtischstuhl oder der Couch mit Thema Sport beschäftigen kann. Zum Beispiel mit der Online-Ausstellung „Frauen. Fußball. Geschichte“ des Deutschen Fußballmuseums. Gut ist auch, dass die Ausstellung kostenlos ist und man dem Träger des Museums, dem DFB, kein Geld in den gierigen Schlund werfen muss, wenn man sie betrachten will.
Die Ausstellung beschreibt den Weg des Frauenfußballs von seinen Anfängen bis in die Gegenwart. Wie die Männer auch begannen die Frauen vor allem in England bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts damit, Fußball zu spielen. Darüber ob es in dieser Zeit bereits auch in Deutschland oder in anderen Ländern Frauen gab, sagt die Ausstellung nichts. Sie ist eher eine Aneinanderreihung schnell auch online zu findender Quellen. Sicher, technisch gut gemacht und attraktiv gestaltet, allerdings ohne tieferen Erkenntnisgewinn. Der Anspruch des einzigen Fußballmuseums des Landes an sich selbst dürfte ruhig etwas größer sein, gerade was die Anfänge des Frauenfußballs betrifft.
Etwas detaillierte werden die 20er Jahre geschildert. Der bis heute bestehende Hamburger HSV-Barmbek-Uhlenhorst hatte die erste bekannte Frauenabteilung der Weimarer-Republik. Es waren jedoch vor Arbeitersportvereine, in denen damals Frauen begannen, Fußball im Verein zu spielen. Der erste Frauenfußballverein, der 1. Deutsche Damen Fußballclub Frankfurt wurde schließlich 1930 von der Metzgertochter Lotte Specht gegründet.
Lieder erfahren wir nichts über die Spielerinnen und ihre Vereine, nichts über ihr Schicksal in der Nazizeit. Nur dass Frauenfußball auf viel Skepsis traf, wird erwähnt. In einem Artikel der Zeitschrift „Sport und Sonne“, dem amtlichen Nachrichtenblatt der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik verneinte damals Walter Huith 1925 die in der Überschrift des Textes gestellte Frage Soll das weibliche Geschlecht Fußball spielen?“: „Vom völkischen Standpunkt aus, glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich sage, die grosse Masse vertritt einen ablehnenden Standpunkt. Möge auch der Sportgedanke mehr denn je das Weib der Gegenwart ergriffen haben, und sollten sich auch wirklich einige Beherzte zum Fußballspiele bereit finden, das Allgemeingefühl und Empfinden der deutschen Frau dürfte durch diese Wenigen nicht vertreten sein.“
Auch nach der Gründung der Bundesrepublik änderte sich an den Vorbehalten gegenüber Frauenfußball nichts. Als nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 der Fußball in Deutschland boomte und auch immer mehr Frauen kicken wollten, reagierte der DFB 1955 und verbot offiziell den Frauenfußball. Die Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“
Die Ausstellung zeigt, dass die Frauen sich nicht um das Verbot kümmerten und vor allem im Ruhrgebiet und in Süddeutschland begannen, eigene Vereine zu gründen. Das Team von Fortuna Dortmund galt damals als beste Frauenmannschaft des Landes. Und auch international wurden die Frauen aktiv. In Essen fand vor 18.000 Zuschauern 1956 das erste Länderspiel einer Frauenauswahl statt. Die deutschen Frauen gewannen gegen die Niederlande 2:1. „Bis 1965 werden etwas 150 internationale Begegnungen ausgetragen“, erfahren wir. Und auch in der Öffentlichkeit nahm die Akzeptanz langsam, aber sicher zu: Der Kicker schrieb 1957: „Unästhetisch, nein, so wirkte das ganz und gar nicht, was die Mädels im Alter von 17 und 22 Jahren vorführten.“
1970 hob der DFB das Frauenfußballverbot auf. 1981 gewann ein „Team Germany“ aus Bergisch Gladbach die inoffizielle Weltmeisterschaft in Taipeh. Eine richtige Nationalmannschaft sollte es allerdings erst ein Jahr später geben. Ihr gehörte schon Silvia Neid an, die in ihrer Karriere alles gewann, was man im Fußball gewinnen kann: Als Spielerin wurde 1995 Neid Vizeweltmeisterin, drei Mal Europameisterin, sieben Mal Deutsche Meisterin und sechsmal Pokal-Siegerin (6): 1984 (SSG 09 Bergisch Gladbach), 1986, 1987, 1988, 1989, 1993. Als Trainerin errang sie 2007 die Weltmeisterschaft, wurde zwei Mal Europameisterin und holte 2007 die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen.
Ab den 80er Jahren wird die Ausstellung ausführlicher. Es ist die Zeit des DFBs, seiner erfolgreichen Frauennationalmannschaft, der 1990 eingeführten Bundesliga und es gibt Stars wie Silvia Neid, Inka Grings und Steffi Jones.
2011 fand schließlich unter dem Motto „20elf von seiner schönsten Seite“ die Frauenfußball WM in Deutschland statt. „Die 32 Begegnungen werden von mehr als 844.000 Zuschauerinnen und Zuschauern in den Stadien verfolgt. Nicht zuletzt die Hohen Einschaltquoten machen das Turnier zu einem weltweiten Erfolg. Die Entwicklung des Mädchen- und Frauenfußballs erfährt durch die WM einen nachhaltigen Aufschwung.“ Jubeln die DFB-Ausstellungsmacher.
Das ganze Schulklassen in die Stadien geschleppt wurden, um für eine wenigstens halbwegs unpeinliche Kulisse erfährt der virtuelle Besucher nicht. Die in Deutschland im Vergleich zum Ausland relativ miese Bezahlungen der Spielerinnen ist ebenso wenig ein Thema wie die nach wie vor niedrigen Besucherzahlen. Der beschworene „nachhaltige Aufschwung“ erweist sich bei näherer Betrachtung als Wunschdenken: Vor Corona, in der Saison 2018/19 besuchten im Schnitt über 40.000 Zuschauer die Spiele der Herren-Bundesliga. Bei den Frauen waren es gut 1000.
Warum das alles so ist, wieso der Frauenfußball in Deutschland trotz der zeitweiligen erfolge der Nationalmannschaft und der Popularität einzelner Spielerinnen nach wie vor eine Nischensportart ist, auch das hätte die Ausstellung ebenso thematisieren können.
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jungle World